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Ganz ohne Nostalgie: Warum mich Fire Emblem Engage auch als Serienneuling begeistert – Kolumne

Warum mich die Strategie-Schlacht auch als Serienneuling begeistert – Kolumne

© Intelligent Systems / Nintendo

Zwei Wochen sind seit dem Release von Fire Emblem Engage vergangen und ich stecke knietief mit beiden Beinen und knapp 60 Stunden im Morast der Schlachtfelder.

 

Jeden Abend nach der Arbeit fesselt mich der Taktik-Titel vor den Bildschirm und das noch mehr als der Vorgänger – mit dem ich überhaupt erst in die Reihe eingestiegen bin. Dass Engage mich nun so begeistert, obwohl es viele Elemente von seinem Vorgänger stark reduziert und mit den Emblem-Charakteren aus alten Spielen vor allem an die Nostalgie langjähriger Fans appelliert, hat mehrere Gründe.

Neugierig, nicht nostalgisch: Wiederkehrende Helden

Wer schon seit der Gameboy Advance-Ära auf den Kriegsschauplätzen der Reihe herumtollt, der dürftet sich ob der Ankündigung, dass alte Charaktere mit dem Emblem-System ihren Weg ins Spiel finden, sehr gefreut haben: Endlich wieder mit Marth in die Schlacht ziehen, Lyns Schützenkünste bewundern oder Corrins Drachenkräfte entfesseln! Mich hingegen ließ das Feature absolut kalt.

Ike, Lucina, Roy und Co. sind mir bislang nur in Super Smash Bros. über den Weg gelaufen, weil ich vorher schlicht und ergreifend keinen Kontakt mit Fire Emblem hatte. Leif und Sigurd hingegen könnte ich nicht einmal dann genauer kennen, wenn ich wollte: Ihre beiden Spiele, Fire Emblem: Thracia 776 und Fire Emblem: Genealogy of the Holy War, haben es bis heute nicht in den Westen geschafft.

Doch das Ködern mit Nostalgie stört mich keineswegs, im Gegenteil: Die alten Helden stehen nicht im Rampenlicht, sondern erlauben es den neuen Figuren auf eigenen Beinen zu stehen. Außerdem sind sie für mich als Neuling unverbraucht, die Anspielungen an ihre Geschichten und Schicksale machen mich eher neugierig und lassen in mir den Wunsch aufwallen, den alten Fire Emblem-Spielen einen Besuch abzustatten, sobald ich mit Engage durch bin.

Keine Nostalgie, sondern Neugier: Wer sind diese Charaktere? Welchen Widrigkeiten waren sie ausgesetzt, welche Entscheidungen haben sie getroffen? Um mit der Beantwortung dieser Fragen irgendwo zu beginnen, habe ich mir spontan Fire Emblem: Awakening auf Ebay gekauft und krame dann in Kürze meinen Nintendo 3DS wieder hervor. Ob das Nintendos wahre Absicht beim Marketing gewesen sein könnte?

Pepsi-Pop und Anime-Augen: Das Charakterdesign

Dass mich die alten Charaktere nicht stören, liegt natürlich auch an den neuen: Schon beim ersten Trailer stachen mir die quietschbunten Designs ins Auge. Colgate-Chan, wie die Protagonistin Alear mit ihrer an zweifarbige Zahnpasta erinnernden Frisur mal mehr, mal weniger liebevoll von den Fans getauft wurde, hat mich total abgeholt.

Überdreht, verrückt, anders: Ein mutiges Design, das so gar nicht in die geerdete Welt von Fire Emblem zu passen scheint, für mich als Newcomer aber einen gelungenen Kontrast zu der sonst so klassischen Fantasy-Identität bietet. Verantwortlich dafür ist die japanische Künstlerin Mika Pikazo, die als Lead-Charakterdesignerin von Entwicklerstudio Intelligent Systems angeheuert wurde und ihren poppigen, verspielten Stil mit viel Liebe in die fantastische Welt von Fire Emblem transportiert hat. 

Das gefällt nicht jedem: Wenige Elemente von Engage wurden in der Community so kontrovers diskutiert wie das Design der Charaktere. Meinen Geschmack hat Pikazo, deren Arbeit ich schon vor dem Spiel bewundert habe, aber voll getroffen und holt mich definitiv mehr ab als der X-te bierernste Schwertkämpfer.

