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Kolumne: Far Cry 6 beginnt wie eine Netflix-Serie, um anschließend alles zu vergessen

Das Intro beginnt so stark wie eine Netflix-Serie, aber das restliche Spiel kann nicht mithalten

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Intros sind wichtig

: Egal ob in Serien, Filmen oder auch Videospielen. Die ersten Minuten können bereits sehr viel über die nächsten Stunden aussagen und den Grundstein für eine fantastische Erfahrung legen – oder aber sie täuschen über die noch kommende hinweg.

So wie bei mir im Falle von Far Cry 6. Der jüngste Serienteil von Ubisofts Ego-Shooter-Reihe präsentiert sich in ersten Minuten wirklich atmosphärisch und spannend, wenn auch nicht gerade unbedingt neu. Leider hält dieser Eindruck nicht lange, denn nur ein Augenblinzeln später mutiert meine Protagonistin zur Super-Soldatin, die lautstark die Rebellion mit Waffen und Gadgets anführt, bei denen man sich schon fragt, wie es in Yarra überhaupt zu einer Militärdiktatur kommen konnte. 

Kolumne: Far Cry 6 beginnt wie eine Netflix-Serie, um anschließend alles zu vergessen

Das Intro beginnt so stark wie eine Netflix-Serie, aber das restliche Spiel kann nicht mithalten



Far Cry 6: Ein Einstieg wie bei einer guten Netflix-Serie

Aber ich fange einmal ganz von vorne an: Far Cry 6 spielt im fiktiven Inselstaat Yarra, bei dem Demokratie und Freiheit schon längst keine Eckpfeiler mehr sind. Stattdessen regiert der umbarmherzige und gierige Diktator Antón Castillo mit eiserner Hand und zwingt die Bevölkerung vor Ort, sein Krebs-Allheilmittel Viviro herzustellen und zu testen – ganz egal, wie viele an den Nebenwirkungen der Produktion sterben. Wer nicht spurt, wird umgehend bestraft.



Hier beginnt Far Cry 6: Heldin oder Held Dani, je nachdem für welches Geschlecht ich mich entscheide, will aus Yarra fliehen. Der gefälsche Personalausweis hat zwar ein paar Mängel, aber das soll den Plan nicht zu Grabe tragen. Ganz im Gegensatz zu Castillos Soldaten, die auf einmal aus dem Nichts auftauchen und die Stimmung ins Tief drücken: Als Dani muss ich schleunigst die Beine in die Hand nehmen, mit ansehen wie einer meiner besten Freunde vor meinen Augen erschossen wird und ich gerade noch so rechtzeitig den vereinbarten Treffpunkt erreiche: Ein Boot, welches mich, ein paar weitere Bewohner und einen Teenager in die USA bringen soll.

Das Ziel wird aber nie erreicht: Nur wenige hundert Meter Wasserweg später erreicht das Intro von Far Cry 6 seinen vorläufigen Höhepunkt. Castillo, übrigens gespielt vom großartigen Giancarlo Esposito, betritt den Raum und zieht sämtliche Aufmerksamkeit sofort auf sich – man spürt, dass ein falsches Atmen sofort den Tod bedeutet. Dann stellt sich auch noch heraus, dass der mit Kapuze bedeckte Junge, der sich gerade noch bei mir bedankt hat, in Wahrheit der Sohn des Diktators ist – Drama pur! Nicht übermäßig kreativ, aber atmosphärisch. Und spannend.

Mit der Ermordung weiterer Unschuldiger und dem Versenken des Boots weckt Far Cry 6 dann überraschend bei mir Emotionen, die ich der Reihe gar nicht mehr zugetraut hätte. Nur um mir zehn Minuten später zu verdeutlichen, warum der Shooter ganz dringend einen Reboot benötigt.

