Veröffentlicht inTests

American Fugitive (Action-Adventure) – Auf der Flucht

Erst vor kurzem hat Shakedown Hawaii das Konzept des Ur-GTA neu interpretiert. American Fugitive von Fallen Tree Games schlägt in die gleiche Kerbe: Action aus der Vogelperspektive, bei der man in einer offenen Welt zu Fuß oder in Vehikeln Aufträgen nachgeht oder einfach nur Zerstörung anrichtet – natürlich alles im Namen der Gerechtigkeit. Ob dieses Konzept immer noch Spaß macht, verraten wir im Test.

© Fallen Tree Games / Curve Digital

Held wider Willen

Zugegeben: Das erzählerische Fundament von American Fugitive ist kein Kandidat für die Story des Jahres. Doch die Geschichte um den zu Unrecht des Vatermordes beschuldigten sowie verurteilten William „Bill“ Riley, der aus dem Gefängnis ausbricht, um die wahren Täter zur Strecke zu bringen, erfüllt ihren Zweck. Dementsprechend sollte man bei den immerhin noch solide geschriebenen, allerdings nicht vertonten Dialogen weder Überraschungen noch tiefer gehende Charakterzeichnungen erwarten. Sprachausgabe tönt eigentlich nur beim Polizeifunk aus dem Lautsprecher, so dass man weiß, dass die Cops einem auf den Fersen sind. Aber letztlich geht es ohnehin meist nur darum, einen neuen Auftrag zu bekommen, der einen von A (ggf. über C und D) nach B führt und den Protagonisten entweder mit den zahlreichen ablenkenden Aktivitäten konfrontiert, die man in der offenen Welt des amerikanischen Mittelwestens wahrnehmen kann, oder die Aufgabe zu beenden, an deren Ende meist Zerstörung oder Todesopfer zu beklagen sind. Bedauerlicher ist vielmehr, dass es bei den Missionen bis auf wenige Ausnahmen nur wenig Abwechslung gibt. Natürlich haben sich die ersten GTAs, die wie American Fugitive auf die Vogelperspektive setzten, nicht durch Abwechslung einen Namen gemacht. Und auch andere Spiele wie Shakedown Hawaii reißen sich kein Bein aus, um die Redundanz aufzubrechen.

[GUI_STATICIMAGE(setid=86003,id=92588907)]
American Fugitive präsentiert sich als moderne Variante des klassischen Ur-GTA. © 4P/Screenshot

Dennoch hätte es dem Team nicht geschadet, sich die modernen offenen Welten nicht nur von Rockstar Games, sondern auch anderer Publisher anzuschauen, um mehr Vielfalt einzubringen – selbst in dieser Perspektive. Denn mechanisch macht American Fugitive einiges richtig. Das gilt vor allem für die angenehm direkte Steuerung, die sowohl zu Fuß als auch am Steuer von Fahrzeugen gut reagiert und bei den rasanten sowie mitunter auch für die Hauptfigur „tödlichen“ Schusswechseln zu einem Twinstick-Shooter wird. Schön auch, dass man bei den unlizenzierten Fahrzeugen zwar etwas zu undifferenzierte Motorensounds, dafür aber ein umso variantenreicheres Fahrverhalten feststellt. Ein Abschleppwagen reagiert merklich anders als ein Familienkombi, dessen Fahrmodell sich angenehm von dem eines Sportwagens unterscheidet. Auch die Waffen unterscheiden sich merklich im Hinblick auf Genauigkeit, Durchschlagskraft usw. Das Trefferfeedback könnte zwar umfangreicher ausfallen, dessen Potenzial wird aber auch durch die gewählte Vogelperspektive ohnehin eingeschränkt.

Rundes Erlebnis

[GUI_STATICIMAGE(setid=86003,id=92588914)]
Das Einbruchsystem ist mit seinem „Runden“-Ansatz interessant, schöpft aber wie viele Elemente das Potenzial nicht aus. © 4P/Screenshot

Beim Figurenverhalten bietet man gehobenen Standard. Schleicht oder rennt man durch fremde Gärten, kann es passieren, dass die Hausbewohner bei Entdeckung die Polizei wegen Hausfriedensbruch rufen. Auf Auffahrunfälle wird ebenso reagiert wie auf offensichtliche Gewaltanwendung. Und hat die Polizei die Fährte erst einmal aufgenommen, kann sie einem das Leben ganz schön schwer machen. Die zur Verfügung stehenden Optionen, der Verfolgung zu entgehen (insofern man auf Waffengewalt verzichten möchte), sind allerdings leicht übermächtig. Ist man außerhalb der Sichtweite, kann man per Pedes durch das Aufsammeln bzw. den Diebstajl neuer Klamotten die Fahndung schnell beenden – selbst, wenn man direkt nach dem Umziehen an der Staatsgewalt vorbeiflaniert, die einem vorher noch auf den Fersen war. Ähnlich mächtig sind die Werkstätten, in denen man seinen fahrbaren Untersatz mit einer neuen Lackierung versehen kann. Hier ist American Fugitive etwas zu komfortabel. Dem gegenüber stehen aber auch Momente, in denen man ohne ersichtlichen Grund zur Fahndung ausgeschrieben wird. So etwa, wenn man sich unerlaubterweise nachts Zutritt zu einem Haus verschafft, dabei weder von Zivilisten noch einer Alarmanlage bemerkt wurde, aber dennoch nach dem Öffnen der Tür oder dem Einstieg durch das Fenster aus Spieldesigngründen ein Countdown beginnt, der die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei signalisiert. Das sorgt zwar für Spannung, würde aber eher bei durch Sicherheitsvorkehrungen geschützten Immobilien aus Sicht einer glaubwürdigen Spielwelt das Mittel der Wahl darstellen.

[GUI_STATICIMAGE(setid=86003,id=92588908)]
Hat die Polizei die Fährte aufgenommen, ist sie ein formidabler Gegner. Aber sie lässt sich auch recht leicht abschütteln. © 4P/Screenshot

Oder wenn im Rahmen der „Objektsichtung“ auf Alarmanlagen etc. hingewiesen würde. Doch das einzige, was einem angezeigt wird, wenn man durch die Fenster in die Häuser lugt, ist ein Anwesenheitsstatus von Personen. Beim Betreten von Gebäuden wird übrigens nicht in die Innenansicht geschaltet oder das Dach „abgehoben“, um einen Einblick zu geben oder den Spieler aktiv steuern zu können. Stattdessen wird der Grundriss gezeigt, auf dem man sich „rundenweise“ fortbewegt, die Zimmer nach Beute durchsucht oder ggf. Anwesende zu überwältigen oder fesseln versucht, wobei jede Entscheidung Zeit von der Uhr bis zum Eintreffen der Gesetzeshüter nimmt. Prinzipiell ist dies eine nette Idee, doch wird ihr Potenzial nur angekratzt. Trotz dieser Mankos und der daraus folgenden, leicht minimalistischen Konzentration auf das Wesentliche, entwickelt American Fugitive auch dank seines überschaubaren Upgrade-Systems schnell einen Reiz.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.