Das soll jetzt gar kein Seitenhieb gegen Ike oder Marth sein, schließlich habe ich die beiden in Fire Emblem Engage kennen und lieben gelernt und möchte mehr über die Helden früherer Serienteile erfahren. Trotzdem ist mir die aktuelle Richtung von Fire Emblem in Sachen Design dann doch deutlich lieber als die zurückhaltende Riege an klassischen Fantasy-Charakteren mit ihren gedeckten (Haar-)Farben.

Abgespecktes Anbandeln

Da ich mit Fire Emblem Three Houses in die Reihe eingestiegen bin, hatte mich ein Aspekt aus Previews und Reviews allerdings zunächst besorgt: Die zurückgefahrenen sozialen Interaktionen. Keine Teestunde, kein Unterricht, weniger Fokus auf die Figuren und humorvolle oder romantische Zweisamkeit abseits des kaltblütigen Kriegsalltags. Gerade als Hardcore-Fan von Persona 5 liebe ich den sozialen und dialoghaltigen Ausgleich zu den intensiven Kämpfen und konnte mir nicht vorstellen, in Fire Emblem Engage darauf zu verzichten.

Doch tatsächlich hat mich die Reduzierung dieser Elemente weniger gestört als erwartet: Support-Gespräche zwischen den Charakteren sind zwar etwas weniger gehaltvoll und vielschichtig als beim Vorgänger, aber immer noch fester Bestandteil des Spiels. Ohnehin ist die Basis Somniel ein guter Kompromiss, der einem die Freiheit gibt, so viel oder so wenig abseits der Strategie-Schlachten zu machen, wie man möchte.

Auch wenn ich trotzdem nach jedem Kampf die fliegende Festung besuche und mit meinem königlichen Kumpel Alfred muskelaufbauende Minispiele absolviere oder bei Prinz Diamant nach funkelnden Fischen angle, hatte ich stets die Möglichkeit, all diese Dinge zu ignorieren. Und die abgespeckte Social-Sim hat meinen Blick vor allem auf das Wesentliche geschärft: Das Kampfsystem.

Taktik mit Tiefgang

Nicht, dass das nicht auch in Fire Emblem Three Houses schon ein taktischer Genuss gewesen wäre. Doch mit den reduzierten Figuren-Interaktionen, der vollständigen Rückkehr des Waffendreiecks und anderen kleinen Kniffen läuft das Kampfsystem in Engage auf Hochtouren und – wenn man Fans und Experten glauben darf – zu alter Größe auf. Daran ist neben dem Klassiker Schere-Stein-Papier auch das simple, aber effektive Menüdesign Schuld.

Zusammen mit jeder Menge interessanter Karten, klar kommunizierter Gegnerintentionen und den spielerisch spannenden Emblem-Optionen bietet Engage jede Menge Spieltiefe, ohne mich als Neuling zu überfordern. Hatte ich bei Three Houses zwar bereits Spaß an den strategischen Schlachten, aber danach nicht das Bedürfnis, die gesamte Fire Emblem-Reihe nachzuholen, zieht Engage mir nun das Geld für gebrauchte Spiele aus der Tasche.

Mit dem Fire Emblem-Virus infiziert

Fire Emblem Engage hat in mir also einen Hunger erwachen lassen: Ein alles verschlingender Appetit, der mich auf Ebay schickt und mich nach vertretbaren Preisen für Fates: Vermächtnis, Fates: Herrschaft und suchen lässt. Das liegt vor allem an den neuen Figuren, deren überladenes und beinahe blendendes Design mich schon mit dem ersten Trailer in seinen Bann gezogen hat.

Klar, die überbordenden Anime-Figuren bekomme ich in den vorherigen Spielen natürlich nicht geboten, dafür aber die ausgefeilte Taktik-Finesse, die ich in Engage erst so richtig lieben gelernt habe. Und glücklicherweise haben mich Ike, Marth und die anderen Helden vergangener Tage ebenfalls mehr als neugierig auf ihre Geschichten gemacht.

Wenn es nach mir ginge, dürfen sich Mika Pikazo oder vergleichbar poppige Künstler  beim nächsten Teil der Reihe dann aber ruhig wieder austoben. Ein Warriors-Spin-Off mit dem kunterbunten Haufen aus Fire Emblem Engage würde ich beispielsweise mit Kusshand nehmen, einfach nur um Alear, Yunaka und die anderen charmanten Kriegsgefährten wieder über das Schlachtfeld tanzen zu sehen. 

Wie gefällt euch Fire Emblem Engage und seid ihr genau wie ich eher Anfänger oder doch hartgesottene Veteranen? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare!