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Dragon Quest: Die Chronik der Erkorenen (Rollenspiel) – Dragon Quest: Die Chronik der Erkorenen

Klassische Dragon Quest- alias Dragon Warrior-Episoden haben sich trotz millionenfacher Verkaufszahlen bisher nur in Japan und Amerika blicken lassen. Mit der so genannten Zenithia-Trilogie (Remakes von Dragon Quest IV – VI) kommen auch Europäer in den Genuss dieser Rollenspiel-Meilensteine – nicht nur mit zeitgemäßer Aufmachung, sondern erstmals auch auf Deutsch. Den Anfang macht das Remake zum vierten Teil, die Chronik der Erkorenen. Spätes Glück oder ist das Verfallsdatum bereits überschritten?

© Arte Piazza / Square Enix / Koch Media

Mehr als nur ein Remake

Dragon Quest IV hat mittlerweile stolze 18 Jahre auf dem Buckel. Die Chronik der Erkorenen basiert jedoch eher auf dem acht Jahre alten und nur in Japan erschienenen PSone-Remake, das bereits einige interessante Änderungen und Erweiterungen erfuhr und auch schon 3D-Schauplätze bot.

Die malerischen 3D-Kulissen und detaillierten 2D-Figuren harmonieren wunderbar miteinander.

Dennoch handelt es sich bei der DS-Adaption nicht einfach um einen simplen Port mit erstmals deutschen Texten.

Die audiovisuelle Präsentation wurde nochmals deutlich aufgebohrt, sinnvolle Veränderungen vorgenommen und sogar ein Mehrspielermodus integriert. Auch wenn Letzterer lediglich einen drahtlosen Siedleraustausch ermöglicht, um die bereits aus der PSone-Vorlage bekannte Pionierstadt schneller wachsen zu lassen. Insgesamt stellt die DS-Version aber definitiv die momentan ansehnlichste und umfangreichste Dragon Quest IV-Erfahrung dar.

Am Hauptinhalt hat sich allerdings bis heute nichts geändert: Nach wie vor begleitet ihr in den vier ersten Kapiteln des Spiels völlig unterschiedliche Charaktere auf ihren ganz persönlichen Abenteuern, bevor im fünften Kapitel alle Storyfäden und Figuren zusammenfinden, um das große Finale zu bestreiten. Dieser originelle Spielaufbau macht auch heute noch eine gute Figur und beschert euch teils sehr verschiedene Spielphasen. So beginnen die jeweiligen Kapitel nicht nur in unterschiedlichen Gegenden der anfangs riesig wirkenden Spielwelt, auch die individuellen Aufgaben sorgen teils für angenehme Abwechslung. Waffennarr Torneko beginnt sein Abenteuer z. B. als Angestellter in einem Waffenladen, bevor er es sich leisten kann auszuziehen und seinen Traum von einem eigenen Laden in einer anderen Stadt zu verwirklichen.

Der Zahn der Zeit

Die nacheinander zu absolvierenden Einzelabenteuer haben aber auch eine entscheidende Kehrseite, denn mit jedem neuen Protagonisten beginnt ihr wieder ganz von vorn, mit Level eins und ohne nennenswerte Portokasse und Ausrüstung – auch im fünften Kapitel. Das führt dazu, dass ihr die ersten zwanzig Spielstunden fast nur mit Aufleveln und Geld verdienen verbringt – und das immer und immer wieder. 

Die Kämpfe wirken leider hoffnungslos antiquiert und machen einen viel zu großen Spielanteil aus…

Inhaltlich warten die ersten vier Episoden nämlich maximal mit je einer halben Stunde Spielzeit auf, in der ihr mit wichtigen NPCs plaudert, Schlüsselobjekte besorgt und den einen oder anderen Story-Boss platt macht. Da das aber nur mit entsprechendem Level und geeigneter Ausrüstung möglich ist, verbringt ihr nebenbei das Vielfache an Zeit nur damit, immer wieder dieselben Orte zu besuchen und Gegner zu besiegen, um Geld und Erfahrung zu scheffeln. Vor 15 Jahren mag das noch in Ordnung gewesen sein, heutzutage empfindet man dies angesichts des völlig antiquierten Kampfsystems aber als extrem lästig und eintönig.

Hinzu kommt, dass die eigentlich auch heute noch charmante, wenn auch hoffnungslos abgedroschene Story um einen auserwählten Helden und skrupellosen Welterneuerer trotz vorbildlicher Eindeutschung inklusive Reime und fremdsprachlicher Akzente so unglaublich belanglos erzählt und präsentiert wird, dass einen die Ereignisse völlig kalt lassen. Selbst die tragischen Szenen werden in einem lapidaren Satz kurz und schmerzlos abgehakt, die Charaktere bleiben die meiste Zeit stumm und austauschbar, selbst wichtige Bossgegner wirken eher wie drittklassige Komödianten als wie echte Bedrohungen. Das ist verdammt schade, da die Story eigentlich jede Menge Drama und Schicksalsschläge zu bieten hätte, diese aber einfach viel zu knapp und belanglos abgefrühstückt werden und stattdessen dröges Level-Grinding in mickrigen 08/15-Dungeons im Mittelpunkt steht.

Dass die rundenbasierten Auseinandersetzungen auf altmodischen Zufallsbegegnungen basieren, ist dabei noch das geringste Übel. Auch dass ihr die Lebensenergie eurer Widersacher nicht abschätzen könnt und manche Party-Mitglieder anfangs völlig eigenständig agieren, ist zu verkraftet. Dass ihr jedoch bestimmte Gegner nicht gezielt angreifen, sondern nur Gruppen als Ziel markieren könnt und dann darauf hoffen müsst, dass sich eure Helden halbwegs effektiv abstimmen und starke Angriffe nicht auf ohnehin schon halbtote Gegner verschwenden, ist jedoch ein Unding, das heute einfach nicht mehr geht. Auch das primitive und nur mäßig funktionierende Formationssystem ist für heutige Verhältnisse ein Witz. Und was bitte ist der Sinn einer Verteidigungshaltung zur Schadensreduktion, wenn diese oft erst am Ende einer Runde, nachdem bereits sämtliche Widersacher auf einen eingeschlagen haben, eingenommen wird? All die kleinen, feinen Anpassungen wie z. B. das Taktikmenü im fünften Kapitel in Ehren, aber hier hätte man einfach grundlegende Änderungen vornehmen müssen, um Rollenspieler auch 2008 noch bei Laune zu halten.