Der Juni ist ein umtriebiger Monat: Einerseits fand das Summer Game Fest statt, andererseits beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Und zwischendrin soll man auch noch Zeit finden, das eine oder andere Spiel zu zocken – was uns auch gelang.
In unserem monatlichen Format „Was spielt die Redaktion?“ nehmen wir euch auf eine kurze Reise mit und stellen euch die Spiele vor, mit denen wir unsere Freizeit verbringen. Mit dabei sind dieses Mal eine fantastisch klingende Visual Novel, viele Demoversionen, ein Spiel ohne Vampire und ein Roadtrip der besonderen Art. Aber lest selbst:
Sören – Stray Gods: The Roleplaying Musical
Eigentlich müsste ich mir dafür selbst in den Hintern treten: Obwohl bereits im August 2023 erschienen, habe ich bislang Stray Gods: The Roleplaying Musical sträflich ignoriert. Bis jetzt. Anlässlich des Pride Month und des aktuelle Humble Choice-Pakets flatterte mir die Visual Novel in die Steam Bibliothek und von da aus direkt aufs Deck. Die gute Nachricht: Von Haus aus läuft Stray Gods wunderbar auf dem Handheld-PC, auch wenn die Akkulaufzeit besser sein könnte und manchmal die Menüsteuerung etwas hakt.
Aber um die Technik soll es hier gar nicht gehen. Stray Gods ist ein Spiel für all diejenigen, die auch ohne komplexes Gameplay Spaß haben können – sogar noch weniger als in den Telltale-Spielen der Vergangenheit. Es ist im Grunde nur ein visuell schick in Szene gesetzter Roman, dessen Handlung man mit seinen Antworten ein Stück weit lenkt. Eine Narrative, die ungewöhnlich wie wundervoll ist: Als Sängerin Grace wird man eines Tages zur Muse und muss griechischen Götter-Erscheinungen beweisen, dass man keine Mörderin ist.
Und wie macht man das? Natürlich: Mithilfe von Songs. Musical-Nummern, um genau zu sein, die zwischen catchy, cringe und emotional geschrieben schwingen. Es ist einfach wunderschön, was da aus den Kopfhörern erklingt – nicht nur beim Singen. Auch die restliche Vertonung kann sich hören lassen: Laura Bailey, Troy Baker, Felicia Day und viele weitere bekannte Namen haben sich allergrößte Mühe gegeben, ihrer jeweiligen Rolle viel Leben einzuhauchen. Ein wundervolles Kleinod, welches seine Dauer nicht unnötig in die Länge zieht: Nach circa sieben Stunden ist Schluss. Mehr ist auch gar nicht nötig.
Arlene – Demos, Demos und Demos
Diesen Monat habe ich mir gedacht, bevor ich noch mehr Geld in mich anlächelnde Spiele versenke, nutze ich lieber das Steam Next Fest und teste ein paar meiner Wunschlistenkandidaten. Vor allem die Wholesome Direct, mein persönliches Highlight des Summer Game Fest, hat meinen Merkzettel kommender Titel völlig gesprengt, weshalb mir entsprechende Demo-Versionen zum Nachsortieren aktuell sehr gelegen kommen. Leider hatte ich bisher nicht viel Zeit, viele Kostproben wahrzunehmen.
Hinzu kommt, dass die beiden Spiele, in die ich schon reingeschnuppert habe, mich gar nicht wie gewohnt nach kurzer Zeit rausgeworfen haben. Ohne Speicheroption musste ich dann nach eigener Anweisung so weit wie möglich in einer Sitzung kommen und danach war der freie Abend meist vorbei. Wenigsten weiß ich jetzt, dass ich Amber Isle und Fruitbus als der Wunschliste weiterhin würdig einstufen kann.
Außerhalb des Steam Next Fest wurde ich auch im Nintendo eShop fündig, was Demos betrifft und bin nun im Besitz von Anschauungsmaterial zu Duck Detective und Harvestella. Das Spiel mit dem Enten-Ermittler durfte sofort weiter in meinen Warenkorb, während ich leider sagen muss, dass die Demo zu Harvestella mich herbe enttäuscht hat. Vielleicht läuft es auf dem PC besser, da Switch-Ports ja bekanntlich selten mit dem Original mithalten können, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass davon auch Elemente wie das groteske Kampfsystem betroffen sind. Aber was solls, in meiner nächsten Demo-Wahl könnte mir immer hin wieder eine Spiele-Perle begegnen, also gehts erstmal heiter weiter mit dem Horden virtueller Pröbchen.
Jonas – Vampire Survivor
Ich weiß, ich bin spät dran mit Vampire Suvivors, schließlich dominierte das pixelige Wimmelspiel letztes Jahr die Diskussionen. Aber bei der Flut spannender Neuerscheinungen müssen einige Spiele eben ein bisschen warten, bevor sie über meinen Bildschirm flimmern. Und dafür kommt die simple, aber umtriebige Indie-Perle von Entwicklerstudio poncle gerade genau richtig: Aufgrund einer stressigen Arbeitsphase habe ich aktuell abends schlicht keine Lust, mich noch mit komplexen Kampfsystem oder leseintensiven Rollenspielen auseinanderzusetzen.
Vampire Survivors hat glücklicherweise keins von beidem: Mit einer der unzähligen Pixel-Gestalten husche ich durch von Fledermäusen, Skeletten und Zombies überrannte Level und schalte die Massen mit Peitschenhieben, Axtwürfen oder Feuerbällen aus. Es ist ein Effektgewitter, bei dem Gegner und Zahlen explodieren, während ich blaue Kristalle einsammle und neue Power-Ups freischalte, die dem Feuerwerk noch ein paar Raketen mehr beisteuern.
