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Lords of the Fallen(Action-Rollenspiel) – Mausgraue Mittelklasse oder Soulslike-Schwergewicht?

Als Lords of the Fallen vor fast zehn Jahren in den Ring stieg, hatte Dark Souls erst drei Jahre auf dem Buckel und das Genre des „Soulslikes“ steckte noch in den Kinderschuhen. Der damals vom deutschen Entwicklerstudio produzierte Titel trat mit großen Tretern in die Fußstapfen From Softwares und bediente sich bereitwillig an der Vorlage. Trotzdem schien es mit der Schuhgröße nicht so recht zu passen: Ein Kampfsystem, das schwerfällig wirkt, aber sich spielt, als würde man auf Seife durch die Gegend schlittern, eine langweilige und undurchdachte Riege an Bossgegnern sowie generisches Level-Design sorgten für eine sehr holprige Erfahrung. Mit mehr als drei Millionen verkauften Einheiten war Lords of the Fallen trotzdem ein kommerzieller Erfolg und daher verwundert es nicht, dass Publisher CI Games die Marke noch nicht aufgeben wollte. Entsprechend durfte sich nun das hauseigene Studio Hexworks ans (Hexen-)Werk machen und das Soulslike mit einem Reboot nochmal ins Rampenlicht stellen. Wir haben uns knapp 40 Stunden lang durch Axiom und Umbral geschnetzelt und verraten im Test, ob der zweite Versuch gelingt oder Lords of the Fallen erneut über die Genre-Stiefel stolpert.

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Eine Lebensleiste macht noch keinen Bosskampf
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Den Mund zu voll genommen: Nur ein kleiner Teil der 30 Endgegner hat diese Bezeichnung auch verdient. © 4P/Screenshot

Das von mir sezierte Kampfsystem kommt natürlich nicht nur bei normalen Begegnungen, sondern auch bei Bossen zum Einsatz und die sind in Lords of the Fallen zahlreich vorhanden. Mit 30 Endgegnern hatte der offizielle Twitter-Kanal erst vor wenigen Tagen geworben und meint damit offensichtlich alles, was eine Lebensleiste verpasst bekommen hat und in einen abgeschlossenen Raum gestopft wurde. Brüsten sollte man sich mit einer solchen Anzahl aber nur dann, wenn ein Großteil davon auch qualitativ hochwertig ist und sich nicht mit den beiden Attributen zusammenfassen lässt, die ich eben eingeworfen habe. Denn eine Lebensleiste macht noch keinen Bosskampf und ein Standardgegner, der zusammen mit drei Hunden in einer Arena auf mich wartet, kein herausforderndes oder gar spaßiges Erlebnis.

 

 

Leider trifft genau das auf einen Großteil des Boss-Büffets von Lords of the Fallen zu: Unzählige Endgegner werden eine halbe Stunde(!) nach ihrer Begegnung zum Standard-Schwertfutter degradiert und haben entsprechend unterkomplexe Angriffsmuster. Klar, wie käme man auch durch die Gebiete, wenn Bosse wie Schwester Friede (Dark Souls 3) oder Pater Gascoigne (Bloodborne) als normale Gegner herumlaufen würden? Für mehr „Herausforderung“ sorgt dann ab und an das erwähnte Hunde-Duo oder -Trio, die aber nur eine nervige Ablenkung darstellen (und glücklicherweise nicht den klaustrophobischen Albtraum des Capra-Dämons aus Dark Souls heraufbeschwören). Mit dem Wort „unspektakulär“ lassen sich die meisten Bosse wohl am besten beschreiben, und das ist besonders deshalb so bedauerlich, weil die im Soulslike-Genre meistens eigentlich als Highlight gehandhabt werden.

 

Die als Standard-Soldaten recycelten Bosse helfen leider nur geringfügig dabei, die geringe Gegnervielfalt zu kaschieren. Immer und immer wieder messe ich mich mit denselben Schildträgern, denselben Hunden, denselben Typen mit Doppeläxten, oder denselben willenlosen Marionetten aus Umbral. Ein Dutzend Feinde wird über fast alle Areale hinweg verwendet und nur wenige gebietsgebundene Gegner wie frostige Bogenschützen oder giftspuckende Pestdoktoren sorgen für Abwechslung. In einem 35 bis 40-stündigen Spiel, in dem der Fokus fast ausschließlich auf den Kämpfen liegt, ist das einfach zu wenig, um aufkommende Monotonie zu verhindern.

