Altmodisch & derb
Das durchgeknallte, kampf- und puzzlelastige VR-Spiel Trover Saves the Universe (83% im 4P-Test) sorgte für vergleichsweise wenig Aufsehen – High on Life, der neue Titel von Justin Roilands Spielestudio Squanch Games, spielt in dieser Hinsicht schon mal zwei Klassen höher. Im Juni dieses Jahres freuten sich viele Zocker über den Enthüllungstrailer, der das Xbox-Showcase gleich noch ein Stück bunter und wilder wirken ließ. Bunte Farben, schräge Aliens, das Versprechen auf Ricky & Morty-Humor und vor allem die sprechenden Knarren machten mich sofort neugierig – und natürlich musste auch ich an den 2005er Xbox-Shooter Oddworld: Strangers Vergeltung denken. Schon damals schlug man sich mit sprechender Armbrust-Munition herum, die ulkigen Tierchen waren das Aushängeschild des gelungenen Titels. High on Life erinnert mit seinem schrillen Alien-Setting und den handelnden Figuren irgendwie an den Spirit von College-Filmen oder Hauspartys der 90er Jahre. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass es heutzutage kaum hochwertig aussehende Ego-Shooter gibt, die so deutlich von der Standardformel abweichen – allein deswegen wirkt High on Life ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Im Jahr 2004, auf PS2, Cube und Xbox, hätte ich mich nicht so staunend nach einem derartigen Spiel umgedreht…
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Zu diesem Ansatz gesellt sich wirklich derber, zotiger Humor, der vor allem Fans von eben Rick & Morty oder South Park zum Glucksen bringen dürfte. Es hagelt Flüche und Beschimpfungen, viele Gags drehen sich um Drogen oder um Körperfunktionen und -flüssigkeiten – dazu haben die sprechenden Knarren so richtig Bock aufs Töten. Wer damit nicht warm wird und gar keine Lust auf einen Shooter hat, wo einem die Waffen permanent ein Ohr abkauen, der mache bitte einen großen Bogen um High on Life. Ihr solltet nämlich nicht nur dessen kreischbunten Look abkönnen, sondern auch wirklich Freude mit Dauerbeschallung, Chaos und stressigen Figuren haben. Könnt ihr das ab, dann hereinspaziert – mir hat diese Komponente des Spiels viel Freude bereitet. Ich fand es lustig, dass mein Haus in eine Alien-Welt gewarped wird und sich dort ein unflätiger Ex-Kopfgeldjäger mit Handycap auf meiner Couch breitmacht, um nonstop meine Schwester zu beleidigen. Obendrein gibt es witzige Meta-Gags, wie z. B. nervige Werbeeinblendungen im Helm meines Bounty-Hunter-Anzugs, und ein paar Features direkt aus Absurdistan: Im örtlichen Kino kann man sich den 90er-Jahre-Horrorfilm Demon Wind anschauen und auf der HD-Glotze im Wohnzimmer – das als eine Art Laber- und Missions-Hub fungiert – läuft die Horror-Komödie Tammy and the T-Rex, mit Denise Richards (Starship Troopers, James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug) und Paul Walker (Fast & Furious). In voller Länge!
Sagt Hallo zu Kenny!
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Früh im Spiel lernt ihr den ersten sogenannten „Gatlian“ kennen – das sind sprechende Knarren! Kenny labert, brabbelt, schimpft, erklärt, verhandelt, beleidigt. Ohne Ende! Selbst wenn euch der Humor taugt, könnte euch das zu viel werden – immerhin kann man im Optionsmenü die Kommentar-Häufigkeit herunterdrehen. Schießen kann Kenny zum Glück auch: Er ist eine Standard-Laserpistole mit einer zweiten Feuerfunktion, die Feinde für kurze Zeit in der Luft schweben lässt. Hoffentlich habt ihr Spaß mit Kenny, denn ihr werdet eine ganze Zeit lang nur mit ihm unterwegs sein.
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Mich hat das ziemlich gestört: Denn mal ehrlich, in welchem anderen Ego-Shooter ist man zwei, drei Stunden lang nur mit einer eher schwachen Pistole unterwegs? Genau! Aus Gründen! Gesellt sich dann die Ballerbraut Sweezy (nur echt mit Wimpern!) zum Waffenrad, wird es etwas abwechslungsreicher: Sweezy erinnert stark an den Needler aus Halo, mit der zweiten Funktion bringt man in Feinden steckende Projektile zum Explodieren – und eine Zeitblase hat sie auch noch am Start. Welche die restlichen Knarren sind, das will ich euch an dieser Stelle nicht verraten – doch seid vorgewarnt, dass ihr fast das komplette Spiele mit nur vier Totbringern bestreiten werdet. Das geht wegen der teils kreativen Zusatzfunktionen (Ansaugen, Feinde kontrollieren) noch in Ordnung – ich hätte mir aber dennoch eher so zehn Knarren gewünscht. Auch weil die Spielwelt und die Kämpfe eigentlich nach zwei, drei Wummen verlangen, die mehr Power und eine höhere Schussfreqenz bieten. Kurzum: Die Shoot-Outs fühlen sich gut an, mir mangelte es jedoch an richtig ratternden Waffen und an Vielfalt.