Der gute alte Trick mit der Paralleldimension
Neu ist das Prinzip nicht: Bereits Mighty Switch Force!, Fly’n, Guacamelee! sowie zahlreiche andere Genregrößen experimentierten damit herum. Ein Knopfdruck und schon befindet sich der Held in einer Parallelwelt mit kleinen, aber nützlichen Unterschieden. Wo eben noch ein unüberwindlicher Abgrund klaffte, schwebt plötzlich eine Plattform durch die Luft. Oder aber ein Monster mit tödlichen Krabbenscheren krabbelt nicht mehr im Weg herum, sondern verwandelt sich in ein Sprungbrett, das mich hoch in die Luft schleudert. Auch Sekundenbruchteile danach ist gutes Timing wichtig: Ich kann nur umschalten, wenn sich in der Parallelwelt keine Mauer befindet. Drücke ich im richtigen Moment auf die R-Taste des 360-Controllers, lande ich aber in einer kleinen Lücke zwischen dem Mauerwerk, kann die Spitze erklimmen und gelange zum Ziel des Levels – eine seltsam anmutende Drachenkugel.
Ab und zu ergeben sich schöne Aha-Momente, z.B. wenn ich zum an der Decke entlang laufenden Spiegelbild umschalte. Die meiste Zeit über bleiben die Rätsel aber konservativ – viel mehr als die beschriebenen Mechaniken gibt es nicht zu entdecken. Die genannten Konkurrenz-Titel zeigten sich hier viel kreativer: Bei Mighty Switch Force! musste ich z.B. explosive Bomben geschickt durch verzweigte Abzweigungen navigieren und Fly’n verband das Prinzip sogar mit toll abgestimmten Spezialfähigkeiten. Hier fehlen solche coolen Ideen: Die Hauptfigur ist ein blasser, von Depressionen und Sinnestäuschungen geplagter Jugendlicher, der nur gemächlich laufen und nicht besonders weit springen kann. Zugegeben: Das passt zur Geschichte. Trotzdem fühlt sich die rein digitale Handhabung weniger feinfühlig an als anderswo und die Hüpfsequenzen gestalten sich weniger spannend und dynamisch.
Verbindung gesucht
Ein weiteres Problem ist, dass das eigentlich interessante Thema meist außen vor bleibt. Die Geschichte wird lediglich ab und zu in Form eingeblendeter Textzeilen erzählt, die nur selten Einfluss auf den Spielablauf nehmen. Immer wieder schreibt der gepeinigte Protagonist bruchstückhaft über seine täglichen Leiden, Halluzinationen und sein Verlangen nach Selbstgeißelung. Als er sich z.B. wünscht zu erblinden, wird plötzlich die Welt sehr dunkel – eine passende Verbindung. Solche Situationen bleiben allerdings die Ausnahme und auch spielerisch wird ihr Potential kaum genutzt. Um mein Alter Ego herum glimmt in der finsteren Sequenz schlicht und einfach ein Licht, welches die unmittelbare Umgebung erhellt. Es gibt keine kreative Spielereien mit dem Anzünden von Lichtquellen wie z.B. bei Pixeljunk Shooter 2 oder LIT.
Ein Ärgernis ist außerdem das sich surreal verformende Hauptmenü: Entweder habe ich ein Detail nicht richtig verstanden oder ein Bug hat dazwischen gefunkt. Es dauerte zumindest eine ganze Weile, bis ich meinen gespeicherten Spielstand erneut starten konnte. Wenn das Bild automatisch weiter scrollte, kam es ebenfalls manchmal zu kleinen Anschlussfehlern, durch die ich in der Luft hängen blieb – nicht tragisch, aber nervig. Der unheilvoll wabernde Soundteppich passt gut zum Thema und verändert sich dynamisch beim Umschalten. Das Design der grobpixeligen Kulissen gehört dagegen zu den Schwachstellen: In den finalen Szenen des Spiels kommt es zwar zu einigen angenehm surrealen Szenen, doch oft werden einfach nur die ewig gleichen Fragmente einiger Steinruinen kopiert. Nach nur zwei Stunden Spielzeit konnte mich nicht einmal das Ende dafür entschädigen, dass ich drangeblieben war. Ich wollte zwar unbedingt wissen, was genau hinter den Leiden und der starken Verbundenheit zum toten Bruder steckt – die alternativen Schlusssequenzen ließen mich aber unbefriedigt zurück.