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El Hijo – A Wild West Tale (Action-Adventure) – Schleichen ohne Schlitzen

Das Schleichspiel El Hijo – A Wild West Tale wurde beim Deutschen Computerspielpreis als „Bestes Familienspiel“ ausgezeichnet. Wir prüfen im Test nach, wie gut das gewaltfreie und sehr hübsche Stealth-Abenteuer funktioniert.

© Honig Studios / HandyGames

Kein Bock aufs Kloster

 

Als ihr Hof nach einem Banditenüberfall in Flammen aufgeht, beschließt eine toughe Wildwest-Mutter, ihren Sohn – „el Hijo“ ist spanisch für „der Sohn“ oder „das Kind“ – der Obhut grimmig dreinblickender Mönche zu überlassen. Dem Knäblein gefällt jedoch die Zukunft eines Lebens hinter Klostermauern ebenso wenig wie die Aussicht, seine vor der Abtei im Sand verbuddelte Schleuder nie wieder in Händen halten zu können. Also büxt er aus! In den nächsten circa fünf Stunden steuert man den Steppke (und gelegentlich auch mal die Mutter) durch eine ausgesprochen hübsch gestaltete Spielwelt. Die vielen erdigen Brau- und Ockertöne bringen das comichafte Wildwest-Flair sehr gut rüber, die Architekur des Konvents, die Ausstaffierung der Saloons, die vielen hübschen Gärten und Dächer machen El Hijo schon rein optisch zu einem Wohlfühlspiel.

 

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Orte wie Saloons oder das Kloster (hier im Bild) wurden mit Liebe zum Detail gestaltet. © 4P/Screenshot

Dazu (und zur Auszeichung als „Bestes Familienspiel“) passt auch der bewusste Verzicht auf Gewalt – sonst ja ein ständiger Begleiter der gespielten Leisetreterei. Anders als Sam Fisher, Garrett, Agent 47 oder Jack O’Hara – ja, ich musste googeln wie der Green Beret aus Commandos heißt – können die Protagonisten von El Hijo nämlich nicht zu Meuchelmördern werden. Stattdessen beschränken sich die spielerischen Möglichkeiten auf Verstecken, Rennen, Ducken, Schieben und natürlich Ablenken in mehreren Ausführungen. Aus einer Perspektive von schräg oben dirigiert man die Spielfigur durch teils verwinkelte Areale – stets auf der Suche nach dem Aus- oder Durchgang zum nächsten Level. Ein kleiner Vogel, den man auf Knopfdruck ausschickt (und rudimentär steuern kann) lässt die Kamera ein Stück herauszoomen – das sorgt für dringend benötigte Übersicht, macht die Sichtkegel der Wachen erkennbar, aber man ist während der Benutzung auch unbeweglich.

 

Kind vs. Häscher

 

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Schleichspaß hinter Klostermauern: Unser Knabe (schwer zu erkennen in der Bildmitte, sein Kopf ragt in den Lichtkegel) versucht, an den Mönchen vorbeizugelangen. Ebenfalls im Bild zu sehen: Gelbe Sichtkegel auf hellbraunem Grund sind keine gute Idee. © 4P/Screenshot

Man kann Kisten verschieben, sich in Krügen, Lorenwagen, Schränken oder Gräbern verstecken, hinter Hecken in Deckung gehen, Leitern benutzen oder zu einem kurzen Sprint ansetzen – und manövriert sich so Stück für Stück an Mönchen, Arbeitern oder Wachen vorbei. Die gehen fast immer einer geregelten Tätigkeit nach, suchen also in Normalfall nicht nach euch und haben überschaubar komplexe Patrouillenwege. Vielfach kann man dunkle, schattige Bereiche nutzen – dort ist die Spielfigur unsichtbar -, andernorts wollen ein paar bewegliche Elemente (Leiter, Karren) gut getimt verschoben werden, während die Wachmannschaft gerade in die andere Richtung schaut. Mitunter ist es notwendig sehr knapp an Feinden vorbeizuschleichen – wird man dabei ertappt, geht es zurück zu den fair verteilten Checkpoints. Eine Art System, das die Wachen aufmerksamer macht, wenn man nicht gerade heimlich agiert, hat El Hijo im Gegensatz zu so manchem Stealth-Kollegen nicht. Neben ihrer Standardroutine haben die Feinde einen (gelben) Fragezeichen-Zustand, wenn sie euch nur ganz kurz erspähen – wartet man dann wenige Sekunden ab, verlieren sie das Interesse. Im (roten) Alarm-Zustand hingegen rennen sie der Spielfigur unerwartet flink hinterher, dann hilft nur ein Sprint (begrenzte Energie, mehr Lärm!) in einen Schattenbereich oder ein Versteck – aber auch das klappt regelmäßig, unterm Strich hat das Genre also schon weit klügere und aufmerksamere Feinde hervorgebracht.

 

Mutmacher


Weil vielfach nicht sofort ersichtlich ist, welcher Pfad zum Levelausgang führt, kann es schon mal vorkommen, dass man etwas unglücklich im Kreis schleicht und wieder bei einem früheren Checkpoint landet. Zum Glück gibt es, überall in der Spiel verteilt, andere Kinder, denen die eigene Spielfigur auf Knopdruck Mut zusprechen kann – quasi als optionale Sammelgegenstände der positiven Art. Obgleich sich das wesentliche Spielprinzip, natürlich in Verbindung mit steigender Level-Komplexität, nicht ändert, erwirbt man im Verlauf ein paar nützliche Gadgets, die das Vorankommen trotz vieler Wachen möglich machen: Mit Steinwurf oder Schleuder können Gegner abgelenkt, Lampen gelöscht, Tore geöffnet oder Krüge zerdeppert werden, danach folgen u.a. ein Aufziehspielzeug, das Feinde anlockt, und eine Rauchbombe für knifflige Momente.

 

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Gelegentlich kann man auch mit La Madre spielen: Hier nutzt sie eine erhöhte Position, um Blicken zu entgehen und per Schleuder einen Krug zu zerstören. © 4P/Screenshot

Wegen seiner pazifistischen Prämisse ist El Hijo ein Spiel, das man zusammen mit Kindern spielen kann, eines explizit für jüngere Zocker ist es aber nicht – dazu sind die Areale zu komplex gebaut und der Schwierigkeitsgrad zu hoch. Auch wenn erfahrene Spieler mit einer gewissen Trial-and-Error-Frustresistenz stetig vorankommen – das rasche Erreichen von Verstecken oder die Nutzung der Gadgets will durchaus gelernt sein. Dazu gesellen sich eine Anlehnen-Funktion, die nicht so rasch und problemlos funktioniert, wie man sich das wünscht, sowie farblich sehr schlecht erkennbare Sichtkegel – beides trübt die ansonsten gute Spielbarkeit ein wenig.

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