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Before Your Eyes (Adventure) – Seelenwanderung mit Augensteuerung

Das Leben ist viel zu kurz, vor allem im VR-Adventure Before Your Eyes. Die narrative Seelenwanderung mit ungewöhnlicher Blinzelsteuerung per Webcam feierte bereits 2021 ihr PC-Debüt. Doch erst mit der von der Außenwelt abgeschotteten Playstation VR2 entfaltet das Konzept seine volle Wirkung! Im Test stellen wir uns dem Fährmann ins Jenseits ganz ohne Controller – um per Augensteuerung ein komplettes Leben Revue passieren zu lassen.

© GoodbyeWorld Games / Skybound Games

Mit einem Zwinkern durchs Leben

Before Your Eyes ist das erste PSVR2-Adventure, das fast komplett ohne Gamepad gespielt werden kann. Nach dem Start im Hauptmenü lege ich die VR-Controller einfach beiseite und verlasse mich ganz auf meine Augen. Der Begriff „Eye-Tracking““ist dabei eigentlich ein Etikettenschwindel: Während sich die in Aquarellfarben gemalten Erinnerungen langsam vor mir aufbauen, steuere ich den Cursor nämlich nicht mit meinem Augäpfeln, sondern mit Bewegungen der VR-Brille. Sobald ich den Kopf in die passende Richtung gedreht habe, bestätige allerdings mit einem Augenzwinkern, das wie ein Knopfdruck fungiert. Mit einem Lidschlag öffne ich zum Beispiel ein Element in der Szenerie – oder ich springe zur nächsten Erinnerung in einer neuen Kulisse.

Das Ergebnis ist ein verblüffend einzigartiges Spielgefühl mit einem narrativem Fokus, wie ich es so noch nicht erlebt habe. Der OLED-Bildschirm mit seinen leuchtenden HDR-Farben wird zur idealen Leinwand für die Lebensgeschichte des künstlerisch begabten Protagonisten Benjamin. Nachdem ihn ein mystischer Fährmann aus dem Wasser gezogen hat, wird er in die Vergangenheit zurückversetzt, um die wichtigsten Momente seines Lebens noch einmal zu erleben. Anfangs erinnerte mich die infantil betonte Familienidylle noch an Kinderserien wie „Caillou“. Doch schneller als erwartet schlägt auch in Benjamins Leben der Ernst des Lebens zu. Dann verlagert sich die Erzählung zu Themen wie Krankheit, Familienzwist, Verlustängsten, elterlichen Erwartungen oder den Irrungen und Wirrungen, wenn es darum geht, dem ersten Schwarm seine Gefühle zu gestehen.

Herausforderung für Augen und Tränendrüsen


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Benjamins Konsole erinnert stark an die Apple Pippin. Sobald ein Metronom erscheint, beendet ein Liedschlag die Szene. © 4P/Screenshot

Bei einem Erlebnis mit einem derartigen Fokus auf die Geschichte gehe ich vorsichtshalber nicht zu sehr ins Detail. Der rote Faden ist immer die Kunst, die für den Protagonisten und seine Mutter eine wichtige Rolle spielt. Dieses Hauptthema spiegelt sich stets schön im Artdesign und in der Steuerung wider. Wenn ich Symbole mit Kopfbewegungen anvisiere und mit einem Augenzwinkern bestätige, entfalten sich nicht nur neue Bildbereiche wie eine Leinwand am Rande des Raumes. Mit diesen Kopfbewegungen öffne ich auch einen wichtigen Brief einer Akademie, male Bilder oder lasse den Cursor über Klaviertasten huschen, um virtuos eine Melodie zu klimpern.

Spielerisch bleibt das alles relativ belanglos und erfordert manchmal etwas umständliche Kopfdrehungen am Bildrand. Es hilft aber immens dabei, die Handlung und Stimmungen visuell intensiver wiederzugeben. Gewöhnlicherweise bin ich kein Fan allzu narrativer Adventures, die auf Rätsel verzichten – doch hier bin ich einfach zu involviert, um mich daran zu stören. Es fühlt sich fast so an, als würde ich mich durch ein neuartiges erzählerisches Medium blinzeln. Manchmal fällt es mir dabei gar nicht leicht, nicht die Augen zu schließen, wenn ich den noch laufenden Rest einer Erinnerung erleben möchte.

Die Geschichte erwacht zum Leben


Auch manch emotionaler Moment könnte dafür sorgen, dass ihr eure Augen früher schließt, als es euch lieb ist. Ich habe als abgebrühter Adventure-Spieler natürlich trotzdem keine Träne verdrückt. Gerührt war ich trotzdem, und zwar von der Strahkraft des OLED-Displays der PSVR2. Seine HDR-Darstellung gibt die vermittelten Stimmungen besonders schön wider, vor allem in surrealen Momenten. Auch die Vertonung kann nach der schwachen Anfangsphase überzeugen, etwa wenn der Fährmann seine Erkenntnisse wie ein antiker Chor in die Nacht hinausschmettert. Gute Englischkenntnisse sind von Vorteil, wenn ihr nicht auf die deutschen Untertitel zurückgreifen wollt. Davon abgesehen gibt sich das Spiel sehr einsteigerfreundlich und übelkeitsfrei. Nur gelegentlich zieht die Kulisse langsam und komfortabel an mir vorbei, etwa auf der Bootsfahrt über den metaphorischen Jordan. Meist bleibt die Perspektive sogar komplett statisch, was dank der Inszenierung aber trotzdem lebendig wirkt.

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Die Erinnerungen entfalten sich mit lebhaften Pinselstrichen. In diesem Minispiel werden die leuchtenden Tasten mit der Note anvisiert. © 4P/Screenshot

Mein letzter Kritikpunkt könnte einen kleinen Spoiler in diesen Bericht bringen. Deshalb solltet ihr den Rest dieses Absatzes nicht mehr lesen, falls ihr die Erfahrung komplett unvoreingenommen erleben wollt. Kleine Entscheidungen (wie sich heimlich aus dem Haus zu schleichen) haben hier viel weniger Einfluss auf die Geschichte als z.B. in Detroit: Become Human oder anderen Adventures. Gerade angesichts des emotionalen Themas und der teilweise surrealen Umsetzung wäre hier mehr möglich gewesen.

  1. Mich hat die Geschichte leider emotional überhaupt nicht gepackt. Mit keiner Figur im Spiel konnte ich mich identifizieren. Schon gar nicht mit der Hauptfigur selbst. Dabei hätte ich wirklich Lust auf ein rein narratives VR-Drama gehabt aber jedes mal wenn es einen Anflug von Emotionalität gab, wurde mit einem Blinzeln zur nächsten Szene gewechselt. Da wäre meiner Meinung nach deutlich mehr drin gewesen.
    Die Steuerung mit den Augen empfand ich als sehr unangenehm. Teilweise musste man den Kopf so unnatürlich verrenken, dass mir der Nacken weh tat und ich dadurch auch aus der Immersion gerissen wurde. Ganz zu schweigen von dem Zwang nicht zu blinzeln um eventuelle Story-Parts zu verpassen.
    Ich kann daher die positive Meinung hier nicht teilen.

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