Wenn es um Genre-Zuschreibungen geht, dann gilt Elden Ring gemeinhin als Open-World-Rollenspiel. Man kann durchaus darüber diskutieren, ob der Tag Soulslike passt oder ob die Spiele aus dem Hause FromSoftware, die das Genre ja unbeabsichtigt begründet haben, davon ausgenommen sind – man würde ein modernes Metroid wohl auch nur schwerlich als Metroidvania bezeichnen.
Auf 4P.de verbreitet Jonas sein viel zu ausgeprägtes Pokémon-Fachwissen, schwärmt von überlangen japanischen Rollenspielen und schwingt in Diskussionen über einen Schwierigkeitsgrad in From Software-Titeln den verbalen Zweihänder.
Ansonsten entzieht sich Elden Ring aber den meisten Genre-Bezeichnungen: Es ist kein Farming-Game, kein First-Person-Shooter oder gar eine Lebenssimulation. Doch der kürzlich erschienene DLC Shadow of the Erdtree verleiht dem ganzen tatsächlich nochmal eine neue Note, denn ein Gebiet bietet eine für Gänsehaut sorgende Horror-Erfahrung mit Stealth-Elementen, die mir die Nackenhaare hat hochschießen lassen.
Elden Ring: Der Abgrundwald im DLC sorgt für Albträume
Bereits die ersten Schritte im Abgrundwald vom Elden Ring-DLC lassen mich unruhig werden. Gewaltige kahle Bäume ragen in den aufgrund von Nebel nicht mehr erkennbaren Himmel und der schaurige Dunst begrenzt an einigen Stellen derart meine Sichtweise, dass ich potenzielle Gefahren nur erahnen kann. Trotz der fehlenden Blätter ist es bedrohlich dunkel, lediglich der in Orange-gelb pulsierende Wahnsinn taucht den Abgrundwald gelegentlich in ein gespenstisches Licht.
Aus dem Schatten starren mich die flirrenden Augen durchgedrehter Tiere an, ab und an schleicht sich eine Ratte oder ein Schaf an, um mich von hinten zu überfallen und meine Wahnsinnsleiste zu füllen. Selbst nach wiederholten Angriffen der manischen Monster erschrecke ich mich noch jedes Mal aufs neue, was auch der beängstigenden und gleichzeitig deprimierenden Musik zuzuschreiben ist. Ein dumpfes Rauschen und ein mehrstimmiger Frauenchor klingen, als wäre ich hier in ein Ritual gestolpert, das ich niemals hätte erleben dürfen.
Warnungen vor dem Wahnsinn
Doch es ist nicht nur die Atmosphäre: Nach wenigen Metern finde ich die erste Nachricht auf dem Boden, die mich mit den Worten „Es erwartet Euch im Inneren“ begrüßt. Nicht weit davon entfernt der nächste Schriftzug: „Kehrt um. Solange Ihr noch könnt.“ Endlich erspähe ich den ersten Ort der Gnade, erreiche ihn aber nicht, bevor mich drei weitere Botschaften davor warnen, dass „Es“ mich auf keinen Fall sehen darf, weil es sonst kein Entrinnen mehr gibt.
Dabei stammen die Nachrichten keineswegs von anderen Spieler*innen: FromSoftware selbst hat sich die Mühe gemacht, einen NPC in Elden Ring einzubauen, der den Abgrundwald offenbar bereits erkundet hat und andere Abenteuer*innen dringend davon abhalten will, den gleichen Fehler zu begehen. Aus Gewohnheit, und um eventuellen Gefahren schnellstmöglich davonreiten zu können, greife ich zur Spektralrosspfeife, um Sturmwind herbeizurufen – und werde mit einer Nachricht begrüßt, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
„Das Spektralross hat Angst und kann nicht beschworen werden“, heißt es in einer Botschaft, die mehrfach aufblinkt und schließlich wieder verschwindet, um mich im Abgrundwald ganz allein zu lassen. Ohne Sturmwind, ohne Hilfe und ohne Möglichkeit, diesen abscheulichen Ort schneller zu durchqueren. Also laufe ich weiter, während mich Geräusche aus dem Unterholz bei jeder Gelegenheit zusammenschrecken lassen und der Chor meine Anspannung oben hält. Bis ich endlich zu dem ominösen Schrecken komme, vor dem mich die Nachrichten so eindrücklich gewarnt haben.
