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Call of Juarez (Shooter) – Call of Juarez

Die Chrome-Macher auf Abwegen: Teil zwei ist zwar schon in Arbeit, doch bis die Fortsetzung wieder in die Zukunft ruft, versetzt euch Call of Juarez einige Jahrhunderte zurück – in die Zeit als Cowboys auf den Boden spuckten und echte Männer Selbstjustiz übten. Hat Techland endlich wieder Futter für hungernde Western-Fans auf Lager oder haben die Polen dem Action-Alltag nur einen ungewöhnlichen Anstrich spendiert?

© Techland / Ubisoft

Spuck den Tabak aus und zieh!

Den Western, es gibt ihn kaum noch – weder im Film noch im Spiel. Natürlich buhlen immer wieder seltene Vertreter um Zuschauer und im Moment verpasst Deadwood dem wöchentlichen Ausflug ins frühe Nordamerika frische Impulse. Doch die breite Masse scheint die verklärte Nacherzählung der Kolonialisierung kaum zu interessieren. Dabei war die Zeit der Besiedelung jene großartige Ära, in der raubeinige Leitwölfe ihre Fehden auf offener Straße austragen mussten. Es war die Zeit, in der Überfälle von „Eisernen Rössern“ im trockenen Staub der 

Der Ritt auf dem Ross is vor allem dann klasse, wenn ihr verfolgt werdet. Die Bewegungen der Pferde wirken allerdings steif und ungelenk.

Prärie endeten. Als die Kanone im Halfter das Überleben sicherte. Als ein finsterer Blick noch

als Antwort genügte. Und als das Rauschen des Windes unter der schwelenden Mittagssonne nur eines bedeuten durfte: „Du willst ein Mann sein? Dann spuck‘ deinen Tabak aus und zieh!“

Ich weiß, dass der Western spaltet: Die alberne Attitüde seiner Helden, die schwarz-weiße Überzeichnung, die Glorifizierung des männlichen Homo Erectus – der aufgeklärte Mensch muss darüber lachen. Meine Freundin hasst das Macho-Gehabe eines Clint Eastwood. Ich hole beim Anblick von High Noon oder Spiel mir das Lied vom Tod hingegen tief Luft und sauge die Freiheit der unbarmherzigen Prärie in vollen Zügen ein. Und wenn ihr auch nur entfernt das Gleiche empfindet, dann braucht ihr Call of Juarez! Denn Techland zitiert alle Klischees des klassischen Westerns so wortgenau, dass man sie den Regisseuren von Schneller als der Tod oder Brokeback Mountain mit den Worten „SO macht man das!“ ans Herz legen möchte.

Cowboy und Indianer

Emanzipation und Moderne haben hier nichts verloren. Der Protagonist liest mit unheilschwangerer Stimme die Bibel,

während er seinen Feinden das Lebenslicht ausknipst. 

So sieht der Wilde Westen aus

Statt euch einen Lackaustausch auf dem Highway zu liefern, prescht ihr hoch zu Ross durch die Steppe und schießt eure Verfolger von ihren Pferden. Und die Zwischengegner erledigt ihr – na wie schon? – in einem knackigen Duell Mann gegen Mann. Dabei steht ihr fest am Fleck, wartet auf das Signal und reißt mit einer Mausbewegung den Revolver aus dem Halfter. In Zeitlupe weicht ihr anschließend nach links und rechts aus und versucht, das nervöse Fadenkreuz auf den Brustkorb eures Gegenübers zu setzen. Wenn ihr dann den dumpfen Knall eurer Schüsse durch die Prärie hallen hört, seid ihr am Ziel.

Aber Call of Juarez erzählt auch eine andere Geschichte, nämlich die des jungen Billy, der als hagerer Jungspund in den

Zieh, Cowboy! Natürlich hat der Kerl gegen den ehemaligen Revolverhelden keine Chance.

kleinen Ort Hope zurückkehrt. Obwohl ihm die Anwohner die Hölle heiß machen, als er in die Gemächer des Saloons eindringt, ist sein Leben zunächst noch in Ordnung. Das Schicksal trifft ihn erst, als er auf dem heimatlichen Hof ankommt und seine Eltern ermordet am Scheunentor liegen. Dass ihn der Pfarrer dort blutverschmiert vorfindet, macht ihn zum einzigen Verdächtigen und fortan zum Gejagten. Ihr seid daher ständig auf der Flucht, bis ihr euch durch Banditen und Apachen zum Haus einer alten Freundin schleicht…

Gruß an Indy!

Schleicht? War nicht eben noch von Schießprügeln und bleischwerer Luft die Rede? Das bleibt auch stehen. Allerdings ziehen die Entwickler ihre Geschichte aus zwei Perspektiven auf. Und die eine erzählt das Abenteuer von Billy, der das Umgehen einer Gefahr dem Ziehen des Colts vorzieht. Das erreicht Techland, indem ihr in diesen Abschnitten nur wenig Munition findet, mitunter erst gar nicht entdeckt werden dürft und oft in der menschenleeren Wildnis umherirrt. Statt euch mit Kimme und Korn im Anschlag durchzuschlagen, klemmt ihr Billys Peitsche in Baumstämme, an denen ihr euch hochzieht, klettert in beeindruckender Höhe auf Felsvorsprünge und nutzt das Leder, um Schlangen oder Wölfe aus dem Weg zu räumen. Dabei kann Letzteres schnell nerven, denn rückwärts vor den an festgelegten Punkten auftauchenden Rudeln wegzulaufen, um dabei die knurrenden Tiere zu erledigen, erzeugt keine Spannung.