Another Crab’s Treasure: Von Haien und Häusern
Eigentlich wollte Einsiedlerkrebs Kril nur einen weiteren Tag an seinem lauschigen Sandstrand verbringen, als ein langer Plastikhals mit einem Haikopf aus dem Wasser auftaucht und sich als Verantwortlicher für die Grundsteuern zu erkennen gibt. Eine neue Königin herrscht auf dem Meeresboden und Kril ist offenbar ganz schön im Zahlungsverzug, weshalb der Kredithai kurzerhand sein Muschelhaus pfändet. Das lässt sich der kleine Krebs natürlich nicht einfach gefallen und verfolgt den gierigen Eindringling. Doch Krils Mission, sein Zuhause wiederzuerlangen, eskaliert in Another Crab’s Treasure schon bald zu einem Abenteuer, von dem die Zukunft des gesamten Meeres abhängt.
Bereits das absurde Intro des Spiels sprüht vor Charme und Witz: Das Plastikspielzeug mit dem Haikopf, das Konzept von Steuern im Fischkönigreich und ein Einsiedlerkrebs, der alles daran setzt, seine ganz persönliche Muschel zurückzuerobern sind Zutaten für eine unterhaltsame Ausgangslage. Auch sonst hat man eine Menge Humor in Another Crab’s Treasure hineingeknetet: Als Währung wird Mikroplastik verwendet, viele Schalentiere haben lockere Sprüche auf den Lippen und die Animationen, allen voran die Greifangriffe, bei denen Kril schon mal durch die Gegend geschleudert oder wiederholt auf den Boden geschlagen wird, sind immer wieder ein wahnsinnig witziger Anblick.
Dabei gelingt ihm trotzdem der Spagat: Entsprechende Situationen und Themen werden mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandelt, beispielsweise wenn es um die schadhaften Auswirkungen von gierigen Kapitalisten oder hemmungslose Umweltverschmutzung geht. Denn die sogenannte Plörre, die sich durch den zunehmenden Müllanteil im Wasser wie eine Seuche immer weiter ausbreitet, bringt viele der Meeresbewohner um den Verstand und vergiftet die Umgebung. So wird geschickt Sozialkritik in die kunterbunte Krustentier-Ästhetik gehüllt und mit einer Menge Humor gewürzt, während Krils Suche nach seiner entwendeten Muschel wie ein roter Faden durch das große Meer führt.
Der einzige Wermutstropfen: Viele der Scherze oder ulkigen Menübeschreibungen zünden im englischen Original besser als in der deutschen Übersetzung. Ein Beispiel: Aus dem griffigen „Acknowledge Knowledge“ wird bei uns das nüchterne „Drücken zum Bestätigen“. Und auch „The Sands Between“, eine offensichtliche Anspielung auf Elden Rings „The Lands Between“ verliert mit seiner Übersetzung zu „Der Sand Dazwischen“ ein bisschen an Witz. Sollte Englisch für euch keine Sprachbarriere darstellen, kann ich euch daher nur empfehlen, Another Crab’s Treasure in seiner ursprünglichen Fassung zu genießen.
Einfach schwimmen, springen, schwingen
Krils Ambitionen, sein Muschelhäuschen wieder in seine Scheren zu bekommen, scheint vielen anderen Meeresbewohnern sauer aufzustoßen, weshalb das Abenteuer unter Wasser ziemlich schnell ziemlich rabiat wird. Ausgestattet mit einer spitzen Gabel, die mit ihren zwei Zacken natürlich nicht nur zufällig so aussieht wie das Silberbesteck, mit dem man die Schalentiere in der Regel verzehrt, stürzt sich der mutige Einsiedlerkrebs widerwillig in Gefechte gegen Samuraikrabben mit Essstäbchen, Langusten mit Lanzen und Seepferdchen mit Shotguns.
Neben einem leichten und einem aufgeladenen Schlag ist Kril außerdem in der Lage, auszuweichen, zu sprinten und zu springen, sowie danach kurz durch die Luft zu paddeln – beziehungsweise zu schwimmen, schließlich befindet ihr euch ja im Meer. Abseits der Angriffe kommen diese Manöver natürlich nicht nur beiden Kämpfen, sondern auch bei der Erkundung zum Einsatz: In dem 3D-Plattformer hechtet ihr von Koralle zu Koralle, klettert an untergegangen Fischernetzen empor und nutzt Schwämme als Sprungbrett.
Aus Nadel und Faden hat sich der kreative Krebs außerdem einen Greifhaken gebastelt, mit dem ihr euch zu ausgewählten Stellen hin oder entfernte Gegner zu euch heranziehen könnt – ist das betreffende Krustentier besonders schwer, folgt ein kurzes Angelminispiel, sehr charmant! Auch wenn die Plattformpassagen selten wirklich ausgereift sind und nicht an Titel herankommen, die sich ganz und gar dem Genre verschrieben haben, bieten sie einen angenehm-abwechslungsreichen Kontrast zu den Kämpfen und erlauben dank einer gesunden Mischung aus vertikalen und horizontalen Levelstrukturen viel Raum für Geheimnisse.
Aber obwohl das Schwingen und Springen durchs Wasser eine Menge Spaß bereitet, erschweren klobige Objekt-Hitboxen manchmal präzises Plattforming. Außerdem ist es wirklich leicht, in die zahlreichen Abgründe zu fallen: Egal, ob Kril knapp die Landung verpasst, weil die Koralle doch ein bisschen höher ist als sie optisch zu sein schien, oder weil einer der vielen Fischfeinde den von euch gesteuerten Einsiedlerkrebs mal wieder wie einen Tennisball wild durch die Gegend pfeffert; die Stürze sind zahlreich und oftmals frustrierend.