 

 

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Dieser Kollege gehört zu den würdigeren Vertretern und fährt eine Reihe an verschiedenen Angriffen auf, bei denen sich das Lernen der Muster noch lohnt. © 4P/Screenshot

Ein paar Perlen haben sich zwischen den sonst lahmen Bossen dann aber doch versteckt und konnten mich wahlweise mit interessanten Ideen, einer coolen Inszenierung oder knackigen Konfrontationen beeindrucken. Ein Attack on Titan-Verschnitt beispielsweise, der nach ein paar Schlägen gegen seine mächtigen Latschen den Boden mit Lava überschwemmt und mich auf eine Reihe an Podesten zwingt. Oder ein strahlender Ritter, der sich in der zweiten Phase in eine groteske Gestalt verwandelt. Und dann wäre da noch eine Lichtkriegerin, bei deren Angriffen ein herrlicher Ausweichrhythmus entsteht und mich sofort daran erinnert, warum man die besten Soulslike-Kämpfe gerne mal als elegante Tänze bezeichnet. Vergleicht man Lords of the Fallen mit anderen Soulslikes, sind allerdings nicht nur die Bosse, sondern auch der Rest des Spiels, eher leichterer Natur. Stundenlange Straßenblockaden wie der Namenlose König aus Dark Souls 3 oder der Schwertheilige Isshin aus Sekiro sind mir hier jedenfalls nicht untergekommen, nach maximal zehn, meistens eher fünf Versuchen lag jeder Endgegner im Staub.

 

 

Wundersames Weltenwandern

Abseits von dem eng geschnürten Genre-Korsett, in das sich Lords of the Fallen hineingezwängt hat, bringt das Spiel aber auch noch eine ganz eigene Idee mit und deren Umsetzung ist tatsächlich ziemlich gelungen. Bereits in den ersten Minuten gibt mir Lords of the Fallen neben einem Schwert nämlich auch eine Laterne in die Hand, die mir erlaubt, Umbral, die Welt der Toten zu sehen und zu betreten. Halte ich die Lichtquelle in die Höhe, bekomme ich einen Einblick in das verzerrte Reich, in dem bizarre Wurzelkonstruktionen, zahlreiche Augen und gigantische, herumsitzende Schauergestalten Teil der Landschaft sind. Ich kann auch vollständig nach Umbral wechseln, doch das bringt seine Risiken mit sich: Zunächst einmal ergraut meine halbe Lebensleiste bei einem Weltensprung und kann zwar durch erfolgreiche Schläge gegen Feinde wiedererlangt werden, doch schon der kleinste Gegentreffer kostet mich den gesamten grauen Bereich.

 

 

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Garstiges Unkraut: Diese Augenblumen müsst ihr durch Entfernung der Wurzeln aus dem Umbral-Boden rupfen, um eure Reise fortzusetzen. © 4P/Screenshot

Hinzu kommt, dass meine Heilung in der Welt der Toten reduziert wird und ich nur an bestimmten Punkten sowie den Überresten, wie man die Checkpoints in Lords of the Fallen getauft hat, wieder nach Axiom, der Welt der Lebenden, zurückkehren kann. Halte ich mich für längere Zeit in Umbral auf, löse ich einen Multiplikator aus, der den Erhalt der Erfahrungspunkte erhöht. Gleichzeitig steigt nach und nach die Anzahl und Stärke der Gegner, symbolisiert durch ein blaues Auge am rechten Bildschirmrand, das sich bei äußerster Gefahr rot färbt und dann sogar den Einsatz von Heilgegenständen verhindert. Eine spannende Mechanik, bei der hohes Risiko belohnt und überschätztes Selbstvertrauen bestraft wird.

 

 

Nicht nur, dass sich ein Ausflug in die Welt der Toten lohnt – er ist auch nötig. Weil in Umbral einige Türen oder Gitter nicht vorhanden und Brücken noch intakt sind; schwebende Plattformen darauf warten, mit einem beherzten Schwung der Laterne zu mir herangezogen zu werden; und versperrte Wege mit dem Zerstören von widerspenstigen Wurzeln freigelegt werden wollen, ist eine Nutzung der Totenwelt zum Weiterkommen unerlässlich. Dadurch entsteht das ein oder andere Puzzle, das die grauen Zellen zwar nicht anstrengt, geschweige denn überstrapaziert, aber zumindest für eine kurze Verschnaufpause abseits vom actionreichen Alltag sorgt. Umbral-Parasiten, die an ausgewählten Feinden kleben und diese vor Schaden schützen, lassen sich hingegen auch mit einem Einsatz der Laterne ohne Wechsel beseitigen.

