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Dead by Daylight: 2 Dinge schaudern mich schrecklich schön – schon nach nur 2 Stunden mit The Casting of Frank Stone

Legen wir erstmal keine Steine in den Weg: The Casting of Frank Stone richtet sich an Horrorholics. Alle anderen bleiben bei Pokémon rot und blau und überhaupt.

Ein Photomontage zum Computerspiel The Casting of Frank Stone von Supermassive Games
© Behaviour Interactive Inc. / Supermassive Games / @hardqor4ik - stock.adobe.com / Adobe Photoshop [M]

Klassiker: Resident Evil

Wir drehen am Rad der Zeit, genauer gesagt ins Jahr 1996, in dem Resident Evil erschien.

Ich liebe Story-Spiele, wie sich The Casting of Frank Stone aus dem Dead by Daylight-Universum anschickt, eines zu sein. Punkt. Hätte mich seinerzeit das originale Life is Strange von Don’t Nod Entertainment mit seiner Kult-Kombi aus Zeitreise und Adoleszenzgeschichte nicht mitgerissen – euch schriebe an dieser Stelle jetzt ein*e andere*r Redakteur*in. Schiele ich dieser Tage in meine Steam-Bibliothek, versammeln sich dort lauter Story-Spiele von Point-and-Click (Baphomets Fluch 5 – Der Sündenfall), originellem Indie-Game (Neo Cab) und interaktiven Filmen (Twin Mirror). Eine weitere Vorliebe, wieder aus Jugendtagen, sind Horror-Geschichten in Buchform.

Und mal ehrlich: Wer jemals die Bücher des Blutes von Clive Barker gelesen hat, weiß, wie sich Grusel, Horror und Ekel zu einer unnachahmlichen Melange vermengen lassen – eine ähnlich reizvolle Kombi wittere ich beim Computerspiel The Casting of Frank Stone, welches ich jetzt freundlicherweise anspielen konnte. Deshalb mein voreiliges Resümee: Wer gerne eine Blutdusche mit Barker nimmt, wird sich bei The Casting of Frank Stone sogar zu gerne ein Blutbad einlassen. Mich zumindest haben 2 Dinge bislang euphorisiert.

#1: Fürstliche Horror-Atmosphäre

Eines vorab: Mir ist bewusst, dass Frank Stone bei den Kolleg*innen der (inter)nationalen Presse bestenfalls als mittelprächtiger Titel rezipiert wird – beispielhaft steht dafür der aktuelle Metacritic Score von nicht grottigen, aber auch nicht himmelhochjauchzenden 68. Diese kritische Weltlage zum – Achtung: Wortspiel! – steinernen Frank beiseite geräumt, widmen wir uns meiner bisherigen Spielerfahrung.

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Doch zunächst die schnöden Grundlagen: Entwickelt wurde The Casting of Frank Stone von Supermassive Games, den Mädels und Jungs hinter The Dark Pictures Anthology, The Quarry mit den Horrorfilmikonen Lance Henrisken (Aliens), Ted Raimi (Army of Darkness) und David Arquette (Scream). Beides Einträge im Grusel-Portfolio von Supermassive Games, die in unseren Reviews ähnlich lauwarm aufgenommen wurden, wie Frank Stone von der Fachpresse dieser Tage. Gleichviel.

Angesiedelt ist The Casting of Frank Stone im Horror-Kosmos des Multiplayer-Spiels Dead By Daylight – spielerisch reißt zwischen den beiden Titeln jedoch ein Graben auf. Während es bei Dead By Daylight vor allen Dingen auf reaktionsschnelles Teamwork ankommt, ist Frank Stone ein bedächtigeres Story-Spiel – abgesehen von den Passagen mit Quick Time Events, jedoch dazu in wenigen Absätzen mehr.

