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Killer 7 (Action-Adventure) – Killer 7

Jetzt ist es passiert: Der Mainstream ist tot. Hättet ihr gedacht, dass Capcom so weit gehen würde? Dass die Japaner vor der versammelten Spielewelt auf ihn losstürmen und ihn kaltblütig massakrieren würden? Unglaublich. Killer 7 murkst mal eben die Gewohnheit ab. Einfach so. Blutig, böse, grinsend. Dabei gibt es doch überall Zeugen! Wir waren auch dabei und konnten unseren Augen nicht trauen.

© Capcom / Grasshopper Manufacture / Capcom / NIS America

Alles ist anders

Ich habe gerade ein Dutzend irre lachende Kreaturen mit gezielten Schüssen zur Hölle gejagt. Warum? Sie sind auf mich zu gerannt und wollten sich selbstmörderisch in die Luft sprengen. Mal abgesehen davon, dass das politisch und menschlich höchst unkorrekt ist, gehöre ich selbst zu einem Killerkommando der Psychoklasse. Ich bin eine 7-Mann-Armee, die diese Freaks im Auftrag der USA aufhalten soll. Sie nennen sich Heavenly Smiles und irgendein asiatischer Unterweltboss mit großem Terrorappetit soll dahinter stecken.

Das goldene Funkeln markiert die Schwachstelle der Feinde. Bei einem Treffer…

Er ist durchgeknallt mit Einfluss, ich bin schizophren mit Direktverwandlung. Das heißt, ich kann jederzeit in einen von sieben schwer bewaffneten Killern schlüpfen: Dan, Kaede, Kevin, Coyote, Con, Garcian, Mask de Smith – das sind die alternativen Rollen, die euch nach jedem Wechsel neue Angriffe und Spezialaktionen bieten. Kaede ist Scharfschützin und kann unsichtbare Wände einreißen; Coyote knackt Schlösser und springt wie ein Känguru, Mask ist Wrestler und ballert selbst Wände weg, Kevin ist ein Albino, der sich unsichtbar machen und mit Messern hantieren kann.

Trotzdem ist es dumm gelaufen: Einige Himmelsgrinser haben mich mit ihren Ganzkörperexplosionen erwischt. Ich bin verwundet und will abspeichern. Aber das geht gerade nicht. Zwar bin ich laut Karte am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit: Die Blondine vom Speicherservice vögelt gerade mit einem alten Mann im Rollstuhl. Darf das wahr sein? Was soll’s! Lange kann es nicht mehr dauern, denn sie stöhnt schon im Stakkato. Ach ja: Der kopulierende Alte ist übrigens Harman Smith, mein Kopf und Meister, der Big Daddy der Killertruppe, der am liebsten mit Panzer brechenden Raketen argumentiert.

Durchgeladen, durchgeknallt

Könnt ihr mir noch folgen? Seid ihr etwa verwirrt oder gar angewidert? Das ist gut so. Denn  Killer 7 spielt mit Extremen, lotet Grenzen aus. Es ist mal brutal, mal sexistisch, mal rassistisch. Es ist spielerisch ungewöhnlich, erzählerisch bizarr und grafisch einzigartig: Eine mutige Hommage an einen freien Comicstil, der sich mit breiten Flächen und scharfen Strichen auf das Wesentliche beschränkt. Die Welt wird fast nur noch in Umrissen angedeutet, die Figuren werden markant überzeichnet wie in japanischen Mangas. Die Kulissen mögen spartanisch, kalt oder gar fade erscheinen, aber das Hantieren mit Revolver und Doppelpistolen oder die Darstellung von Karatekicks wird genau so cool inszeniert wie die Spezialeffekte: Zeitlupen, Partikelfontänen, Verzerrungen, Verfremdungen – alles ist dabei.

Nicht nur die Grafik, auch das Spiel bricht mit bekannten Konventionen: Ihr könnt nur dann speichern, wenn die betreffende Lady am Ort bereit dafür ist – trägt sie Freizeitkleidung, hat sie keine Lust auf eure Daten. Das Spiel spielt mit euch, macht euch teilweise zur Marionette und manchmal hat man das Gefühl, dass es einen auslacht. Ihr bewegt euch nicht frei mit dem Analogstick wie in einem Shooter, sondern über einen Knopfdruck in Schulterperspektive auf festgelegten Wegen. Gezieltes Stöbern in Ecken oder Strafen? Gibt’s nicht. Freies Feuern? Fehlanzeige. Ihr müsst erst eure unsichtbaren Feinde scannen, die ihr meist nur anhand ihres Lächelns kurz vor dem Kampf identifizieren könnt. Ihr dürft euch immerhin schnell um 180 Grad drehen, eure Feinde automatisch oder manuell in Egosicht anvisieren. Aber ansonsten müsst ihr festgelegten Routen folgen. Wenn es irgendwo Kreuzungen, Gegenstände oder Rätsel gibt, werden diese sofort angezeigt. Und damit Orientierungsfrust nicht aufkommt, werden bereits besuchte Wege oder gelöste Aufgaben deutlich markiert.

…lösen sich die Gegner sofort in einem Blutpartikelregen auf, der automatisch eurem Konto gutgeschrieben wird.
Actionorgie & Rätselkost

Die intensive Action ist nicht umsonst nur für Erwachsene freigegeben, denn sie fackelt eine Orgie der Gewalt ab: Ihr könnt eurem grinsenden Feind z.B. gezielt das Bein wegschießen, so dass er zu Boden fällt und auf euch zurobbt. Mit Spezialmunition bleiben auch Arme und Kopf nicht lange an ihrem Platz, Granaten sorgen für lebende Fackeln und es kann in einem Bosskampf passieren, dass ihr in einen geöffneten Schädel zielen müsst.

Aufgelockert wird die Projektilorgie immer wieder von Erkundungen auf Dächern, im Freien oder Räumen sowie Rätseln. Es gibt sehr viele, interessante und skurrile, aber leider auch sehr viele leichte Knobelsituationen. Wenn ihr in einer Sackgasse eine bestimmte Fähigkeit einer Person benötigt, wie z.B. die Sprungkraft von Coyote, wird das schon auf der Minikarte über sein Icon angezeigt. Wenn ihr vor einem Logikrätsel steht, wird es euch erklärt. Wenn ihr eine Zahlenkombination braucht, wird sie euch überdeutlich vorgestellt. Diese Leichtigkeit lässt einen zwar locker vorankommen, aber die Rätsel hätten entweder besser in die Story eingeflochten oder komplexer sein müssen, um richtig zu begeistern. Man kann dem etwas entgegen wirken, indem man von Beginn an den höheren der beiden Schwierigkeitsgrade wählt. Aber dann sind auch die Gegner härter, das Blut fließt seltener.