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Beyond Eyes (Adventure) – Farbenfrohe Blindheit ohne Gefahr

Blinde Protagonisten in Spielen sind selten – in Abenteuern mit Schulterperspektive sogar ein Novum. Doch das Indie-Projekt Beyond Eyes, das vor kurzem auf Xbox One seine Premiere feierte, inszeniert um die sehbehinderte Rae eine besinnliche Reise, die sich mit ihrer Ruhe als Kontrapunkt zu lauten und schnellen Abenteuern präsentiert. Ob das Konzept aufgeht, verraten wir im Test.

© tiger & squid / Team 17

Außer an vorgesehenen Stellen kann Rae nicht stolpern. Man kann sie nicht in Flüsse oder Rinnsale lenken. Und wenn sie vor etwas Angst hat, dessen Anwesenheit sie spürt oder hört wie z.B. ein bellender/knurrender Hund oder Krähen, weigert sie sich standhaft, in den Einzugskreis zu gehen, während die Farben des lebendigen Aquarell-Gemäldes an Intensität verlieren und ausgrauen. Das sorgt aber letztlich dafür, dass die stationären Lebewesen nur eine andere Form von Levelbegrenzung darstellen – wie Büsche, Bäume, Zäune oder Häuser an anderen Stellen. Vielleicht wollte man nicht, dass Rae von den Spielern zu einem hilflosen Versuchsobjekt gemacht wird? Ich denke, dass ein Kompromiss möglich gewesen wäre, bei denen man Rae als Spieler bewusst in Gefahr bringen könnte, aber durch ihre geskriptete Gegen-Aktion gewarnt würde. Bis hin zu dem Punkt, an dem sie sich weigert, weitere Schritte ins Wasser zu unternehmen, weil sie weiß bzw. fühlt, dass es für sie gefährlich wird. So war es zumindest einmal vorgesehen und in einer frühen Phase auch im Spiel integriert, wurde dann aber offensichtlich über Bord geworfen. Daher wird der Spieler nur zu einem Begleiter anstatt zu einem Hüter, die emotionale Verbindung zu Rae wird auf das Nötigste reduziert – schade. Man erfährt zwar, vor was sie sich fürchtet. Doch wenn man wüsste, wie sie in Extremsituationen reagiert, wäre das Bedürfnis größer, sie vor genau diesen Momenten zu schützen. Situative Spannung wird ohnehin nur selten eingesetzt, doch selbst dann traut sich Beyond Eyes nicht in die letzte Konsequenz – es wird berechenbar und dadurch dramaturgisches Potenzial verschenkt.

Die Magie der Wahrnehmung


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Bei Bedrohung verändert sich die Farbgebung. © 4P/Screenshot

Doch obwohl keine spürbare Gefahr vorhanden ist und Rae trotz ihrer jungen Jahre sowie der noch nicht allzu lang bestehenden Sehbehinderung einen recht selbstbewussten Eindruck im Umgang mit der Blindheit zeigt, gibt es einige magische Momente in Beyond Eyes. Dann nämlich, wenn Wahrnehmung und Erwartung sowohl auf Seite von Rae als auch beim Spieler in Frage gestellt werden. Die Darstellung von Raes Umwelt beruht auf Erfahrungen, die sie bereits in Begleitung des Spielers gemacht hat. In einem frühen Kapitel z.B. hat man einen plätschernden Brunnen kennengelernt. Im Laufe ihrer Reise hört sie nun wieder dieses Plätschern und baut in ihrem Kopf (sprich: der Spielwelt) einen Brunnen in die Landschaft. Nun nähert man sich aber dem vermeintlich erfrischenden Nass und stellt fest, dass es sich dabei nur um den Ablauf eines Kanalisationsrohres handelt, das Rae entsprechend ins Bild setzt. Oder die Raben, die sie mit Gefahr assoziiert und die sie beim Wahrnehmen eines Flügelschlages wieder in der Nähe wähnt, bis sie feststellt, dass es nur Hühner sind und die dunklen Flecken im Bild gegen weißes Federvieh ausgetauscht werden. Ebenfalls schön: Der Specht, der sich beim Näherkommen als typisches „Tock Tock Tock“ einer Verkehrsampel herausstellt.

