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Fallout 3 (Rollenspiel) – Fallout 3

Der amerikanische Traum ist im Jahr 2077 geplatzt, als die heile Welt in einem Nuklearkrieg unterging. Zweihundert Jahre später zeigt das postatomare Zeitalter seine hässliche Fratze: Dort, wo einst die weiße Architektur Washingtons strahlte, beherrschen Schutt und Betonreste ein radioaktiv verseuchtes Ödland. Dort, wo sich einst Tellerwäscher und Millionäre die fleißige Hand gaben, reichen sich jetzt Ghule und Supermutanten die blutige Kralle. Warum sollte man da seinen gut gesicherten Schutzbunker verlassen?

© Bethesda Softworks / Ubisoft

Der Blick auf die Kulisse

Die roten Flecken müssen sich Käufer der deutsche Version wegdenken; aber das Fehlen des Lebenssaftes wirkt sich nicht auf die spektakulären Zeitlupen aus.

Die Erkundung von Fallout 3 offenbart natürlich keine herrlichen Wälder und stolzen Burgen, sondern Schutthaufen und ausgebrannte Hausfassaden. Außerdem erkennt man schnell, dass die Kulisse im Detail sehr spröde, sehr kantig ist – die Übergänge vom Fels zum Boden sind oft sehr hart und viele Oberflächen lassen Körnigkeit und Kontur vermissen. Wenn man an die wenigen Bäume herangeht und genau hinschaut, wirkt die Rinde zudem sehr matschig; kein Vergleich zu den scharfen Texturen eines STALKER: Clear Sky oder Crysis.

Dieses Abenteuer lädt auf den ersten peniblen Blick nicht unbedingt zum Verweilen oder gar Abtauchen ein, denn nahe Umwelt, Mimik, Gestik und Animationen befinden sich sowohl auf PC als auch Xbox 360 und PlayStation 3 nur auf durchschnittlichem Niveau. Im Vergleich zu Oblivion wurde die Zahl der Pop-ups zwar verringert, aber im Bereich der Bewegungen von Humanoiden und Monstern scheint man 1:1 auf dem Stand des Fantasy-Rollenspiels zu verharren. Man gewöhnt sich allerdings an die etwas holzschnittartigen Drehungen und Spaziergänge der NPCs.

Wenn man die Plattformen ganz genau vergleicht, fällt auf, dass die PC-Version den harmonischsten Eindruck hinterlässt, was den Detailgrad sowie das späte Einblenden von Objekten angeht. Direkt dahinter folgt die Xbox 360-Version, die eine farbenfrohere und kontrastreichere Kulisse als die PS3-Version zeigt – vor allem die Brauntöne sind satter. Bei Letzterer fallen vor allem die schwächere Kantenglättung sowie die brüchigen Schatten auf, die auf Microsofts Konsole weicher und damit weniger störend wirken.

Monumentale Schönheit

Erst auf den zweiten Blick kann Fallout 3 auf allen System auch grafisch punkten – und zwar mit seiner Architektur, seinem Licht und seiner Monumentalität. Bethesda fängt das zerstörte Washington nicht nur mit seinen teilweise begehbaren baulichen Merkmalen wie dem Kapitol oder dem Washington Monument ein, sondern fügt mächtige Statuen und fiktive Gebäude hinzu. Und selbst wenn keine optischen Reize à la Crysis: Warhead an der Texturoberfläche oder in der im Vergleich zu Mass Effect hoffnunglos veralteten Gesichtsmimik entstehen, kann Bethesda mit seinem Tagnachtwechsel sowie den daraus resultierenden Lichtspielen für eine idyllische Atmosphäre sorgen, die man auch aus STALKER kennt.

Warum ist der Vater geflohen? An was arbeitet er? Wartet am Ende der Flug in ein besseres Amerika? Die Hauptstory weckt die Neugier bis zum Schluss. Satte 30 bis 70 Stunden Spielzeit warten auf euch.

Es gibt zudem angenehm düstere U-Bahn-Schächte, die irgendwann in überflutete Höhlen mit Riesenpilzen und Tropfsteinen übergehen. Und wer sich einmal im Technikmuseum mit all seinen Konstrukten, Robotern und Flugzeugen umgesehen hat, gerät angesichts der Liebe zum Detail, was Schalter, Beschreibungstexte und Innenarchitektur angeht, durchaus ins Staunen. Sehr gelungen sind auch die Lichtschächte zur Mittagszeit, die sich durch Ritzen oder Lücken in dunkle Räume schleichen. Unterm Strich kann man festhalten, dass Fallout 3 auf allen Systemen eine spröde Schönheit mit angenehm monumentaler Ausstrahlung ist.