Befriedigende Berieselung in Videospielform, bei der ich den Kopf ausschalten kann und in kleinen Dosen Glückshormone ausgeschüttet bekomme – man merkt Vampire Survivors durchaus an, dass poncle-Chef Luca Galante vorher an virtuellen Slot-Maschinen gewerkelt hat. Trotzdem oder gerade deshalb ist der Titel mit einem Podcast im Hintergrund für mich derzeit die perfekte Abendbeschäftigung; und bald ist dann auch sicher wieder mehr Gehirnkapazität für anspruchsvollere Spiele.
Patrick – Road 96
Mit dem modernen Filmklassiker Magnolia von Paul Thomas Anderson wurde Road 96 in der zeitgenössischen Kritik verglichen, weil hier wie dort ein Bukett sich überschneidender Erzählstränge aufgeblättert wird. Und recht hatten die Kritikaster. Als jüngst die Veröffentlichung Road 96 im Steam-Sale aufploppte, musste ich – ganz der unmündige Konsument – zugreifen. Und das Prequel Road 96: Mile 0 landete, von unbekannten Mächten geleitet, auch gleich in meinem Warenkorb.
Beim Spielen stolpere ich wiederholt über einen Schlüsselgedanken: „Das ist wie ein altes LucasArts-Adventure – nur anders“. Gemein mit Adventure-Klassikern hat Road 96 die skurrilen Charaktere, die wie gezeichnete Optik, den sich aus Dialogen ergebenden Humor. Anders als einstmals beim Monkey Island-Studio ist die um den autoritären Staat Petra sich drehende Geschichte – und um verschiedenen Teenager*innen, die trampend über die Landesgrenze des diktatorisch geführten Landes zu fliehen versuchen.
Meine bisherige Spielerfahrung: Aktuell habe ich 4 Stunden in den erzählerisch starken Titel des französischen Developers DigixArt gebuttert. Was bei einem Spiel, in das Komplettisten schmale 10 Stunden versenken dürfen, bis die Credits über den Bildschirm rollen, fast die Hälfte der Spielzeit ausmacht. Aber genug Zahlenbingo gespielt: Wie gefällt mir Road 96? Nun, ziemlich gut.
Beim Erscheinen im Jahr 2021 wurden in grafischer Hinsicht zwar die etwas hölzernen Gesichtsanimationen kritisch beäugt. Und, ja, mit den manchmal etwas versteinert wirkenden Mimiken gewinnt DigixArt keinen Blumentopf. Aber nachdem ich es als an die Landesgrenze tingelnder Jugendlicher gleich während der ersten Spielminuten mit einem bewaffneten Mann zu tun bekomme, der mich dazu zwingt, ihm beim Beseitigen eines ermordeten Polizisten zu attestieren, war ich emotional ans Spiel gebunden. Ein Film zum Mitspielen im besten Wortsinn.
Paul – World of Warcraft Classic: Cataclysm
Neben meinen Evergreens aus dem Hause Riot Games, die auch in den vergangenen Wochen wieder für reichlich Spaß, Spannung und Schmerzen in Form gewinnbarer Niederlagen gesorgt haben, bin ich natürlich auch einem meiner drei wohl liebsten Titel treu geblieben: World of Warcrafts Classic-Version durfte sich mit Cataclysm über eine „neue“ Erweiterung freuen, in der ich mit meiner rund 30-köpfigen Raidgilde wieder einmal vor der (vor allem aus logistischer Sicht ) schwierigen Herausforderung stehe, bitterböse Bossgegner mit coolen Typen und Typinnen eins über die Mütze zu hauen und ihre fette Beute einzusacken, bis mein Charakter nur so in seiner glamourösen Garnitur glänzt.
Erlebte ich den Kataklysmus seinerzeit – also vor rund 14 Jahren – noch aus einem etwas anderen Blickwinkel, ist es dieses Mal dennoch wieder der riesige soziale Faktor, den die Welt der Kriegskunst seit jeher für mich ausmacht. Damals strebte ich noch nach möglichst hohen internationalen Ranglistenplatzierungen und opferte meine Zeit fast ausschließlich der Optimierung meines Chararakters und auch, wenn ich bis heute nicht ganz davon wegkomme, ist es doch die eigentlich wesentlich entspanntere Level- und Gearing-Phase VOR dem Start des Raid-Contents, die mir den größten Spaß bereitet.
Auch dieses Mal schlugen wir uns die Nächte um die Ohren, um in mehreren kleinen Grüppchen bestehend aus einem schützenden Tank, einem Heiler und den restlichen drei Damage Dealern Dungeon für Dungeon abzugrasen und uns für die später öffnenden Schlachtzüge zu rüsten. Dass dabei – bei so manchem mit mehr oder weniger steigendem Müdigkeits- oder Alkohollevel – auch eine Menge Mist gequatscht, aus vollem Halse gelacht und – trotz der Distanz und nur durch ein Headset und einen Bildschirm miteinander „verbunden“ – persönlichere Seiten gezeigt und Geschichten geteilt werden, ist die Kirsche auf der Torte.
Natürlich schmeckt aber auch der frische Content: Mit Cataclysm, also Erweiterung Nummer Drei erfährt die World of Warcraft einige massive Verbesserungen auf der spielerischen Ebene und auch die neuen Elemente – darunter wilde Worgen und goldgeile Goblins als spielbare Rassen – können sich sehen lassen. So vergisst man dann nämlich auch schnell einmal das zumindest manchmal in Monotonie mündende und grindlastige Gameplay des in die Jahre gekommenen MMO-Ablegers, dessen Universum mir nun schon seit bald 20 Jahren mit einem lachenden und einem tränenden Auge meine Zeit stiehlt.
Quelle: YouTube / Summerfall Studios, Wholesome Games, World of Warcraft, poncle – Vampire Survivors