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Rae erlebt zwar bedrohliche, aber keine gefährlichen Situationen. © 4P/Screenshot

Es sind diese Momente, die aus einer guten, wenngleich relativ bieder umgesetzten Idee immer wieder etwas Besonderes machen. Beyond Eyes wird dadurch fast zum besinnlich-schönen Gegenstück zum Terror eines Eternal Darkness, das in seiner Art ebenfalls stark mit der Wahrnehmung und Erwartungshaltung der Person vor dem Bildschirm spielt. Zusammen mit der sparsam eingesetzten, aber emotional intensiven Musik sowie sporadisch eingeblendeten Texten, die einen Einblick in Raes Gefühlslage geben, entwickelt Beyond Eyes eine ganz eigene Stimmung. Mal hypnotisch, mal faszinierend, dann aber auch immer wieder leicht vorhersehbar und mitunter sogar als Folge dessen langweilig. Was umso schwerer wiegt, da das konzeptionell und hinsichtlich des Artdesigns sehr kreative Abenteuer bereits nach etwa drei bis vier Stunden vorbei ist.

  1. Skippofiler22 hat geschrieben:Gut, ich meine, wenn man eine Mutation als "Behinderung" ansieht, steuert man im Prinzip nicht auch den Witcher als "Behinderten"?
    Aber ansonsten: Interessantes Spielkonzept. Warum müssen alle "Spielehelden" makellos sein? Wie wäre es dann mal mit einem Krieger, der wegen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzt und dieser allerlei Bewaffnung und "sonstige Spielereien" hat?
    Im Test steht was von einem Feuerwerksunfall, was hat das mit einer Mutation zu tun?

  2. Skippofiler22 hat geschrieben:Gut, ich meine, wenn man eine Mutation als "Behinderung" ansieht, steuert man im Prinzip nicht auch den Witcher als "Behinderten"?
    Aber ansonsten: Interessantes Spielkonzept. Warum müssen alle "Spielehelden" makellos sein? Wie wäre es dann mal mit einem Krieger, der wegen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzt und dieser allerlei Bewaffnung und "sonstige Spielereien" hat?
    Bild
    :wink:
    Ist mir bei deiner Beschreibung irgendwie direkt so eingefallen. Ab dem dritten Sly-Cooper-Teil steht einem Bentley als immer mal wieder spielbarer Charakter so zu Verfügung. Sein Rollstuhl kann schweben, die auf dem Bild zu sehenden Greifarme einsetzen oder Bomben werfen...

  3. Skippofiler22 hat geschrieben:Gut, ich meine, wenn man eine Mutation als "Behinderung" ansieht, steuert man im Prinzip nicht auch den Witcher als "Behinderten"?
    Aber ansonsten: Interessantes Spielkonzept. Warum müssen alle "Spielehelden" makellos sein? Wie wäre es dann mal mit einem Krieger, der wegen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzt und dieser allerlei Bewaffnung und "sonstige Spielereien" hat?
    Wenn man ein Game im Fallout-Stil bringen würde, durchaus eine denkbare Option. Möglicher Perk: Funktionsverlust der Beine im Austausch für ultimative bastlerskills. Konsequenz: Laufen und Springen nicht mehr möglich, fortbewegung nur noch mit Gefährt etc. Wäre durchaus denkbar.. Dafür ein "Rollstuhl" im Bondmanier..

  4. Gut, ich meine, wenn man eine Mutation als "Behinderung" ansieht, steuert man im Prinzip nicht auch den Witcher als "Behinderten"?
    Aber ansonsten: Interessantes Spielkonzept. Warum müssen alle "Spielehelden" makellos sein? Wie wäre es dann mal mit einem Krieger, der wegen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzt und dieser allerlei Bewaffnung und "sonstige Spielereien" hat?

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