Die Arbeitsbedingungen und die berüchtigten Crunch-Zeiten bei einem großen Spiele-Entwicklungsstudio stehen erneut am Pranger. Im Mittelpunkt eines alarmierenden Berichts von Jason Schreier bei Kotaku geht es um Naughty Dog (The Last of Us, Uncharted, Jak and Daxter). In dem Artikel geht es um viele Überstunden auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter, Burnouts und Personal-Abgänge. Auch die (überstürzt wirkende) Verschiebung von The Last Of Us Part 2 auf den 29. Mai 2020 soll die Lage nicht wirklich entschärft haben.
Ein Auszug aus dem Artikel: „Viele, die im Laufe der Jahre bei Naughty Dog gearbeitet haben, beschreiben eine gewisse Zweischneidigkeit – [das Studio ist] ein Ort, der gleichzeitig der beste und der schlechteste Arbeitsplatz der Welt sein kann. Bei Naughty Dog zu arbeiten bedeutet, beliebte und von der Kritik gefeierte Spiele an der Seite von Designern und Entwicklern zu erstellen, die als einige der besten auf ihrem Gebiet gelten. Aber für viele der Mitarbeiter bedeutet es auch, zwölf Stunden am Tag und sogar an Wochenenden zu arbeiten, wenn das Studio im Crunch-Modus ist und ihre Gesundheit, ihre sozialen Beziehungen und ihr Privatleben auf dem Altar des Spiels zu opfern“.
Als Reaktion auf diesen Bericht meldete sich der ehemalige Naughty-Dog-Animator Jonathan Cooper via Twitter zu Wort und meinte, dass vor allem die „Gameplay-Animatoren“ für die Fertigstellung der Demo im September 2019 so viel und so lang arbeiten mussten (Crunch), dass sie sich danach mehrere Wochen erholen mussten. Der Ruf des Studios in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sei in Los Angeles und Umgebung mittlerweile so schlecht, dass sie nur sehr schwer erfahrenes Personal bekommen würden. Deswegen hätten sie u.a. Personen aus der Film-Industrie eingestellt, denen „das technische und gestalterische Know-how fehlte, um die Szenen zusammenzusetzen“. Zudem wurde verstärkt auf viele neue Mitarbeiter gesetzt, die ebenfalls Zeit brauchen, um die Abläufe und Techniken zu erlernen. Der Abgang vieler leitender Mitarbeiter erschwerte die Situation zusätzlich. Die mangelnde Erfahrung vieler Mitarbeiter im Team sei der Hauptgrund, warum sich die Fertigstellung des aktuellen Spiels hinziehen würde.
The reason I left is because I only want to work with the best. That is no longer Naughty Dog. Their reputation for crunch within LA is so bad it was near impossible to hire seasoned contract game animators to close out the project. As such we loaded up on film animators.
— Jonathan Cooper (@GameAnim) March 12, 2020
Cooper behauptete in dem Zusammenhang, dass der Erfolg von Naughty Dog auf massive Fokustests ihrer linearen Spiele und „zum großen Teil auf die tiefen Taschen von Sony zurückzuführen“ sei. Sony hätte vielmehr die Verschiebungen finanziert, anstatt in die Fähigkeiten und die Talente in einem Team zu investieren. „Ein erfahreneres Team hätte TLOU2 bereits vor einem Jahr veröffentlicht“, meinte er.
Ultimately, ND’s linear games have a formula and they focus-test the shit out of them. While talented, their success is due in large part to Sony’s deep pockets funding delays rather than skill alone. A more senior team would have shipped TLOU2 a year ago.
— Jonathan Cooper (@GameAnim) March 12, 2020
Cooper schreib noch
: „Als ich Naughty Dog Ende letzten Jahres verließ, drohten sie mir mit der Einbehaltung meines letzten Gehaltsschecks, bis ich zusätzliche Papiere unterzeichne, die besagen, dass ich ihre Produktionspraktiken nicht öffentlich teilen würde. Sie gaben schließlich nach, als ich ihnen versicherte, dass dieses [Vorgehen] höchstwahrscheinlich illegal sei …“
Sony und Naughty Dog haben die Vorwürfe nicht kommentiert. Neil Druckmann (Vizepräsident von Naughty Dog) hingegen lobte die Mitarbeiter im Animationsbereich via Twitter, ging aber nicht weiter auf die Vorwürfe ein. Im vergangenen Jahr gab es ebenfalls Berichte über extreme Crunch-Zeiten und viel Kritik an der Behandlung freier Mitarbeiter (wir berichteten).
