Und ich bin zum ersten Mal auf dieser Messe beeindruckt, weil ich das erste Spiel in Leipzig gesehen habe, das sowohl dem Anspruch erwachsener Spieler als auch dem polygonhungriger Grafikfetischisten gerecht werden könnte. Die PlayStation 3 bekommt hier vielleicht ein Drama ganz neuer emotionaler Qualität.
Die Games Convention hat damit auch ihr erstes weltexklusives Highlight in petto: David Cage, Geschäftsführer von Quantic Dream, hat Journalisten zum ersten Mal in das kommende 3D-Adventure Heavy Rain reinschnuppern lassen. Ein ausgewähltes Kapitel wurde von einem Entwickler auf zwei Arten durchgespielt – zum Release soll es auf zehn Arten erlebbar sein.
Schon das Hauptmenü war eine Augenweide: Es zeigte ein animiertes weibliches Gesicht, das nicht nur durch seine realistische Haut, die im Gegensatz zu sterilen Helden- & Babevisagen neben Poren auch Unreinheiten darstellte, sondern vor allem durch seine lebendigen Augen faszinierte – die Blicke der Frau, die sich unsicher und fast schon traurig umschaute, wirkten unheimlich natürlich. Das war keine Polygonfigur mehr, sondern eine Frau mit menschlichen Zügen und Gefühlen. Keine sterile Superheldin, keine schicke Prinzessin, kein blödes Babe.
Und das Beste ist: Dieses Gesicht wird euch in Echtzeit während des Abenteuers begleiten. Wie läuft das ab? Die erste Überraschung ist die Steuerung, denn ihr bewegt den Charakter nicht mit dem Analogstick, sondern mit der R2-Taste. Der Analogstick bestimmt hingegen, wohin ihr schaut. Sprich: Schaue ich nach links und drücke R2, gehe ich auch nach links. Dass man den Kopf quasi frei beweglich macht, hat später natürlich Vorteile, wenn man sich nach oben, unten oder zur Seite umschauen will.
Das Bewegen der Arme wird aktiv über den Analogstick ausgeführt – so z.B., wenn man in einen Briefkasten greifen möchte. Und wenn man sich hinter einer Tür versteckt, muss man die betreffende Taste gedrückt halten; eine kleine, aber feine Methode, um in der Situation zusätzlich Spannung aufzubauen. Die entsteht auch dadurch, dass Quantic Dream auf kleine, aber unheimlich detaillierte Schauplätze setzt. Wer das Drumherum des Hauses inspiziert, wird in einer Abfalltonne das erste Indiz dafür finden, dass es sich bei Heavy Rain um einen Thriller mit morbidem Flair handelt: Einen blutroten Stöckelschuh.
Schon die ersten Schritte in das Haus des potenziellen Killers, das man als Journalistin erkundete, sorgten dank der düsteren Farben und des trüben Lichts für eine dichte, bedrückende Atmosphäre. Und es wirkte in jedem Zimmer authentisch, weil akribisch dekoriert und koloriert. Selbst kleine Möbel und Lampen überzeugten mit ihrer Plastizität; Tapeten und Böden wirkten wie abfotografiert. Wer am Kamin nach unten schaut, findet dann auch zweite Indiz dafür, dass etwas nicht stimmt: einen roten Stofffetzen.
Die dramatischste Szene der Präsentation: Die Journalistin ist in das Haus des potenziellen Killers eingedrungen und hat in der zweiten Etage seine Opfer entdeckt – ausgestopfte Frauen. Beim Anblick der ersten Leiche kann man spüren, wie die Protagonistin um Haltung kämpfen und schlucken muss, um überhaupt etwas in ihr Diktiergerät zu sprechen. Dann quietschen Reifen, der Killer ist angekommen und der Bildschirm wird à la 24 zweigeteilt: Links der grobschlächtige Mann auf dem Weg zur Haustür, oben die verängstigte Journslistin. Was tun?
