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Game of Thrones: Tale of Crows (Adventure) – Die Krähe gefriert

Seit dem 7. August könnt ihr euch in Game of Thrones: Tale of Crows im hohen Norden der Sieben Königreiche bewähren. Das Team von That Silly Studio entführt euch allerdings in die Zeit vor den Geschehnissen der TV-Serie und Romane von G.R.R. Martin. Ihr schlüpft in diesem für Apple Arcade (iPad, iPhone, Mac, Apple TV) entwickelten Adventure im Idle-Stil (u..a The Longing) nicht nur in die Rolle eines Lord Commanders, sondern begleitet eine ganze Dynastie der Nachtwache. Warum der Spielspaß dabei gefriert, verrät der Test.

© That Silly Studio / Devolver (Apple Arcade)

Die Nacht zieht auf…

…und meine Wache beginnt. Sie soll nicht enden vor meinem Tod.

Jeder Leser oder Zuschauer kennt den Eid der Nachtwache, dieser Krieger in Schwarz, die ihr Leben der militärischen Verteidigung der über 200 Meter hohen Mauer opfern. Aber was geschah, bevor Jon Snow aus dem Hause Stark dort auf Tyrion Lannister traf und die Lage mit den Weißen Wanderern eskalierte? Dieser Frage geht Devolver in einem Adventure nach, das 8000 Jahre vor den populären Ereignissen beginnt. Die Mauer ist schon da, aber der erste Lord Commander muss Entscheidungen treffen – und das seid ihr.

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Darauf schaut man sehr lange: Castle Black an der Mauer – es gibt nicht mal einen Zoom. (iPad) © 4P/Screenshot

Es gibt keine Charaktererschaffung, auch keine sichtbaren Figuren, lediglich ihre Wappen, dazu einen Namen sowie eine Beschreibung wie „Gebildet“ oder „Gezeichnet“ – nicht mal eine kurze Biographie oder gar Werte. Dieses extrem reduziert designte Spiel konzentriert sich komplett auf das Storytelling (alle Texte auf Deutsch) mit Entscheidungen sowie kleine Missionen. Trotzdem sorgt die Präsentation zunächst für einen interessanten visuellen Rahmen: Man sieht wie in einem Diorama einen Teil der Mauer inklusive Castle Black, später auch einzelne Gebiete – alles quasi als Miniaturschnitt. Außerdem gibt es einen Panoramablick auf die Mauer inkl. Zoomfunktion sowie eine edel schraffierte Karte.

Verschenkte Potenziale

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Zwar sieht man hier mal was, aber die Zoomfunktion an der Mauer ist zickig. (iPad) © 4P/Screenshot

Die Idee ist gut, aber schon hier verschenkt Devolver einige Potenziale: Man kann sich das Treiben in Castle Black z.B. nicht näher anschauen, erkennt nicht mal den Ansatz eines geschäftigen Treibens, sondern bekommt bis auf herein oder heraus flatternde Raben keinerlei visuelle Reize. Auch später in den Missionen sieht man die Brüder der Nachtwache nur wie Ameisen umherziehen, während ein Fingertipper lediglich die Bäume leicht bewegt. Und selbst die wenigen Zoom-Möglichkeiten sind erstens technisch nicht gut umgesetzt, weil viel zu ungenau, und zweitens wiederholen sich gerade die Szenen, die einen per Auge-Symbol dazu animieren näher hinzuschauen – wie etwa der rostige Dolch auf der Mauer. Warum gibt es das nicht während der Missionen?

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Die Grenzer ziehen aus hinter die Mauer…drei Kompanien, von denen man nur die Wappen sieht. © 4P/Screenshot

Falls diese Distanz für Kälte sorgen sollte, hat Devolver das hinbekommen. Allerdings macht man in diesem Spiel im so genannten Idle- oder Clicker Stil (siehe The Longing) so oft und so lange dasselbe, dass diese reduzierte Präsentation die Langeweile verstärkt – immerhin gibt es dank Apple Arcade keine mistigen Mikrotransaktionen, die dieses Subgenre ja sonst so prägen. Anfangs ist es auch noch interessant, wenn man als Lord Commander entscheiden darf, wie man mit den Problemen umgeht, die in kurzen Texten mit Antwortoptionen geschildert werden: Setzt man eher auf die Bauleute, die Kämmerer oder die Grenzer? Bestraft man seine Leute hart, wenn die Latrinen einfrieren? Nimmt man den Aberglauben ernst? Untersucht man die Tunnel unter Castle Black?

