Klischees und ein Rätsel
Das soll nicht heißen, dass die Geschichte langweilig wäre. Einige Charaktere bieten unerwartet interessante Einblicke, mit jedem gewinnt die Handlung an Farbe. Von Romantik über Tragik bis hin zu einem alles durchdringenden finsteren Geheimnis ist alles dabei.
Nur mit dem seichten Humor konnte ich wenig anfangen. Über einige Gags habe ich geschmunzelt – wieso manche Spieler allerdings den Witz hervorheben, bleibt mir aber ein Rätsel. Auch Anspielungen auf die Gegenwartskultur, darunter aus Videospielen bekannte Klischees, sind zu wenig pointiert. Viel weniger als z.B. in dem westlichen Erzählspiel To the Moon.
Tragik statt Romantik
Nachdem ich ein paarmal den Abspann gesehen hatte, wollte ich deshalb aufhören. Ich war satt, etwas Wesentliches änderte sich durch die immer neuen Enden ja nicht. Da fragt mich das Spiel im x-ten Neustart, ob
ich die normale Geschichte erleben oder das „Versprechen“ erfüllen will. Und schau an: Nach ein paar der bekannten Entscheidungen kippt die Geschichte in eine völlig unvorhersehbare Richtung. Darüber schreiben kann ich kaum, weil es zu viel vorweg nehmen würde. Die Frage ist aber: Nimmt Hatoful Boyfriend damit Fahrt auf?
Zunächst tut es das tatsächlich. Denn mit Romantik hat die Erzählung jetzt kaum noch zu tun. Aus dem leichtfüßigen Geplänkel wird ein düsterer Krimi, wenn auch auf dem Niveau eines Groschenromans. Zumal ich die meisten Figuren bereits ausführlich kennengelernt habe. Das verstärkt Emotionen und mein Verständnis für ihre Tun. Zuvor unscheinbare Hinweise verdichten sich zu tragischen Ereignissen, eine Offenbarung ergibt die nächste…
Klack, klack…
Genau darin liegt aber das Problem. „Klack, klack, klack“ rattert die Leertaste jetzt noch schneller. „Klack, klack, klack, klack, klack“ stundenlang. Das Hundertste führt zum Tausendsten. Die Figuren jagen einer Mohrrübe
hinterher, die nach jedem Aufessen durch eine neue ersetzt wird. „Klack, klack.“ Einzelheiten, die ich nie erfahren wollte. „Klack, klack, klack, klack. Buchstäblich stundenlang dauert die Erzählung. Nicht schlecht oder? Je mehr Story, desto besser.
Oh, nein! Denn so gut ist die Geschichte bei weitem nicht. Das Jagen der Mohrrübe, das unbequeme Klackediklack an Maus oder Tastatur, während nur durchschnittlich gut geschriebene Texte über den Bildschirm ziehen, das ist kein Spiel, das ich spielen möchte!
„Du musst doch gar nichts machen. Dir wird doch alles vorgekaut.“ So heißt es irgendwann im Rahmen einer Anspielung. „Lehn‘ dich zurück und genieß‘ einfach“, scheint sie zu sagen. Doch das kann ich nicht, wenn sich mein Zutun auf das Anpeitschen von Bildschirmtexten beschränkt.
Stimmt tatsächlich. Allerdings habe ich mir in letzter Zeit aus Interesse verschiedene Visual Novels angeschaut - Steam empfiehlt mir sogar schon Visual Novels. Und Hatoful Boyfriend ist einfach die aktuellste davon (vom Europatermin ausgehend). Interesse ist also auf jeden Fall vorhanden - und im erweiterten Fall kann das auch mal als "heimisch" gelten. Man muss den Horizont ja auch mal erweitern.
Zumal im Fall von HF nun wirklich nicht alles rosig aussieht. Wie beschrieben hebt es sich durchaus durch einige Negativpunkte von anderen Lesespielen ab.
Lest einfach mal Fate/stay Night oder Steins Gate. Das sind Qualitäts VN´s.