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GTR 2 (Rennspiel) – GTR 2

Die Schweden SimBin haben in beachtenswert kurzer Zeit geschafft, was viele andere Firmen nie hinkriegen: mit wenigen Spielen zum Kultentwickler zu werden. GTR und GT Legends haben in der Simulations-Gemeinde eingeschlagen wie Bomben, die Entwickler wurden zu legitimen Erben von Papyrus Software. Knapp zwei Jahre nach dem Erstling steht jetzt GTR 2 auf dem Prüfstand – und muss sehr hohen Erwartungen gerecht werden.

© SimBin / 10tacle, Atari

Was bedeuten diese dauernden Hinweise auf die Jahresdaten? Im Klartext heißen sie, dass ihr euch auf 15 offiziellen GT-Strecken austoben dürft, die in bis zu drei Varianten wählbar sind: Donington Park GP 2003, 2004 und National, Hockenheim GP 2004, National und Short, Magny-Cours GP 2003, 2004 und National oder Oschersleben B Course, GP 2003 und 2004 sind ihren Vorbildern zentimetergenau nachempfunden, was summa summarum

Nettes Gimmick: Die Boxencrew werkelt neuerdings voll animiert an eurem Hobel herum.

in 34 Pisten mündet. Keiner will dort zu Fuß entlang laufen, deswegen erwartet euch die volle Lizenzladung Rennwagen: über 140 Varianten von 17 bis zur Unkenntlichkeit auf Höchstgeschwindigkeit getrimmten Straßenwagen stehen zur Verfügung – vom Ferrari 550 Maranello über Porsche GT3-RS (der mit 39 Variationen völlig den Vogel abschießt!) und Lamborghini Murcielago R-GT bis Lister Storm, Maserati MC12 und TVR 4400R glänzt der interne Schauraum mit der Creme de la Creme der Rennszene. Mit denen dürft ihr euch auch in die vorher nur per Patch möglichen Proximus 24h-Rennen stürzen, die beinharte Freaks tatsächlich in Echtzeit fahren dürfen! Normalsterbliche können das Spektakel auch auf minimal 24 Minuten verkürzen, was ungeübten Lenkradschwingern schon genug Herausforderung liefern dürfte. Profis können sich natürlich auf jede Schraube ihrer Kiste stürzen, und vor den Rennen an Optionen wie Reifendruck, Federstärke, Nachlauf, Differentialsperrwirkung oder Bremsdruck herumfuhrwerken sowie MoTec-Telemetriedaten analysieren – und natürlich sind Reifenverschleiß, Treibstoffverbrauch und technisches Versagen veränder- oder völlig abschaltbar.

Ein schönes Gefühl

Was euch mit GTR 2 erwartet, wird spätestens dann klar, wenn ihr im Training einfach mal das Gaspedal durchdrückt – ein beeindruckendes Reifenquietschen später steht ihr falsch herum auf der Fahrbahn und taucht die nähere Umgebung in eine dichte Qualmwolke. Nochmal: Das hier ist kein Need for Speed, sondern vielmehr Need for Fingerspitzengefühl, was die Benutzung von Gas und Bremse betrifft. Zu viel Gas = durchdrehende Reifen, zu viel Bremse = blockierende Räder. Wer hier binär handelnd auf die Strecke geht, wird das Lenkrad schon nach kürzester Zeit völlig frustriert und »Was, 90% für den Dreck?

Per Tastendruck (oder TrackIR-System) könnt ihr euch im 3D-Cockpit umsehen.

4Players stinkt!«-schreiend zu anderweitiger Software greifen. GTR 2 ist schwer, GTR 2 braucht, wie jede andere Simulation auch, viel Einarbeitungszeit – man kann es nicht oft genug betonen! Ebenfalls nicht unerwähnt sollte abermals bleiben, dass die Kulisse auf vollster Detailstufe selbst Rechner mit Vierfachauspuff zum Schluchzen bringt. Und dass das optische Endresultat nicht dem entspricht, was man erwarten könnte: Die Ladezeiten sind selbst mit zwei Gigabyte RAM erschreckend lang, die Grafik auf mittelprächtigen System nur so lange flüssig, wie keine anderen Fahrer auf der Strecke sind – spätestens wenn 36 Hobel an den Start gehen, ist oftmals Dia-Modus angesagt. Das Papp-Publikum ist genauso hässlich wie 1992, die gut animierte Boxencrew aus zweieinhalb Polygonen zusammengesetzt, die gelegentlich eingespielten Videos sind grobpixelig wie amerikanische Sims auf der Toilette.

Und doch: GTR 2 sieht super aus. Allerdings nur so super, wie es Kamerad Realität zulässt. Auf den Strecken gibt’s halt nicht viel zu sehen, hier geht mehr um zentimeter- und GPS-genau übertragene Strecken und perfekte Wagenmodelle. Und noch mehr feine Details: Da glänzt die Felge im Sonnenschein, da rinnt der Regentropfen über die Scheibe (übrigens, ohne von einem Scheibenwischer aufgehalten zu werden – merkwürdig), da wandern die Echtzeit-Schatten durch die 3D-Cockpits, da blenden die gleißenden Lensflares, die verschmitzt durch die Bäume hindurchstacheln, da glühen die Bremsscheiben nach einem beherzten Pedaltritt wütend

Die Crashphysik ist wenig glaubwürdig – besonders gut in den Replays zu erkennen.

orange auf. Und die Wagen, ja die Wagen: Ein Traum. Ausdrucken, einrahmen, an die Wand pappen, jeden Tag ein paar mal ansehen. Ist es in dem Zusammenhang nun gut oder schlecht, dass das Schadensmodell wie gewohnt zumindest optisch eher rudimentär daherkommt? Und so brillant die Fahrphysik sonst auch ist – die Crashes, besonders jene, bei denen ein Wagen mal abhebt, erinnern nach wie vor an die Benny Hill Show.

Die regelbare KI ist immer noch mustergültig, nutzt clever den Windschatten, macht glaubwürdige Fehler, muss genauso oft in die Boxengasse wie jeder andere Fahrer auch und kämpft um jeden Millimeter. Aber natürlich ist keine KI ein vollwertiger Ersatz für einen ins Lenkrad beißenden Menschen: Via LAN oder Internet dürft ihr in einem vollen Rennen gegen bis zu 27 Piloten antreten – aus GT Legends gewohnte Qualität, ohne die Lag-Probleme des direkten Vorgängers. Und natürlich haut auch wieder mal die Soundkulisse die Plomben aus den Zähnen: Im Menü dröhnen euch rockige bis orchestrale Klänge entgegen, im Wagen (wo es auf Wunsch auch Musik gibt) warten einige der besten Soundeffekte, die es je in einem Rennspiel zu hören gab. Allerdings klingen die Karren aus der Cockpit- und Kühlerperspektive völlig gleich, nur in der Außenkamera gibt’s eine Extraportion Motorenbrummeln. Dazu gibt es klar verständliche, deutsche Anweisungen aus der Boxengasse, die das aktuelle Streckengeschehen hilfreich kommentieren.