@Doc Angelo: Ich für meinen Teil habe ähnliche Erfahrungen, allerdings generell rund um den IT-Bereich, gemacht. Bei mir war es so, dass mir bereits in recht jungen Jahren schleichend eingetrichtert wurde, dass "Computer" doch keine Arbeit sei, da die Leute sich im Grunde mit etwas beschäftigen, was ihnen Spaß mache und die Zeit vertreibt - kein Witz! Und leider bin ich in die gedankliche Falle geraten, dass ich mich irgendwo besonders "beweisen" müsste in der Arbeit, mich besonders reinhängen und zur Not alle Sachen, die den Kopf auch nur temporär freikriegt, lassen soll. Weil, ist ja keine wirkliche Arbeit und daher nicht viel wert (dachte ich wirklich, völlig unabhängig meiner wirklichen Leistung)... Dass diese Einstellung auch nicht sonderlich förderlich für die Psyche, den Selbstwert und schlussendlich auch auf die Arbeitsleistung ist, brauche ich wahrscheinlich auch keinem erzählen, der selbst mal Depression und/oder Burnout hatte^^. (Und ich habe viele Therapiestunden hinter mir, dass ich das mittlerweile so einigermaßen erkennen, geschweigedenn auch offen sagen kann...)
Und speziell in der Dev-Branche - und da nochmal ganz speziell die Gaming-Branche - kotzt es mich massiv an, dass hier die gleichen Rechtfertigungen (denn nichts anderes ist es in meinen Augen) vonseiten der Chefetage genutzt werden, um Crunch zu relativieren.
Ich bin da mittlerweile bei folgender Überzeugung: Selbst wenn man seinen Traumjob und seine Passion gefunden hat, irgendwann braucht der Körper Ruhephasen. Ich hab meine Passion gefunden und mich trotzdem in einem Zustand abgerackert, den ich im Nachhinein meinem ärgsten Feind nicht wünsche.
Und meine Befürchtung in der Gaming-Branche ist, dass genau diese Argumentation der "Passion" weitergeführt wird, eventuell sogar mit einer scheinheiligen Begründung der Marke "wir machen Spiele für Kinder, mit Blumen und Regenbogen und Einhörnern, davon wird keiner krank. Also können wir die Mitarbeiter weiter in den Crunch schicken, schaut...
Es geht nicht um das persönliche Empfinden von Schönheit. Es geht um die Not der Sache.
Giger ist geil! Wäre sehr schade, wenn er sich unter Termindruck kaputt gemacht hätte... aus den oben genannten Gründen. Wir sind doch gerade in einer Situation, wo man sieht, das es wichtig sein kann, wenn man Überstunden macht: Um Menschenleben zu retten. Das muss doch in anderen Situationen nicht sein.
Überstunden machen und krank werden im Krankenhaus weil sonst Menschen sterben: Positiv für die Gesellschaft. Überstunden machen und krank werden weil sonst das AAA-Produkt nicht zu Weihnachten raus kommt: Negativ für die Gesellschaft. Das ist meine Sichtweise.
Okay, um doch noch mal einzuhaken. Wenn Überstunden gemacht werden, für Szenen die dir nicht gefallen oder die unangenehm sind, ist das nichts grundlegend verkehrtes. Kunst, egal ob Musik, Bücher, Film oder eben auch Videospiele hat nicht die grundlegende Aufgabe einem zu gefallen und Spaß zu machen. Es gibt viele, viele Künstler die machen schlichtweg nichts "schönes". H.R. Giger zum Beispiel oder Zdzisław Beksiński. Crunch ist scheiße, Überstunden doof aber ob das Ziel von Mehrarbeit eine hübsche Wiese ist oder ein ausgeweideter Brustkorb ist komplett irrelevant.
In der Firma, in der ich damals war, haben wir Windkraftanlagen hergestellt. Man könnte vielleicht sagen, das es hier einen gewissen "Termindruck" gibt, zumindest wenn man möchte, das mehr Windkraft und weniger Kohle gebraucht wird. Auch dann ist es absolut bescheuert, sich so einen Druck zu machen das man davon krank wird. Da waren Menschen an den Entscheider-Positionen, die die Fehler gemacht haben, die hier bereits aufgezählt wurde. Mehr Stunden und mehr Druck führen zu einem schlechten Ergebnis.
Du kannst dir vorstellen, das es für mich nochmal umso mehr unverständlicher ist, wenn man das in in der Gaming-Branche macht. Hier gibt es keinerlei Not(!)wendigkeit. Und dann auch noch solche Inhalte. Ja, die Verbindung ist nicht besonders signifikant. Aber sie ist auch nicht vollkommen irrelevant. Wenn dich dieser Aspekt nicht interessiert, dann toleriere die anderen Beiträge bitte und schreibe über das, was Du selbst für relevant hältst.