Die Anfang August getroffene Entscheidung, dass Computerspiele mit Hakenkreuzen und anderen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auch in Deutschland „freigegeben“ werden können, ist laut Lothar Hay (Vorsitzender des Medienrates der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein; bis 2012 SPD-Fraktionsmitglied) grundsätzlich falsch.
In einem Artikel in dem Magazin „M Menschen Machen Medien“ von ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) versucht er zu erklären, dass die Gleichstellung von Computerspielen mit Filmen nicht gerechtfertigt sei, da die Wirkung von Gewalt in Games „erheblich problematischer“ sei. Dabei vermischt er die allseits strapzierte Gewaltdiskussion im Medium Computer- und Videospiele aufgrund der Interaktivität der Inhalte mit der „hohen Realitätsnähe durch realistische Grafik, Soundeffekte, naturgetreue Bewegung bis hin zu Virtual-Reality-Bedingungen“. Er meint, dass Hakenkreuze und andere Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen diese „Realitätsnähe“ noch verstärken würden. Viele Aussagen von Hay wirken oberflächlich und pauschal. Relevante Behauptungen – zum Beispiel zur Forschungslage – wurden von ihm gar nicht belegt.
Auszug: „Das Besondere an der Wirkung von Computerspielen ist unter anderem ihre hohe Interaktivität oft mit selbst geschaffenen Aggressions-Figuren. Gewalthandlungen können beliebig wiederholt werden und sie werden belohnt, etwa durch Punkte oder das Erreichen eines höheren Levels. Mit der Ego-Shooter-Perspektive nimmt der Spieler gefühlt selbst die Position der Spielfigur ein. Die unbeschränkte Nutzungsdauer fördert Dauernutzung und Spielsucht. Nicht zuletzt entsteht eine hohe Realitätsnähe durch realistische Grafik, Soundeffekte, naturgetreue Bewegung bis hin zu Virtual-Reality-Bedingungen.
Die Steigerung der Realitätsnähe durch Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole würde das Wirkungsrisiko zusätzlich erhöhen. Dabei ist die Forschungslage keineswegs so lückenhaft, wie oft behauptet. Aggressive Spiele verstärken aggressive Gedanken, Affekte und aggressives Verhalten.“
„Aus guten Gründen ist die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB eine Straftat. Hierzu zählen beispielsweise das Hakenkreuz, der Hitlergruß oder ‚Sieg-Heil‘-Parolen. Damit soll die Wiederbelebung von Nazi-Organisationen und rechtsextremer Bestrebungen abgewehrt werden. Die Vorschrift dient dem Schutz des demokratischen Rechtsstaats, dem öffentlichen Frieden und auch dem Ansehen unseres Landes. Eine – auch schleichende – Akzeptanz von Hakenkreuzen und verbotenen Nazi-Symbolen muss verhindert werden. Ein Verbot, das angesichts der zunehmenden Anzahl rechtsextremistisch motivierter Gewalt in Deutschland nach wie vor aktuell ist. Ausnahmen von diesem Verbot gelten für Kunst, Wissenschaft und Berichterstattung, die beispielsweise das Zeitgeschehen kritisch aufarbeiten. Bislang wurden keine Freigaben für Computerspiele erteilt, wenn sie verbotene Kennzeichen enthielten. Diese Praxis soll nun geändert werden“, heißt es weiter, wobei Hay in seiner Darstellung unterschlägt, dass Spiele mit Hakenkreuzen und anderen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auch nach der Änderung der Freigabe durch die USK gar nicht pauschal in Deutschland veröffentlicht werden können. Denn die Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB), die seit August durch die USK-Gremien bei der Prüfung von Computerspielen mit einbezogen werden, ist kein Freibrief für Spiele mit solchen Inhalten, da die USK entsprechende Titel einzeln prüfen muss – und nur wenn die Sozialadäquanz festgestellt wurde, kann eine Altersfreigabe von der USK im Einzelfall erteilt werden. Ansonsten wünscht sich Hay über eine öffentliche Debatte über dieses Thema und schreibt weiter über die nach Anerkennung strebende Branche, Lobbyisten und eSports.
Die Kommentare auf diesen Artikel fallen ziemlich eindeutig und zumeist (sehr) negativ aus. Dabei wird oft der Vorschlag, eine „offene Debatte“ zu führen, begrüßt, aber zugleich die von Hay aufgestellten Behauptungen und Thesen sowie eine generelle Informationsarmut kritisiert. Auch Jörg Friedrich (Gründer und Game Designer Paintbucket Games; Entwickler von Through the Darkest of Times) veröffentlichte einen offenen Brief via Facebook.
Auszug: „Lassen Sie mich Ihnen sagen, wie persönlich enttäuscht ich bin, dass ausgerechnet Sie als Gewerkschafter im Medienbereich nicht nach progressiven Wegen suchen, wie man Menschen über die Gefahren des Faschismus aufklären kann, sondern stattdessen solch einen desinformierten und desinformierenden, vorurteilsbeladenen Text veröffentlichen. Wenn Sie auch nur 5 Minuten recherchiert hätten, dann wüssten Sie, dass von den drei Spielen, die bislang von der Änderung der USK-Regeln profitiert haben, keines ein Ego-Shooter ist: In ‚My Child Lebensborn‘ kümmert man sich nach Kriegsende in Norwegen um ein adoptiertes Kind, das aus einem der, von der SS betriebenen, Lebensborn-Heimen stammt und unter dieser Biografie leidet. In ‚Attentat 1942‘ spielt man die Geschichte von Menschen in der Tschechoslowakei zur Zeit der deutschen Besatzung nach, die nach dem Attentat auf den Hauptorganisator des Holocausts Reinhard Heydrich Repressionen und Verfolgung erleiden. In meinem Spiel ‚Through the Darkest of Times‘ schließlich, erlebt man die Geschichte von zivilen Widerstandskämpfern in Berlin zur Zeit des Nationalsozialismus.
In keinem dieser Spiele schießt man.
In keinem dieser Spiele wird man mit verfassungsfeindlichen Symbolen überflutet.
Bei jedem Gang zum Zeitungskiosk werden Sie auf den Titelblättern diverser Magazine mehr Hitlerbilder und Hakenkreuze sehen, als in allen drei Spielen zusammen.“
Die schaffen es, eine vermutlich breit getragene Konvention nach Orwell klingen zu lassen.
Deutsch! Herrliche Sprache!
Ich zitier mich mal selbst.
Das bedeutet allerdings nicht, dass ich das Hakenkreuz als normales Accessoire ansehe. Ohne Bezug, hat das einfach nichts in Spielen verloren.So etwas wie Spec Ops: The Line mit einem solchen Hintergrund oder auch noch unschärfer etwas wie Shadow of the Colossus hätte durchaus einen Platz in der kulturellen Landschaft der Spiele. Sei es mit den direkten Symbolen oder ähnlichen nicht-verbietbaren Symbolen. Es ist doch im Kern das Gleiche.
Ich finde sowas sollte möglich sein, ohne einen konkreten Hinweis einzublenden, wie es zu interpretieren ist. Immerhin ist auch American History X nicht verboten, obwohl es einige Leute hinbekommen haben da eine rassistische Bedeutung heraus zu lesen.
Warum sollte man denen dabei reinreden?