Ich freue mich außerdem, in einem Adventure mit Telltale-Formel wieder richtige Rätsel zu lösen. Wie bringe ich Victoria, die Zicke der Schule, etwa dazu, den Weg frei zu geben? Wie komme ich an einem umgestürzten Baum vorbei, der mir den Weg versperrt?
Die Antwort ist meist an das Zurückspulen der Zeit gebunden. Oft beobachtet Max nämlich das Geschehen, bevor sie weiß, was geschehen wird – über das Gesehene oder Gehörte ergibt sich beim erneuten Erleben eine Lösung. In Dialogen kennt sie dann z.B. die richtige Antwort. Eine Pappe schiebt sie beim zweiten Mal unter den Schrank, bevor der Schlüssel darunter fällt. Und unter dem umstürzenden Baum schlüpft sie hindurch, weil sie sich vor dem Zurückdrehen der Zeit direkt davor stellt.
Rätsel der Zukunft
Entscheidungen, die den Fortlauf der Geschichte beeinflussen, ähneln denen der Telltale-Geschichten. Anders als z.B. Clementine kann Max ihre Wahl allerdings in Ruhe treffen. Und natürlich kehrt sie zum Punkt der Entscheidung zurück, falls sie im Nachhinein einen anderen Weg gehen will. Innerhalb einer Szene darf sie das beliebig oft wiederholen.
Der Clou daran: Die Konsequenzen sind im Verlauf einer Szene, ja die komplette Episode über, kaum absehbar. Ich spiele also nicht jede Möglichkeit durch, um irgendwann das bequemste oder moralisch einwandfreie
Ergebnis zu wählen. Vielmehr muss ich eine Entscheidung fällen, die ich am besten mit meinem Gewissen oder meiner Gefühlswelt vereinbaren kann.
Stichpunkt und Wirklichkeit
Im Grunde fällt die Entscheidung also vor der Wahl, nicht nach dem Abklappern aller Varianten. Das Zurückspulen ist daher keine Spielkrücke. Es könnte lediglich verhindern, dass man sich überrumpelt vorkommt, weil das erwartete Ergebnis eines Stichpunkts nicht der tatsächlichen Antwort von Max entspricht. Ich kenne solchen Frust aus The Walking Dead.
Nicht zuletzt nutze ich in Dialogen gewonnene Informationen in weiteren oder wiederholten Unterhaltungen. Statt der arroganten Victoria gibt so Max z.B. ihrem Dozenten die richtige Antwort. Viele Lösungen erschließen sich auch über das genaue Beobachten der Umgebung und einige Rätsel sind echte Kopfnüsse, obwohl ich sie gar nicht lösen muss – ein Detail, das die Welt lebendig macht. Nicht jede Erkenntnis sollte Max dabei unverblümt ansprechen. Auch das ist ein cleveres dramaturgisches Mittel!
Kleiner Schluckauf
Im Gegenzug sind viele der Aufgaben, die Max zum Vorankommen lösen muss, leider zu einfach. Vielleicht platziert Dontnod echte Kopfnüsse nur „abseits“ des roten Fadens, um Gelegenheitsspieler nicht zu
verschrecken. Eine Idee anspruchsvoller könnten die Rätsel allerdings sein. Gelegentliche Grafikfehler erinnern zudem an kleine Ärgernisse der Telltale-Geschichten.
Bulle und Sternchen
Die größte Schwäche sind jedoch die vielen stereotypen Charaktere, allen voran die übertrieben zickige Victoria und die betont rebellische Chloe. Zu abrupt wechselt Chloe vom schmerzhaften Verlust ihrer Freundin Rachel zur sorglosen Leck-mich-am-Arsch-Attitüde. Eine Idee zu grob reagiert ihr paranoider Stiefvater, zu einfältig brummt der bullige Football-Star.
Übertrieben hat Dontnod zudem das Kennerlernen der vielen Figuren, mit denen ich mich im Mittelteil der Episode unterhalte. Ich bin ohnehin kein Freund des Adventure-typischen „Hey, wer bist du? Erzähl mir, was du hier tust!“ und Life Is Strange strapaziert genau das beinahe über. Hoffentlich ist dies eine Notwendigkeit des Einstiegs, für die es in den kommenden Episoden keinen Bedarf mehr gibt.
Natürlich egalisiert das Ende im gewissen Sinne alles was davor passierte. In diesem Sinne kannst du dir auch Filme wie Butterfly Effect und Zurück in die Zukunft oder Bücher wie die 'Der Turm'-Reihe von King schenken. Und in vielen Geschichten lässt sich am Ende auch ein Untergangsszenario nicht abwenden, von daher ist die Mühe auch da generell umsonst. Darum geht es doch aber überhaupt nicht. Das Ende ist hier viel mehr eine Moralfrage. Was ist dir am Ende wichtiger? Und viel mehr ist doch die Reise dahin entscheidend, wie du dich auf den Weg dahin verhälst, Wenn du alles bis dahin überspringst, brauchen wir gar nicht darüber reden, denn die Entscheidung wird überhaupt nur dann relevant, wenn man das alles vorher durchgemacht hat. Opferst du wirklich eine ganze Stadt, um eine Person am Leben zu erhalten? Oder reist du zurück und machst dadurch alles zunichte, was du dir das ganze Zeit über so mühsam versucht hast aufzubauen und lässt dabei deine beste Freundin/Geliebte sterben? Und klar, natürlich, wenn du weißt dass am Ende eh alles für die Katz ist, dann kannst du dich ansich auch wie das letzte Arschloch verhalten oder Amok laufen. Aber a) weiß das der Charakter zu dem Zeitpunkt nicht und b) selbst wenn, ist es immer noch eine Typfrage, wie du dich bis dahin verhälst.
