Nier
war auf PlayStation 3 und Xbox 360 ein ungeschliffener Diamant. Erzählerisch zog Drakengard-Erfinder Yoko Taro alle Register, doch technisch und hinsichtlich der Kampfmechanik schien das damals verantwortliche Team von Cavia Games (Bullet Witch) überfordert. Damit sich für Nier Automata dieses Schicksal nicht wiederholt, haben sich Taro sowie Square-Enix-Produzent Yosuke Saito (Valkyrie Profile, Grandia Xtreme, Star Ocean) mit Platinum Games kompetente Hilfe an Bord geholt – genauer gesagt: Takahisa Taura, der seit 2009 u.a. bei Titeln wie MadWorld, The Wonderful 101 und Metal Gear Rising: Revengeance als Game Designer mitgewirkt hat. Und das merkt man vom ersten Moment: Die Mischung aus Gebietserforschung in einer weitgehend offenen Welt, Kampf sowie stimmungsvoller Erzählung wirkt wie aus einem Guss. Dabei verliert sie aber niemals den Bezug zum kommerziell nur spärlich erfolgreichen Vorgänger. Man muss Nier allerdings nicht kennen, um Automata genießen zu können.
Doch wenn man das Action-Rollenspiel aus dem Jahr 2010 gespielt hat, weiß man schon, für was man sich wappnen muss. Denn in der Art seiner Inszenierung ist Automata ähnlich sperrig. Das ganze Ausmaß der packenden sowie von zahlreichen Überraschungen gespickten Geschichte wird man erst verstehen, wenn man ein paar der möglichen Enden gesehen hat, dann quasi neu startet und so z.B. die bereits bekannten Ereignisse aus einer anderen Perspektive erlebt. Man macht mit dem Hintergrundwissen, was passiert ist oder passieren wird, aber auch gänzlich neue Erfahrungen – ähnlich wie in Filmen wie Crash, Snake Eyes oder Tarantinos Jackie Brown. Und man weiß auch, dass Taro eine unkonventionelle Regie pflegt, von der er auch hier glücklicherweise nicht abweicht. Seitwärts scrollende Abschnitte wechseln sich ab mit klassischer Schulterperspektiven-Kamera. Textsequenzen sind mitunter mindestens ebenso wichtig wie gesprochene Dialoge oder Entscheidungen seitens des Spielers.
Zur Ehre der Menschheit
Und spätestens im letzten Drittel gibt es mehr als genug Anspielungen auf den Vorgänger, wobei besonders ein wiedererkannter und hier leicht verfremdeter Ort bei mir für ein emotionales Déjà-vu sorgte. Da das Geschehen aber ohnehin tausende Jahre nach Nier spielt, sind diese Erlebnisse eher als Bonus für Fans zu sehen, die sich über die Kohärenz freuen werden.
Yoko Taro zeichnet eine düstere Zukunft der Menschheit: Die Erde wird von Außerirdischen überfallen, die Maschinen absetzen, um die Bevölkerung auszurotten. Die letzten Überlebenden dieses Genozids fliehen nach langen erbitterten Kämpfen auf den Mond. Dort entwickeln sie eine Androidenarmee, die u.a. dazu genutzt wird, um Rohstoffe auf den Erdtrabanten zu verschiffen. Noch wichtiger ist allerdings ihre Aufgabe, der Herrschaft der Maschinen ein Ende zu setzen, damit die Erdbevölkerung schließlich wieder auf ihren Heimatplaneten zurückkehren kann. Zu ihnen gehören auch die Soldat-Androidin 2B sowie der Aufklärer 9S, der mit der weißblonden, in einem kurzen schwarzen Kleid kämpfenden 2B eine Einheit bildet. Man wird dabei nicht nur Zeuge aufreibender Kämpfe gegen Unmengen an Maschinenwesen, die man erst mit 2B und dann aus dem Blickwinkel von 9S erlebt. Man lernt auch die fragile Beziehung zwischen den beiden kennen, die grenzwertig liebevoll und verbunden ist, dann jedoch wieder von soldatischem Gehorsam geprägt wird, bevor es auch zu sexuellen Spannungen kommt. Und nachdem die Prototypin A2 ins Spiel kommt, bekommt die Dynamik zwischen beiden eine vollkommen neue Wendung, so dass es eine dramatischen Dreiecksbeziehung wird.
Doch dies ist nur eine Erzählebene. Denn auch die Maschinenwesen haben eine eigene Agenda, angetrieben von dem unbedingten Willen, Menschen nacheifern zu wollen – bis hin zur gesellschaftlichen Unabhängigkeit, Religion, Sex sowie dem Wunder der Geburt, bei dem man sogar Zeuge wird, wie das Bruderpaar Adam und Eva (!) das Licht der Welt erblickt. Es ist bemerkenswert, wie man durch die Augen der Androiden die Bemühungen der Vermenschlichung der Maschinen beobachtet, während 2B und 9S selbst mit ihren aufkeimenden Emotionen kämpfen, die gegen ihre natürliche Programmierung und alle Richtlinien der YoRHA gehen, der von den Menschen ins Leben gerufenen Androiden-Initiative.
Es gibt noch eine weitere Instanz, die aber wie alle anderen „Lebe“-Wesen der philosophischen Frage nachzugehen scheint, was genau Menschlichkeit ausmacht, wie Emotionen mit der rationalen Entscheidungskraft um die Vorherrschaft kämpfen oder ob man einem vorbestimmten Schicksal entkommen kann. Dabei erlebt man immer wieder Überraschungen, die im ohnehin häufig emotionalen Kontext für besondere Ausschläge sorgen. Wenn Maschinenwesen sich wie Menschen um den Nachwuchs kümmern, den man in Unwissenheit vorher mit seinem Schwert ausgelöscht hat, überlegt man sich beim nächsten Mal, ob man wirklich die Waffen einsetzt und für emotionalen Stress bei den Robotern sorgen will oder vielleicht einfach nur weiter läuft. Viele der Fragen, die sich 2B und 9S stellen, gehen mir durch den Kopf, kurz bevor sie von den Androiden ausgesprochen werden – viel mehr kann man nicht ins Spiel gezogen werden. Die Figuren, die nicht müde werden, ihre Künstlichkeit zu betonen, dabei aber mehr menschliche Züge zeigen als ihnen lieb sein kann, sorgen dafür, dass ich mit ihnen leide, mit ihnen hasse und mit ihnen hoffe. Im Vergleich zur Hochglanz-Dramatik à la Hollywood, wie man sie z.B. in Final Fantasy 15 erleben kann, erinnert Nier eher an einen Arthaus-Film.
gott sei dank hab ich den test erst jetzt gelesen nachdem ich nier automata viel zu spät gespielt habe. wie kann man nur so krass spoilern ? nicht jeder kennt den vorgänger bzw drakengard und weiss was passiert. und genau das gehört zum erlebnis. und hier wird alles vorweg genommen ist das hart
gut dass das endlich geklärt wurde. konnt nich schlafen
Oh man, falls das wirklich so sein sollte.. Ne große Portion Schande über mein Haupt.
Glaub das war in der Wüste.
Schon... das wär aber arg schräg wenn er das nicht bemerkt hätte.
In dieser Phase wird doch durch "Glitches" und Bild-Verzerrungen darauf hingewiesen