Szene aus dem Computerspiel The Casting of Frank Stone von Supermassive Games
Friedemann Schulz von Thun gefällt das: Abhängig davon, wie ihr in Gesprächen antwortet, verzweigt sich der Handlungsverlauf unterschiedlich. Credit: Behaviour Interactive Inc. / Supermassive Games

Die ersten paar Spielminuten mit Stone(d) Frank

Diese Basis abgefrühstückt, begeben wir uns in den ersten Abschnitt von Frank Stone, der exemplarisch vor (natürlich vor Schrecken zugehaltenen) Augen führt, welchen Spieler*innen dieses Story-Spiel gefallen könnte – und welche eine Zombie-Armlänge-Abstand nehmen sollten. Im ersten Abschnitt namens „The Burning Maw“ (zu Deutsch etwa „Der brennende Schlund“) verschlägt es uns als Polizeimann des Jahres 1963 in ein Stahlwerk – auf der Suche nach einem verschwundenen Kleinkind.

Wir haben nachtschlafende Zeit, oder wenigstens neun Uhr abends, und die einzige Person, die wir in unserer Funktion als Gesetzesmann antreffen, ist eher ein irrlichterndes Faktotum – kein amtlicher Gebäudebewacher, wie das einem gigantischen Stahlwerk entspräche. Der den Nachtwächter befragenden Gesetzeshüter heißt übrigens Sam Green – und somit werden wir mit dem ersten, zentralen Gameplay-Feature konfrontiert.

Szene aus dem Computerspiel The Casting of Frank Stone von Supermassive Games
Der alte Mann und das Stahlwerk: Dieser Zeitgenossen ist treuer Abonnement der Special Interest-Zeitschrift „Dogs Today“. Und wer das glaubt, hat zu viel aus dem Fressnapf gefrühstückt. Credit: Behaviour Interactive Inc. / Supermassive Games

Wer sich schonmal irgendeinen interaktiven Film von Quantic Dream (Heavy Rain, Fahrenheit) hineingewagt hat, wird sich in The Casting of Frank Stone sofort zurechtfinden. Wie beim französischen Studio, mit der mehr als fragwürdigen Firmenkultur, verbringt ihr einiges an Spielzeit mit Gesprächen – respektive Multiple-Choice-Dialogen, die ihr häufig unter Zeitdruck absolvieren müsst.

Jetzt und hier, zusammen mit dem Nachtwächter und Baseballcap auf dem Kopf und Furchen im Gesicht tiefer als der Marianengraben, gestaltet sich der Gesprächsverlauf vergleichsweise entschleunigt  – und doch: Je nachdem, ob ihr als Polizist Sam Green „ernst“ oder „besorgt“ reagiert, kann die weitere Handlung von The Casting of Frank Stone unterschiedlich verlaufen.

#2: Mit unterschiedlichen Entscheidungen den eigenen Horror-Film bauen

Unsere Nachteule mit Alkoholproblem, ein unachtsam in einer offenstehenden Schublade sichtbarer Flachmann verrät ihn, hat dann seinen ganz eigenen Vermissten zu beklagen: Sein Dobermann Merlin ist getürmt. Was uns als ermittelnder Polizist erstmal sekundär interessiert, schließlich suchen wir mit Hochdruck nach einem vermissten Kind. Also brechen wir, immer mit der Finsternis durchschneidenden Taschenlampe im Anschlag, in Richtung Stahlwerk los, drücken uns in Spalten zwischen Gebäudewänden und Kisten hindurch, stoßen auf sachdienliche Dokumente.

Szene aus dem Computerspiel The Casting of Frank Stone von Supermassive Games
Wenn der Höllenschlund aufklappt, wie ein offene Wunde, rumpelt irgendwo in Bruce Campbells Devotionalien-Zimmer das Necronomicon. Credit: Behaviour Interactive Inc. / Supermassive Games

Und sehen und hören und riechen bald, wo das Hündchen mit dem zauberhaften Namen seine Schnauze so hineinsteckt. Spoiler Alert: Es ist (leider) keine Dose Chappi Hundefutter (enthält dafür menschliche Ohren). Allgemein gesagt fühlt sich The Casting of Frank Stone, zumindest während den ersten beiden Spielstunden, wie die interaktive Episode Bandersnatch der Netflix-Serie Black Mirror an – um einen intertextuellen Vergleich zu wagen. Hier wie dort trefft ihr unterschiedliche Entscheidungen, sei es in Gespräch oder Aktion, dieselben das Weiterkommen der Handlung unterschiedlich beeinflussen.