Die schlimmsten Bloodborne-Gegner feiern ihr Comeback
FromSoftware-Fans kennen und fürchten sie bereits aus Bloodborne: Die Winterlaternen. Spindeldürre Körper, kolossale Köpfe und viel zu viele Augen schmücken die grausigen Gestalten, die in veränderter Form nun auch den Elden Ring-DLC unsicher machen. Doch sie sind nicht nur zurück, sondern sogar schlimmer als je zuvor: Immun gegen fast alle Angriffe wirken die Winterlaternen nahezu unbesiegbar und auch mit dem Wissen, dass eine erfolgreiche Parade sie verwundbar macht, nimmt mir keinesfalls die Mischung aus Respekt und Angst, die ich für die grotesken Kreaturen empfinde.
Wenn ich auf Nummer sicher gehen will, heißt es also: Die hohen Gräser zum Verstecken nutzen; den darin wachsenden Pflanzen, die laute Geräusche verursachen, ausweichen; und langsam, aber sicher an den Winterlaternen vorbeischleichen. Denn wenn ich gesehen werde, ist die Wahrscheinlichkeit meines Ablebens extrem hoch: Schneller als Usain Bolt sprintet eine auf mich aufmerksam gewordene Winterlaterne zu, hält mich fest und füllt meine Wahnsinnsleiste, während sich meine Lebenspunkte in Rekordzeit verabschieden.
Mit den gewaltigen, toten Bäumen, der omnipräsenten Dunkelheit, einer bedrohlich-bedrückenden Atmosphäre und den extrem tödlichen Gegnern gehört der Abgrundwald zu den gruseligsten Gegenden im FromSoftware-Universum – und erinnert mich darüber hinaus stark an den Untergrund aus The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom. Doch am Ende dieses schaurigen Gebiets wartet noch eine weitere Sehenswürdigkeit darauf, mir eine bleibende Gänsehaut zu verpassen.
Es steht ein Haus im Abgrundwald
Schon von weitem spüre ich die böse Aura von Midras Pfarrhaus: Ein gigantisches Haus, das den kompletten Weg versperrt; in dessen Fenstern kein Licht brennt und dessen Tür nicht zum Betreten einlädt, mich aber trotzdem wie mit einem Bann belegt durch die Tür schreiten lässt. Vor dem Eingang knien eine Reihe kopfloser Mönchsleichen, aus deren Hälsen der leuchtende Wahnsinn hervorgebrochen ist; bedacht darauf, einen Weg ins Freie zu finden und das fleischliche Gefängnis hinter sich zu lassen.
Im Inneren erwartet mich dann eine in der Luft schwebende Staubschicht, die die vergilbten Bücherregale in einen dicken Schleier hüllt. Ich schlage mich an Schattengestalten, Ratten und in gelbe Tücher gehüllten Priester vorbei und je näher ich Midras Kammer komme, desto häufiger erklingt ein einzelner, verzweifelter Schmerzensschrei. Bis ich den Hausherrn endlich vor mir habe und eine Zwischensequenz den folgenden Bosskampf einleitet, bei der mir das gut verdaute Mittagessen nur mit viel Disziplin nicht wieder hochkommt.
Und obwohl der Abgrundwald nur eines von vielen Gebieten im Elden Ring-DLC ist und sich mit dem wunderschönen Himmelblauen Ufer oder der ominösen Grabfeld-Ebene messen muss, ist dieses am Fuß des Schattenreiches liegende Areal wie ein Schimmelpilz, der droht, alles Übrige zu infiltrieren und zu infizieren, und mich nach dem ersten Betreten ein gewisses Unbehagen einfach nicht mehr abschütteln lässt – selbst, wenn ich bereits wieder ganz woanders unterwegs bin. Falls auch ihr in den Abgrundwald reisen wollt, hilft euch der Abschnitt zu Midra in unserem umfangreichen Boss-Guide dabei.