 

 

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Nicht nur eine Gefahr für naive Abenteurer: Wer unbedarft jeden Gegenstand aufhebt, schaut alle Nase lang in das Maul einer fiesen Mimic. © 4P/Screenshot

Darüber hinaus beeinflusst Umbral auch das Kampfsystem: Segnet ihr auf dem Schlachtfeld das Zeitliche, geht es nicht direkt zum letzten Checkpoint zurück, sondern erst einmal in die Welt der Toten. Hier dürft ihr so lange weiterspielen, bis ihr ein zweites Mal sterbt, oder euch über die erwähnten Möglichkeiten zurück in die Welt der Lebenden befördert – in Bosskämpfen ist letzteres natürlich nicht möglich. Die Wechsel zwischen Umbral und Axiom funktionieren nahtlos, lassen mich die Umgebung von Lords of the Fallen wortwörtlich in einem neuen Licht sehen und verleihen dem sonst so klassischen Soulslike zumindest in gewisser Hinsicht eine eigene Identität: Ein gelungenes Feature! Nur die als Gegenstände getarnten Mimics, die sich nur äußerst schwer an einem leichten Unterschied beim Lichtschweif und einem minimalen Blinken erkennen lassen, meine gesamte Lebensleiste mit ein paar herzhaften Bissen grau färben und mich dann nach Umbral befördern – die hätte es nun wirklich nicht gebraucht.

 

Kommentare

98 Kommentare

  1. Jau, das ist halt in der Tat ziemlich peinlich. Übrigens genau wie das Voice-Acting im jüngst gespielten Elex, das echt über den ganzen Platz verteilt ist. Aber ich schweife ab ...

  2. LeKwas hat geschrieben: 04.02.2024 15:22 Der ist ein peinliches antiklimatisches Desaster
    Da du das jetzt zum zweiten Mal schreibst, mein innerer Grammar-Nazi ganz aufgeregt auf und ab hüpft und ich dich nicht dumm sterben lassen will, zumal ich eh der Meinung bin, dass man am besten lernt, wenn man korrigiert wird ...
    Es heißt NICHT ANTIKLIMATISCH, es sei denn du willst vielleicht sagen, dass die Viecher beim Zuhauen oder Sterben zu viel CO2 ausstoßen.
    Es heißt: ANTIKLIMAKTISCH. Kommt von Klimax, wie man sich wahrscheinlich denken kann.
    So, ich hoffe ich konnte bei diesem kleinen Malheur aushelfen. :slight_smile:

  3. Ein paar Eindrücke hab ich im VDST schon gepostet, ich schließ es hier mal mit nem kleinen Fazit ab. Würd Lords of the Fallen insgesamt wohl iwas um die 6 / 10 geben. Falls einige Probleme noch gepatcht werden sollten in Zukunft, könnt man auch auf 7 / 10 hochgehen.
    Auf der Pro Seite:
    - Grafik, Atmosphäre, Artstyle: Das ist 1A, außerhalb vom Umbra jedenfalls, dort sinkt der Eindruck etwas. In Previews wurde das Teil oft ein Dark Souls 3 Klon genannt, nun ja, es gibt viele unübersehbare Parallelen, aber auch ein paar eigene Akzente. Diese Büßergewänder mit Dornenkränzen und Spitzhüten und -helmen erinnern stark an Blasphemous, was nicht von ungefähr kommt, an beiden Spielen haben auch spanische Artdesigner gearbeitet, die Referenzen an diese spanischen Büßergewänder und Sanbenitos zu Zeiten der Inquisition einbauten.
    Die Heiligen Homies sehen auch sehr viel interessanter aus als die Dämonen, letztere wirken im Vergleich etwas generisch.
    - Audio- und Sounddesign: Das ist auch echt gut, sei es Waffensounds wie auch Umgebung. Manchmal aber kommt es dazu, dass ein Bug Umgebungsgeräusche teilweise verstummen lässt.
    Die Musikbegleitung ist ok, aber auch eher so generische Fanatsymucke, die sich nicht im Gedächtnis verankert.
    - Vernetztes Welt- und Leveldesign: Fand ich auch gut, man schaltet immer wieder Abkürzungen frei, landet an bekannten Stellen und Umbralaternen zum Heilen. Man kann auch diese Umbrasetzlinge als temporäre Leuchtfeuer setzen, ist dafür jedoch auf eine begrenzte Ressource angewiesen, muss sich also immer wieder überlegen, wo man diese setzt, oder wo man mehr riskieren möchte.
    - Synchronsprecher: Die sind gut (wenn auch nur in Englisch). Wer auch immer z.B. diese sich selbst geißelnde rumbrüllende Aggro-Schwester mit der Blechdose aufm Kopp vertont hat, ich hätt die gerne bei dem nächsten Warhammer Game dabei.
    - Schwäche, temporäres Leben: Ist ne interessante Mechanik, die teilweise an Bloodborne angelehnt ist, beim Blocken oder Parieren oder wenn man...

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