Und die angesprochenen Szenen: Max Kräfte sind hier noch recht neu und sie kann kontrolliert nur wenige Sekunden in der Zeit zurück. Das reicht zu mindest aus um bspw. die Szene mit Chloes Stiefvater so abzuändern, dass es auf verschiedene Arten abläuft. Aber halt auch nicht weit genug zurück um sie komplett zu verhindern. Wie auch? Selbst wenn du den Joint entsorgst, liegt der Duft längst in der Luft und wird wahrgenommen. Weiter zurück kommst du ja nicht. Wobei ich dir da durchaus auch Recht gebe, dass die Einsatzmöglichkeit ihrer Kräfte schon etwas zu sehr davon abhängig ist, wie es dem Spiel denn gerade passt und mitunter inkonsistent wirken.
ich habe mir jetzt die ersten beiden Episoden angetan (kannte das Ende aber schon durch Youtube, weswegen ich das Spiel eigentlich nicht spielen wollte:
1) Inkonsequenz: Ich kann durch die Zeit zurückreisen, was ja eine wirklich nette Idee ist, aber das Spiel baut heftige Grenzen auf. Bestes Beispiel in der Dusche, während Max's Zimmer durchsucht wird. Ich dachte mir: Hey, kein Problem, ich sprule einfach die Zeit zurück und sehe dann ja, wer mein Zimmer durchsucht hat. Pustekuchen. Ich dachte mir: Wenn ich bei Chloes Bude die Zeit zurückdrehe, kann ich sie warnen, bevor ihr Vater sie erwischt. Pustekuchen. Und das sind nur zwei Beispiele von mehreren.
2) Künstliche Grenzen: Ich stehe vor dem Diner und kann mich keine zwei Meter davon entfernen, ohne dass Max sagt: Nö, da will ich nicht hin.
3) Das Spiel startet quasi mit dem Tagebuch und "verlangt" von mir, erst einmal 8 Seiten zu lesen. Way to go, Gamedevs!
4) Klischees über Klischees. Wirklich, das ganze Spiel spielt sich wie eine 90er Jahre-Serie, und das ist KEIN Kompliment! Am schlimmsten ist wirklich immer noch Chloe, die natürlich eine Rebellin sein muss, weil sie kifft und die Haare blau gefärbt hat. Ich kenne keinen Punk, der seine Bude so verkommen lässt, außer vielleicht Hausbesetzer. Ich kenne auch keinen Punk,...
Die Punkte die du aufzählst sind nicht schlimm mMn nach, spiele sonst sehr viele Jrpgs und da ist es ja leider meistens auch so, wie bei telltale und trotzdem wurde ich immer gut bis sehr gut unterhalten.
Mich hat auch beyond two souls abgeholt und am ende hab ich sogar ne kleine träne verdrückt, da Life is strange von vielen als das bessere Erlebnis angesehn wird, mach ich mir da keine großen sorgen. BIn selber erst 2 Jahre von der Uni weg, also kann man sich evtl doch noch passbel reindenken ; )Bin besonders auf das Rückspuhlfuture gespannt, weiß nicht, ob mir das den spielspaß nicht ruiniert, da das gerade bei telltale gut war, weil man mit seinen entscheidungen leben musste.
Ah, okay, dann war das Copy and Paste wohl etwas übereifrig. : D
(Naja, lesen's hier vielleicht auch ein paar andere...)
Bei all meiner Begeisterung will ich vorsichtshalber nur nochmal anmerken, dass das Spiel natürlich auch ein paar Schwächen hat, die ich gar nicht bestreiten will:
- Oft maue Gesichtsanimationen (was gerade bei so einer emotionalen Erzählung auffällt)
- An ein, zwei Stellen etwas gekünstelte (Dialog-)Regie
- Entscheidungen oft eher passiv und mit eher dezenten Auswirkungen (allerdings nicht so schlimm wie bei Tell Tale)
Das sollte man vllt. im Kopf behalten, ehe man bei meiner obigen Lobeshymne nun ein perfektes Spiel erwartet.
Aber diese Kritikpunkte waren mir schlussendlich eben völlig schnurz, da mich das Spiel emotional bewegt hat wie kein anderes. Und das ist wirklich (mit) das größte Lob, das ich einem Spiel machen kann.
Da hängt es dann natürlich auch davon ab, wie viel man (auf emotionaler Ebene) mit der Coming of Age Thematik im College-Setting anfangen kann. Bei mir hat das komplett gezündet, während ich die Geschichte von The Last of Us als extrem mau und generisch empfand, was viele andere Spieler, die von TLOU begeistert sind, hingegen Life is Strange vorwerfen und es als "Teenie-Schmonzette" bezeichnen.
Ist bei so einem auf gefühlvoll inszenierte Erzählung ausgelegten Spiel/VN letztlich eben schlicht arg subjektiv.
Deshalb bin ich auch jetzt schon auf dein Fazit gespannt. : )