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Need for Speed: Most Wanted (Rennspiel) – Need for Speed: Most Wanted

Es gibt viele Studios, die sich für Electronic Arts an Need for Speed versucht haben – einige davon mit nur mäßigem Erfolg. Mit dem letzten Arcade-Ableger der ruhmreichen Serie unter der Leitung der Burnout-Macher von Criterion kehrte man jedoch zu alter Stärke zurück. Der neueste Teil Most Wanted soll beweisen, dass dies keine Eintagsfliege war.

© Criterion Games / Electronic Arts

Wechselbad der Gefühle    

Überhaupt hetzt mich Most Wanted als bekennender Paradise-Fan durch ein emotionales Wechselbad. Ich jubele (wenngleich manchmal nur im Stillen), wenn mich die wahnwitzig schnell an mir vorbeizischende Kulisse den Kopf einziehen lässt, ich einen Tunnelblick bekomme, durch die Kurven gleite oder zu einem gezielten Drift ansetze – und das alles, ohne auch nur ein bisschen Kontrolle zu verlieren. Die Steuerung ist punktgenau, die

Den Need for Speed-Wurzeln sind die lizenzierten PS-Monster zu verdanken. Im Gegenzug bedeutet dies aber unspektakuläre Unfälle...
Den Need for Speed-Wurzeln sind die lizenzierten PS-Monster zu verdanken. Im Gegenzug bedeutet dies aber unspektakuläre Unfälle… © 4P/Screenshot

Sportwagen lassen sich super auf der Straße halten und auch nach einer Kollision kann man sie schnell wieder ausrichten. Ich freue mich, wenn ich mich auf die Suche nach über 150 Plakatwänden mache, die man durchbrechen kann, um Sprungrekorde aufzustellen oder die Hochgeschwindigkeitsjagd bei über 60 Radarfallen aufnehme. Als Sammler und Vervollständiger kann man sich auch abseits der etwa sechs bis acht Stunden beschäftigen, die es für die meisten dauern dürfte, bis man Platz 1 der Most Wanted-Liste einnimmt.

Allerdings nutzt Criterion die offene Welt nicht so sehr aus, wie man es von ihnen (auch nach monatelangen Spritztouren durch Paradise City) erwarten könnte. Zwar kann man mit jedem freigeschalteten Fahrzeug eine Serie von fünf Rennen bestreiten, um Upgrades freizuschalten (für jedes Fahrzeug identisch) und durch länger anhaltendes Fahren mit einem Auto auch noch weitere „Pro-Varianten“ der Verbesserungen bekommen. Dass diese Rennen von verdammt coolen, mitunter abstrakten, häufig witzigen Videos eingeleitet werden, kann allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die zur Verfügung stehenden Renntypen nicht allzu variantenreich sind und man mit unterschiedlichen Boliden zu häufig in die gleichen Duelle abgeschoben wird.
Dabei ist die Stadt eigentlich groß genug, um jedes Fahrzeug mit fünf exklusiven Situationen zu konfrontieren – zumal so auch der Anreiz größer wäre, auch wirklich jede Karre aufzumotzen. Statt wie in Paradise City verschiedene Wettbewerbe zur Verfügung zu stellen (Stuntpunkte, normale Rennen, Takedowns etc.), die auch mal den Wechsel zu

Auch eine Corvette fehlt nicht im Fuhrpark.
Auch eine Corvette fehlt nicht im Fuhrpark. © 4P/Screenshot

einem besser geeigneten Fahrzeug forcieren, greift man hier auf das immer gleiche Repertoire zurück, meist Rennen von A nach B sowie Rundkursrennen. Und selbst an den Abweichungen wie das Erreichen einer bestimmten Durchschnittsgeschwindigkeit oder der Flucht vor der Staatsgewalt innerhalb eines Zeitlimits hat man sich vergleichsweise schnell satt gesehen. Zumal sich die allgegenwärtige Polizei ohnehin häufig bemerkbar macht und man nach Zielerreichung noch die Streifenwagen abschütteln muss, bevor man sich der nächsten Aufgabe zuwenden kann. Das GPS-System sorgt auch ab und an für Frust: Vollkommen ohne Sprachhinweise („in 200 Metern rechts abbiegen“, „in der nächsten Ausfahrt links halten“) führt es einen als kürzesten Weg häufig auf die Gegenfahrbahn, obwohl es auch ungefährlicher ginge und hat Probleme, sich auf spontane Weg-Änderungen seitens des Fahrers einzustellen. Während ich mit Letzterem wenig Probleme habe, ist es die fehlende Sprachausgabe, die ein ums andere Mal dazu geführt hat, dass ich an erster Stelle liegend die falsche Ausfahrt genommen habe und fluchend umdrehen musste. Man hat in der Hektik der Rennen nicht immer die Zeit, um einen Blick auf die Minikarte zu werfen, damit man ja die nächste Abzweigung nicht verpasst.

Was zählt, liegt auf der Straße

Wenn man mit Vollgas über den Asphalt hetzt, verfliegt der aufkeimende Ärger jedoch bald. Zwar verrennt sich die KI (vor allem bei den 1:1-Duellen gegen die zehn Meistgesuchten) zu sehr im Gummiband-Verhalten, doch Spannung, Hochgeschwindigkeit und Action lassen mich immer wieder verzeihen, dass Criterion sich auf dieses plumpe Mittel zurückfallen lässt.

Möglichkeiten zu waghalsigen Sprüngen finden sich haufenweise, sie sind aber mitunter clever versteckt.
Möglichkeiten zu waghalsigen Sprüngen finden sich haufenweise, sie sind aber mitunter clever versteckt. © 4P/Screenshot

Dennoch: Wenn man mit einem neben fahrenden Boliden Funken sprühend Lack austauscht oder die Gegner ausbremst und geschickt in die Leitplanke drängt, wird unwillkürlich ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert und man fühlt sich unbesiegbar. Allerdings nur bis zu dem Moment, in dem bei Tempo 350 die Feinmotorik versagt und die geschätzten Millimeter Abstand zum entgegen kommenden Fahrzeug knapper ausfallen als erwartet und man plötzlich mit einem lahmen „Crash“-Einspieler zum Stillstand kommt, bevor es weitergeht. Natürlich haben sich die Konkurrenten wieder an einem vorbei gemogelt. Egal, ich kriege sie schon wieder – und dann Gnade ihnen Mad Max. Gerade weil die Burnout-Qualitäten (Speed, Action, Kontrolle) hier mehr als deutlich zu spüren sind, ist es schade, dass Solisten letztlich so wenig Abwechslung geboten bekommen.

Chaotisches Mehrspieler-Vergnügen

Natürlich kann man argumentieren, dass man dank Autolog 2.0 auch asynchrone Duelle mit seinen Freunden ausfechten kann: Für jede Radarfalle und jede durchsprungene Werbetafel speichert das Spiel die Leistung und gleicht sie mit der der Freunde ab. Besser noch: Hat der Kumpel eine bessere Leistung als ich abgeliefert, prangt sein Emblem auf den Werbetafeln in „meinem“ Fairhaven.  Und natürlich führt dies zwangsläufig zu einem „Na warte, deine Punktzahl schlage ich noch, bevor ich aufhöre“, das meist bis in die Nachtstunden dauert. Doch das bieten andere Spiele auch, wie zuletzt Forza Horizon, das nicht nur in dieser Hinsicht die Nase vorn hat.