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Spannendes Feature: In der sogenannten Schnittraum-Etage in The Casting of Frank Stone seht ihr euren aktuellen Fortschritt innerhalb der Story – und könnt zu bereits gespielten Punkten in der Spielhandlung zurückspringen. Das deshalb, um andere Verzweigungen freizuschalten oder Sammlerobjekte zu finden. Weswegen unser Ordnungshüter Sam Green seine Dienstmütze im schmutzigen Abwasser der Kanalisation verliert, der gute Mann filmreif einen Säugling vor dem sicheren Tod retten muss, dürft ihr selber herausfinden.

Die üblichen Genre-Gräultaten (getarnt als Quick Time Events) und andere Horror-Häuser

Eines sei aber doch verraten: Im Showdown dieses ersten Kapitels wirkt der Endgegner mit Selfmade-Klamotte, als hätten Jason Voorhees und Michael Myers persönlich die Typberatung übernommen. Und da wären noch vorerwähnte Quick Time Events, die euch in solchen, wie diesem hier nicht näher umrissenen, dramatischen Höhepunkt, erstmals vorgestellt werden. Diese Reaktionsspiele funktionierten gut – für meinen Geschmack zu gut, waren sie doch von der haareraufenden Hektik eines Remember Me (Don’t Nod Entertainment) empfindlich entfernt – was ich befürwortet hätte.

Szene aus dem Computerspiel The Casting of Frank Stone von Supermassive Games
Der Tierschutzminister warnt: Sowas passiert mit eigentlich harmlosen Schoßhunden, wenn man ihnen zu oft „Cujo“ vorliest. Credit: Behaviour Interactive Inc. / Supermassive Games

Aber der Schwierigkeitsgrad kann ja noch im weiteren Spielverlauf anheben. Was dieses erste Hineinschnuppern ins Spiel verdeutlichen soll, ist, wie (blut)warm ich mit The Casting of Frank Stone nach nicht mal zwei Stunden geworden bin. Das zweite Kapitel namens „In The House of Darkness“ gefiel mir sogar noch besser – nicht nur, weil der Titel an den wirklich zu Unrecht vergessenen Horrorfilm „In The Mouth of Madness“ von John Carpenter erinnert (der wiederum an die Novelle „At the Mountains of Madness“ von H.P. Lovecraft angelehnt ist).

Nein, denn die Heldin, die bei Frank Stone mehrmals hintereinander aus ineinander verschachtelten Albträumen aufschreckt, ist eine wunderbar verknotete Art des Geschichtenerzählens im Horror-Genre, wie sie mich zuletzt in der Eröffnung von Scream 4, damals im Jahr 2011, aus den Pantoffeln geflutscht hat. Aber genug der abschweifenden Ausschweifungen.

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Zwischenfazit nach zwei Stunden: Wieso Frank Stone für mich ein Genre-Gaudium ist

Ich mache einen ehrfürchtigen Hofknicks vor der Genre-Könnerschaft von Supermassive Games – bleibe für den weiteren Spielverlauf dennoch kritisch, schließlich fallen auch die Nutzerbewertungen auf Steam mit „ausgeglichen“ aktuell eher durchwachsen aus. Mich persönlich aber holt der Frank Stone mit seinem Casting genau dort ab, wo mich Horror-Altmeister Clive Barker mit einem heimlichen Klassiker wie „Spiel des Verderbens“ sitzengelassen hat – im Mitternachts-Fleischzug. Anders gesagt: Empfehlung unter Vorbehalt für Horror-Freunde – jedenfalls nach den ersten beiden Stündchen.

Apropos Horror-Games: Clive Barker’s Undying ist ein schaurig schöner Genre-Vertreter, der eine Wiederentdeckung verdient hat.

Quellen: Metacritic, Supermassive Games, Twitter /@ TCoFrankStone, The Gamer, Steam, YouTube /@Wisecrack, @ScreamFactory TV, The Bitter Script Reader, ScreenRant