Wenn man den Ton nicht treffen kann

Statt diesen ernsten, brutalen und zuweilen sogar grausamen Ton der Castillo-Diktator fortzuführen, legt Far Cry 6 nach dem Intro eine ganz andere Schallplatte auf: Aus dem dramatischen Widerstandskampf wird auf einmal ein Expendables, bei dem Action und Absurdität einen viel höheren Stellenwert einnehmen. Die bedrückende Atmosphäre, die gerade eben noch meine ersten Schritte in Yarra begleitet hat, weicht einer fast schon feuchtfröhlichen Stimmung, bei der von Danis anfänglicher Nervösität und Angst nichts mehr zu spüren ist.

Es wirkt fast so, als sei das Intro von einem anderen Autor geschrieben worden als der Rest der Handlung – oder, dass Far Cry 6 einer ordentlichen Fokustest-Behandlung nach dem Beginn unterzogen wurde. Anders lässt sich dieser unterschiedliche Ton, der sich nach dem Intro zeigt, kaum erklären. Wo mich am Anfang ein erdrückendes Diktatur-Regime fast schon erschlägt, bekomme ich auf einmal ein Krokodil mit T-Shirt an die Seite gestellt, eine Raketenwerferanlage auf den Rücken geschnallt und stolpere über Party-Rebellen, die lieber Videos drehen, während um ihnen herum dutzende von Menschen unterdrückt und gefoltert werden.

Dazu kracht es spielerisch – wortwörtlich. Obwohl Far Cry 6 mir eigentlich vermittelt, dass Castillos Regime zahlenmäßig und militärisch den Rebellen überlegen ist, wirkt das zu keiner Zeit so, als sei das tatsächlich der Fall. Als Dani, die laut eigener Aussage lediglich über eine Grundausbildung an der Waffe verfügt, schaffe ich es innerhalb der ersten fünf Stunden mehrere Außenposten einzunehmen, wertvolles Uran zu stehlen und kann mir sogar einen Panzer schnappen. Einen Panzer! Das wird mir so einfach gemacht, dass ich gar nicht glauben kann, wieso irgendjemand groß Angst vor Castillo haben sollte, wenn sich sein Militär so unfassbar dilletantisch anstellt.

Far Cry 6 wäre als Satire besser gewesen

Dass es bei Videospielen oftmals einen Widerspruch zwischen der Erzählung und den Mechaniken gibt, ist nichts Neues. Nathan Drake in Uncharted ist eigentlich nicht unbedingt ein kaltblütiger Killer, dennoch werden im Laufe der Quadrologie mehrere hundert, wenn nicht gar tausend Feinde niedergeschossen – allzu störend ist das für mich nicht gewesen, da es schlussendlich lediglich eine Spielmechanik ist.

Far Cry 6 versucht zu Beginn, mir das Grauen einer Militärdiktatur näher zu bringen und auch später im Spiel gibt es immer wieder Szenen, in denen die Gräueltaten zumindest visuell angesprochen werden. Es passiert nur nicht mehr. Stattdessen darf ich mir anhören, wie schmerzvoll es für die Ärmsten der Armen ist, unter Castillos Fuchtel zu leben, während ich nur zehn Meter weiter meinen Mini-Kampfhund auf Soldaten hetze und mit Flammenwerfer in der Hand jubel, wie cool doch der Rebellenkampf ist.



Grundsätzlich kann so etwas ja auch funktionieren, zum Beispiel in Form von einer Art Satire. Ein Helldivers 2 schafft dies beispielsweise mit wenigen Mitteln überraschend gut. Far Cry 6 hingegen will wirklich eine ernste Handlung erzählen, aber gleichzeitig auch nicht. Es will eine brutale Geschichte liefern, aber zur selben Zeit auch Sandbox-Wahnsinn, bei dem es ausschließlich um Action-Spaß geht. Für mich scheitern dadurch am Ende beiden Seiten, die nie so richtig zueinander finden. Nur, dass die politischen Aspekte dieser Geschichte viel stärker darunter leiden.

Für das unweigerlich in naher Zukunft erscheinende Far Cry 7 wünsche ich mir daher vor allem eines: Einen spielerisch und erzählerischen Reboot, bei dem man von Anfang Hand in Hand geht. Angeblich in Alaska, wie einst ein paar Gerüchte behauptet haben. Hauptsache nicht belanglos.

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