Pilzköpfe mal anders
Die Geschichte beginnt mit einem Meteoriten, der auf seinem Weg durch die Atmosphäre zersplittert und unbemerkt von der Menschheit die Erde mit einem grünen Staub bedeckt. Dieser Staub hat bei einigen Pflanzen und Pilzen zu Mutationen geführt: Sie können sich nun frei bewegen, denken und haben ein Bewusstsein. Doch wo ein Bewusstsein ist, sind Konfrontationen meist nicht fern, so dass sich die Gewächse in zwei Lager spalteten. Die einen wollen ein unauffälliges,
friedliebendes Leben führen, während die zweite Gruppe nur eines will: Macht. Macht, die in Form von Meteoritensplittern überall in ihrer Umgebung verteilt ist. Der zu den Friedliebenden gehörende Pax wird durch einen unglücklichen Zufall in diesen Sporenkrieg hineingezogen und muss sich als Retter der Welt beweisen.Die Welt der Mushroom Men erinnert mit ihrem stimmungsvollen Artdesign immer wieder an Tim Schaffers Klassiker Psychonauts.
Hüpfen wie gehabt
Und damit beginnt ein hinsichtlich der Mechanik mit nur wenigen Ausnahmen sehr konservatives Abenteuer, das einen in der Rolle von Pax durch die große unbekannte Welt laufen, hüpfen, erforschen und gegen andere Sporenformen sowie weitere durch den Meteorstaub veränderte Geschöpfe oder herkömmliches Ungeziefer wie Kakerlaken oder Spinnen kämpfen lässt. Dabei wird ähnlich wie in THQs Deadly Creatures durch die ungewohnten Größenverhältnisse eine beinahe außerirdische Welt geschaffen. Obwohl man natürlich Waldgebiete, Garagen, Wohnwagen etc. kennt – nur nicht aus dieser Perspektive.
Dabei verlässt man sich aber im Gegenzug zum in dieser Hinsicht ähnlichen Deadly Creatures nicht auf einen wirklichkeitsnahen Stil, sondern geht mit dem Artdesign einen cartoonigen Weg. Leicht überzeichnet, aber dennoch unverkennbar, mit was man es jeweils zu tun hat, wird durch das immer wieder an Tim Schaffers Psychonauts erinnernde Design der herrlich verschrobene Storyansatz unterstützt. Und man kommt nicht in Erklärungsnot, wenn man mit weiteren „unmöglichen“ Spezialfähigkeiten konfrontiert wird.
So kann Pax z.B. telekinetisch aktiv werden, wenn auf bestimmten Gegenständen Meteorspuren zu finden sind. Diese Manipulation der Umgebung wird für leicht zugängliche Schalterrätsel und zur Abwehr von Gegnern genutzt. Denn ein aufgenommener Baseball z.B. wird auch in den telepathischen Händen einer knapp zehn Zentimeter großen Morchel zu einer gefährlichen Waffe.
Außerdem kann Pax an bestimmten Punkten, die kontextsensitiv markiert sind, entweder mit einem „Sporengummiband“ andocken und so entweder große Strecken schnell überbrücken bzw. höher gelegene Areale erreichen. Oder aber er kann Pflanzen beeinflussen und damit z.B. ein Blatt-Trampolin oder einen Blätterfahrstuhl aktivieren. Dies alles allerdings immer nur an vorgesehenen Punkten.
Die kämpfende Erforschung
Mit diesen Aktionsmöglichkeiten sowie seinen Sprung- und Schwebefähigkeiten setzt man auch hier einen soliden Grundstein für das Pilz-Abenteuer, zu dem natürlich auch Erforschung der Umgebung gehört.
Und es gibt allerlei Kleinkram, den man in seine Sammlung aufnehmen kann: In den Abschnitten sind insgesamt über 80 Meteorteile verteilt, die Pax in bestimmten Mengen jeweils ein Gesundheitsupgrade spendieren. Levelspezifische Sammelobjekte wie kleine Skelett-Schädel im Wohnwagen oder Schildkröteneier im Sumpf schalten Bonus-Artworks frei.Es warten nicht nur pflanzliche Gegner, sondern auch mutierte Fauna.
Richtig interessant wird es jedoch erst mit den in „Überraschungseiern“ versteckten Alltags-Gegenständen wie Murmeln, Bindfaden, Büroklammern etc. Damit nämlich kann man Waffen in vier Kategorien und fünf Stärken basteln.
