Als Sahnehäubchen der Gedankenspiele gibt es dann auch noch die Meta-Ebene des Spielers vorm Fernseher: Als Mensch befindet man sich doch eigentlich auf der Seite seiner Artgenossen – und nicht auf der der Blechkameraden. Ich liebe solche Gedankenspiele, die damit allerdings noch nicht aufhören: Zusätzlich wird man im Hauptmenü noch von einer KI beobachtet, die einen immer mal wieder anspricht, um kurze Kommentare über die Handlung loszuwerden oder sich ihrer eigenen Position bewusst zu werden – ein schöner Kniff, den Quantic Dream sich vermutlich bei Metal Gear Solid abgeschaut hat. Wie dem auch sei: Sobald man wieder mit Connor unterwegs ist, kann man meist gar nicht anders, als der spannenden Frage nach dem Grund für all die Fehlfunktionen auf den Grund zu gehen. Viele Abweichler lassen bizarre Opferstätten zurück, die mit dem mysteriösen Kürzel rA9 markiert wurden. Wirkliche kriminalistische Deduktionen wie in Sherlock-Holmes-Spielen gibt es leider nicht. Schade, dass das Studio hier nicht etwas mehr Mut zum Anspruch gezeigt hat. Trotzdem kommt es auch hier manchmal zu spannenden Szenen, in den man sich unter Zeitdruck in der Asservatenkammer durch einen Haufen Beweismittel wühlt und nur mit cleveren Tricks an die besten Hinweise fürs nächste Verhör gelangt.
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Am nächsten Tatort hält man dann immer wieder Rücksprache mit Hank. Bei ihm handelt es sich im Grunde um ein wandelndes Klischee aus Buddy-Cop-Filmen – der eigentlich fähige, sympathische Kumpeltyp, der sich im Laufe der Zeit zum Zyniker entwickelt, sich gehen lässt und seinen Frust im Alkohol ertränkt. Trotzdem habe ich ihn auf Dauer richtig lieb gewonnen – das gilt auch für einige andere Figuren, deren Persönlichkeit mir zu Beginn flach vorkam. Später bemerkte ich, wie gut solch bewährten Gegensätze funktionierten: Es macht eben einfach Spaß, dem grummligen Hank mit einem unbeirrt zielstrebigen Pedanten auf die Nerven zu gehen. Das Spiel mit den Gegensätzen funktioniert besonders gut an zwielichtigen Orten wie einem Androiden-Stripclub: Dort muss der fluchende Hank erst einmal jede Menge synthetische Prostituierte mieten, bevor Connor ihre Kameraaufzeichnungen auslesen kann. Der Griff in die Klischeekiste erweist sich hier also als durchaus nützlich, um die Vielzahl an Figuren und Handlungssträngen schneller erfassen zu können, was hier deutlich besser klappt als im sperrigen Einstieg von Die Säulen der Erde.
Der Weg zum Aufstand?
Das erwähnte Auslesen von Kameradaten und das Scannen der Umgebung ist eine der zentralen Ermittlungstechniken: Mal versucht man, unter Zeitdruck die Spur des geflüchteten Androiden durchs Bordell zu verfolgen, anderswo sucht Markus im Stadtzentrum der Industriemetropole nach Graffiti-Hinweisen auf andere Flüchtige. Der Unterhaltungswert dieser Passagen schwankt: Mal ist es interessant, sich auf die Suche neuer Erkenntnisse zu begeben, anderswo wird das Abklappern der Gassen aber auch schon mal monoton oder nervt mit seinen etwas hakeligen Steuerung. Es war nicht besonders clever von den Entwicklern, manche Eingabegesten direkt auf den rechten Stick zu legen, mit dem man sich natürlich auch umschaut. Hat man genügend Orte in der Umgebung gescannt, die teils erst nach Kameradrehungen sichtbar werden, wird die Szene vom Elektronengehirn nachgestellt. Jemand hat sich also das Messer geschnappt, bevor er aus der Küche in den Flur flüchtete, wo die Ermittler auf eine synthetische blaue Blutspur treffen.
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Auch der Pfad für Überraschungsangriffe wird auf diese Weise vorgezeichnet und auf seine Erfolgschancen überprüft. Beim Austüfteln wird die Zeit eingefroren – was hier viel natürlicher wirkt als in vielen anderen Spielen. Warum schließlich sollte ein blitzschnell rechnendes Elektronengehirn nicht die Zeitwahrnehmung verlangsamen können? Kommt es letztlich zur Konfrontation, starten schnellere Reaktionstests, in denen man rechtzeitig auf Knöpfe hämmert oder per Stick Halbkreisbewegungen eingibt. Klick klick klick – und schon hüpft der Roboter agil über Geländer, erwischt nebenbei eine Wache mit einem Kick und startet eine Schlagkombo gegen seine zwei Kollegen. Diese Passagen gehen gut von der Hand, wobei sich der Schwierigkeitsgrad eher an Einsteiger richtet. Manchmal wird man aber auch als erfahrener Spieler von plötzlichen Wendungen in den Actionsequenzen überrascht, was bittere Konsequenzen für das Überleben der Gefährten nach sich ziehen kann. Vor allem der agile Markus muss auf seiner Suche nach Verbündeten oft seine Akrobatik und Kampfkunst beweisen.