Die wird lediglich durch kleinere Bugs getrübt: Auf dem PC hatten wir einen Absturz, auf der PS3 kam es im Einstieg einmal nicht zur Befragung des jungen Abenteuers – erst nach dem erneuten Laden wurde der Psychotest gemacht. Abschließend auch ein großes Lob für die deutsche Lokalisierung, die das Debakel von Oblivion mit ihren meist sehr gut übersetzten Texten sowie der gelungenen Sprachausgabe vergessen macht. Die deutschen Stimmen passen hervorragend zu den Charakteren und können sich an jeder Stelle hören lassen. Lediglich weibliche Helden müssen mit ein paar Inkonsequenzen in der Anrede rechnen, da hier scheinbar nicht alles auf Frau zugeschnitten wurde. Ansonsten gibt es lediglich kleine Übersetzungsfehler, die nicht stark ins Gewicht fallen.

   

  1. Versuchs halt wirklich mal mit "New Vegas". Ich bin heute entzückt, dass Obsidians 3D-Fallout von weiten Teilen der Community mittlerweile als deutlich gehaltvolleres RPG empfunden wird als Bethesdas mediokres Shooter-Fallout. Siehe Metacritic-Userwertungen. Oder Steamwertungen. Leider hat Bethesda alle "Errungenschaften" von New Vegas ja dann ignoriert. Entsprechend ihrer ewigen Zielgruppenmaximierungs-Maxime: Jedes Spiel einer Reihe muss mit dem Folgetitel noch simpler werden. https://external-preview.redd.it/8S_Sd1 ... 47c21cb7cf Immerhin können sie sich durch ihre saftigen Profite noch Prestige-Studios wie Arkane leisten, die zwar durchweg Gehaltvolleres abliefern (und mit dem FPS-RPG-Mix Prey auch mehr RPG als manches selbst ernannte RPG) -- aber selten großen Reibach.
    Dem heutigen Bethesda halte ich eines zugute, und da stimme ich mit dem Vorposter nicht überein: Sie verweigern sich (noch?) dem Trend, interaktive Filmchen mit minimalem Input a la Witcher 3 zu machen. Ein Spiel wie Elex hatte ich letztes Jahr fast bis ins Endgame gespielt (als man viel zu mächtig wurde). Witcher 3 trotz der deutlich interessanteren Welt und Charakteren allerdings bereits früh abgebrochen. Warum? Weil mich Elex als Spieler respektierte, der Witcher so mittel. Weil beim Witcher jede verdammte Miniquest einen minutenlang zum Filmschnippsel-Zuschauer degradiert (14 Stunden Cutscenes allein im Basisspiel) -- und die linearen Quests sich abseits der obligatorischen Kämpfe auch von selbst lösen respektive witchersinnen. Taste drücke, den rot markierten Brotkrumen folgen -- tada. Natürlich hat der Witcher Qualitäten, und das Studio dahinter sagt ja oft genug selbst, dass Spiele für sie wie Filme seien (spätestens Witcher 2 war ebenfalls vollgepackt mit Kinosequenzen). Aber CD Projekt trauen mir mittlerweile in ihren spielerischen Momenten offenbar nicht mal mehr zu, dass ich mir ohne ihre Hilfe alleine die Schuhe zubinden könnte.
    Gerade AAA-RPGs sind heutzutage ja eh meist...

  2. Das Problem ist halt auch, dass ich erst unlängst zum zweiten Mal Witcher 3 incl. der beiden Addons durchgespielt habe. CDP hat Bethesda schlicht und ergreifend gekillt. Auf jedem einzelnen Feld. Es ist mir schlicht nicht mehr möglich, über die eklatanten und zahlreichen Schwächen von Fallout 3 hinwegzusehen, um mich an dem schicken Szenario zu erfreuen, wie ich das früher noch getan hätte.

  3. Puh, jetzt weiß ich wieder, wieso ich seit Morrowind kein Bethesda-RPG mehr angefasst habe. Langeweile auf hohem Niveau beim Worldbuilding. Ne riesenhafte Schnitte, mit ganz wenig zarter Butter drauf. Bin Level 10. Die erste Stunde ist bei jeder Sitzung wieder großartig, weil man halt gern in der Gegend herumguckt. Und dann merkt man wieder, dass kaum Substanz drunter steckt, die das Interesse und den Zeitaufwand rechtfertigen. Mal sehen, ob ich die Kraft habe, es bis zum Schluss durchzuhalten oder irgendwann lieber gleich zu New Vegas weitergehe. Nee, Bethesda, einfach nur nee.

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