Bis hierhin klingen die Sporenkriege nach einem vielleicht nicht besonders einfallsreichen und mehr als soliden Hüpfvergnügen. Und dieser Eindruck bleibt auch nach gut zwei bis drei Stunden noch bestehen. Es macht Spaß, sich mit dem Zwerg Pax durch die uns bekannte „große“ Welt zu bewegen, Teile für die Waffen zu sammeln und das Rätsel der Meteorsplitter zu lösen.
Abnutzungserscheinungen
Doch irgendwann ist die anfängliche Faszination verflogen, die sich durch das ungewöhnliche Design, die unbekannten Welten und nicht zuletzt auch durch den jazzig-swingenden, unheimlich coolen Soundtrack entsteht, der sich an Monsterfilme der 50er-/60er Jahre anlehnt.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Dazu gehört z.B., dass man bei der Erforschung irgendwann ein Gespür dafür entwickelt, wo die Entwickler die entscheidenden Gegenstände etc. versteckt haben. Sprich: Man wird auf lange Sicht kaum noch überrascht.
Und der wohlwollend aufgenommene Anspruch, der sich auf dem Weg zum Hauptziel sowie den zu findenden Gegenständen einstellt und der alle zur Verfügung stehenden Fähigkeiten von Pax fordert, wird durch ein Kombinationsproblem von Kameraführung und ungenauer Kollisionsabfrage unnötig gesteigert. Während man damit beschäftigt ist, den Blickwinkel und die Position von Pax so zu justieren, dass man die „Gummi-Andockstation“ sehen kann, wird der Fußboden von einem Millimeter auf den nächsten (nicht erkennbaren) Millimeter so abschüssig, dass man über die Kante gleitet und sich erneut an den mitunter langwierigen und mühsamen Weg an die Position macht. Dies passiert zwar immer wieder, aber letztlich dann doch nicht so frustrierend häufig, dass man die Remote-Morchel ins Gras wirft. Es macht aber beispielhaft deutlich, dass die Mushroom Men deutlich mehr Potenzial hatten.
In diesen „Ü-Eiern“ verstecken sich Teile für das reichhaltige Waffenarsenal.
Wie z.B. auch das Kampfsystem: Nicht nur, dass die verschiedenen Waffenarten an Bedeutung verlieren, da die ohnehin nicht sehr variabel vorkommenden Gegner keine besonderen Anfälligkeiten zu haben scheinen. Der Kampf ist zudem noch enorm anspruchslos. Wildes Rumgefuchtel führt mit Ausnahme der interessanten Bosskämpfe, die auch mal strategische Planung und geschickte Positionierung der Figur fordern (wenn die Kamera mitspielt), immer zum Erfolg. Vor allem, wenn man sich gleichzeitig die „Deckungstaste“ zu Nutze macht, mit der Pax seinen Hut als Schutzschild verwendet.
Auch das Zusammenbauen der Waffen, nachdem man alle nötigen Gegenstände gefunden hat, ist ein gutes Beispiel für verschenktes Potenzial: Anstatt mit einem kleinen Minispiel zu punkten, in dem man vielleicht sogar die Stärke der Waffe basierend auf dem Ergebnis leicht verbessern (oder eben auch verschlechtern) kann, drückt man einfach einen Knopf und die Waffe steht ab sofort zur Verfügung.
Und dennoch: All diesen Mankos zum Trotz hätte Pax sich eigentlich ein „Gut“ verdient. Die Technik ist makellos, das Artdesign stimmig und trotz inhaltlich verschenkten Potenzials zieht man gerne mit dem charmanten Weltenretter durch die Nachbarschaft, bis der Abspann über den Bildschirm läuft. Doch hier zeigt sich bereits das nächste Manko: Der hüpf- und kampflastige Sporenkrieg ist nach gut fünf Stunden vorbei. Will man wirklich auch das allerletzte Geheimnis erkunden, kann man nochmals gut zwei bis drei Stunden draufpacken. Das Spielerlebnis wird dadurch allerdings nicht besser. Wie auch nicht durch den an Super Mario Galaxy erinnernden Koopartiv-Modus, in dem ein zweiter Spieler ohne eigene Spielfigur helfend eingreifen kann.
*hervorhol*
Habs letztens durchgespeilt. imo eine angemesse Wertung.
Gutes Spiel, aber recht kurz. Wer nach einem neuem Jump'n'Run sucht kann ruhig mal einen Blick wagen.