Konsequenzen über Generationen

Alls das hat sofort oder später Konsequenzen, die auch bestimmen, wie man auf die Ära zurückblickt: Wird man vielleicht als „Der Kaltherzige“ in die Annalen eingehen? Wenn man stirbt, schlüpft man sofort in die Rolle eines neuen Lord Commanders aus anderer Familie – ähnlich wie in Crusader Kings 3 geht es also um das Managen ganzer Generationen. Manche der kleinen Geschichten sind im Ansatz gut, sie streifen Wahnsinn und Legenden, bieten interessante Aspekte der Frühgeschichte von Westeros, so dass vor allem Kenner genug Anknüpfungspunkte haben und auch der Mythos der Weißen Wanderer einige Facetten gewinnt. Allerdings gibt es nur wenige wirklich spannende Momente und man vermisst manchmal mehr Antworten, mehr Vielfalt und vor allem mehr taktische und statistische Reize: Warum kann ich nie sehen, wie viele Brüder wo stationiert sind? Warum gibt es keinerlei Hinweise auf Bewaffnung, Verpflegung und Bausubstanz? So bleibt alles sehr vage.

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Der Lord Commander ist tot? Es lebe der neue Lord Commander! © 4P/Screenshot

Immerhin kann man mit seinen Raben die Grenzer managen: Auf der Karte tauchen immer mehr Punkte auf, zu denen man sie schicken kann, von der Küste bis in den hohen Norden. Manchmal sind drei Kompanien gleichzeitig unterwegs, die dann wie Schnecken über die Karte wandern – diese Langsamkeit gehört zum Spieldesign und man wird sogar dazu aufgefordert, jetzt etwas anderes zu machen. Ich hab dann meist das iPad weggelegt, denn der Trupp marschiert in der Zeit weiter, bis eine Meldung seine Ankunft oder einen Zwischenfall verkündet.

Auf diesen Missionen gibt es lediglich Ereignisse, auf die man reagieren kann: Erobert man das Lager der Wildlinge? Verbrennt man die zerstückelten Leichen? Folgt man der Blutspur? Nimmt man den Verirrten auf?

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Das ist alles zu klein…und statisch. © 4P/Screenshot

So spannend wie in einem digitalen Fantasy-Spielbuch à la Sorcery! oder dem Reise-Abenteuer 80 Days wird es aber nur mal in Ansätzen, wenn es tatsächlich mal tragische oder unheimliche Situationen gibt. Auch hier hat man übrigens keine Informationen über Anzahl und Versorgung des Trupps. Man fragt sich auch, warum man nicht mal kleine Bereiche von Castle Black über hunderte Jahre ausbauen konnte? Devolver lässt hier wirklich viele offensichtliche Potenziale liegen und der Kern, also das Erzählen von Geschichten, ist einfach nicht so gut, dass es als Kompensation auf lange Sicht ausreichen würde. So verfällt man begleitet von dahin plätschender Musik viel zu früh in eine schläfrige Routine, während man hier oder da mal etwas entscheidet, bis man wieder gestorben ist. Und sich irgendwann fragt: Kann bitte mal jemand eine Aufbau-Taktik mit mehr Fleisch aus diesem per se interessanten Szenario machen? Ich nehm auch ein Rollenspiel.

  1. 4P|T@xtchef hat geschrieben: 07.09.2020 16:21 Wie angedroht, werde ich mir jetzt häufiger mal wieder Spiele aus dem AppStore bzw. Apple Arcade ansehen - allerdings nur Spiele ohne Mikrotransaktionen. Manchmal ist was Cooles wie The Last Campfire dabei, manchmal auch sowas.;)
    Frogger in ToyTown von Konami finde ich total cute... Projection First Light ist gut, Stela ist sehr gut, Outlanders, Spyder...

  2. Wie angedroht, werde ich mir jetzt häufiger mal wieder Spiele aus dem AppStore bzw. Apple Arcade ansehen - allerdings nur Spiele ohne Mikrotransaktionen. Manchmal ist was Cooles wie The Last Campfire dabei, manchmal auch sowas.;)

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