Diese Situation wird jetzt gnadenlos offen weiter gespielt; er nimmt sich ein Bier, sie schleicht hinter eine Tür – und ihr führt dabei Regie, denn alles kann passieren: Man kann ohne Lärm zu machen, ohne den Killer überhaupt zu sehen, den richtigen Hinterausgang finden. Man kann aber auch Pech haben und sich zu schnell über den knarzenden Flur bewegen, so dass der Mann nach oben schlurft. Was dann? Auch hier sind wieder mehrere Aktionen möglich: Man kann sich in einem Schrank verstecken und abwarten; man kann aber auch die direkte Flucht samt Konfrontation suchen – es liegt an euch.
Was kann man aktiv tun? Man kann außerhalb des Hauses Abfalltonnen und Kisten verschieben oder wegtreten, sich Gartengeräte anschauen, klopfen oder klingeln und innerhalb des Hauses jede Schublade oder Tür öffnen, teilweise auch auf verschiedene Arten. Interessant ist, dass man auch auf seine Gedanken hören kann: Soll man durch das Fenster ins Haus steigen? Oder soll man lieber einen anderen Weg suchen? Die Meinung der Protagonistin erfahrt ihr, indem ihr den Controller nach oben oder unten richtet – auch die bewegungssensitiven Möglichkeiten des PS3-Controllers werden genutzt. Allerdings wirkte das in der Präsentation noch etwas ungenau und umständlich. Trotzdem ist das System erfrischend, denn man kann quasi laufen und sich dabei die Gedanken der Heldin ansagen lassen.
Im Zentrum der Aktionen stehen die aus Fahrenheit bekannten Reaktionstests: In einem Kampf muss man schnell den richtigen Knopf drücken, um effektiv auszuweichen, zuzuschlagen oder sich abzurollen. Die Choreografie dieser Kämpfe ist fantastisch, denn es geht nicht um einen stupiden Schlagabtausch, sondern um lebensbedrohliche Situationen, die die Kamera gnadenlos einfängt: Man umkreist z.B. in der Hitze des Gefechts einen Tisch mit dem Killer, während er primitiv ächzt und sein Messer kreisen lässt.
Dieselben Quick-Time-Spielchen werden genutzt, um euch vor dem Stolpern zu bewahren oder das Motorrad in Gang zu bringen. Richtig dramatisch wird es, wenn man auf der Flucht zwei Möglichkeiten hat: Soll man nach rechts oder links ausweichen? Wo war noch mal der Schalter für das Garagentor?
Das Gezeigte wird zwar kein Teil des späteren Hauptplots, über den man inhaltlich noch nichts verraten wollte, aber demonstrierte sehr deutlich, in welche Richtung Heavy Rain im Jahr 2009 gehen wird – und zwar in die des Vorgängers Fahrenheit, inklusive Quick-Time-Reactions, Entscheidungen mit Konsequenzen sowie dem Verzicht auf klassische Elemente wie Inventar, Zwischensequenzen & Co. Es wird auch kein einziges Mal im Spiel nachgeladen. Nur dürfte das Ganze deutlich intensiver, emotionaler und in Sachen Steuerung erfrischend anders ablaufen. Es geht nicht um Itemkombinationen, stupide Rätsel oder künstliche Hindernisse, sondern um die Spielerfahrung von Ungewissheit, Ängsten, Grauen, Gewalt.
Mit Heavy Rain hat Sony ein Drama in der Entwicklung, das nicht nur der PlayStation 3 weitaus mehr Impulse geben könnte als alle Killzones dieser Welt, sondern auch der Branche endlich aufzeigen könnte, wohin man mit exzellenter 3D-Technik und Dramaturgie kommen kann. Die Spielzeit soll zwischen acht und zwölf Stunden liegen, aber es ist noch offen, inwiefern der Plot verknüpft wird. Die Entwickler wollten sich nicht weiter zur Story äußern, als dass sie aus mehreren Schauplätzen wie dem oben beschriebenen bestehen und an der amerikanischen Ostküste spielen soll.
Ich freue mich riesig auf dieses Abenteuer.