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Octopath Traveler (Rollenspiel) – Achtfach-Rollenspiel jetzt auch am PC

Im letzten Sommer hat Square Enix mit Octopath Traveler auf Switch ein stimmungsvolles Rollenspiel mit einer spannenden Geschichte, einer abwechslungsreichen Heldenauswahl sowie einem überaus charmanten Grafikstil im 16-Bit-Design veröffentlicht. Jetzt dürfen auch PC-Spieler versuchen, die Fantasywelt Orsterra zu retten. Ob die Umsetzung gelungen ist, verraten wir im Test.

© Acquire / Square Enix / Nintendo

Taktische Auseinandersetzungen

Auch hier sollte man auf Variation achten, denn mit zwei cleveren sowie angenehm taktischen Kniffen werden die Gefechte massiv aufgewertet. Zum einen verfügt ausnahmslos jeder Gegner über mindestens zwei, häufig sogar mehr Anfälligkeiten gegen bestimmte Waffen bzw. Zauber. Diese wiederum sind mit einem Schildwert gekoppelt. Sprich: nur wenn man die Schwachpunkte gezielt ausnutzt, wird dieser Schildwert gesenkt. Ist er auf Null, findet ein so genannter „Bruch“ statt und das Ziel ist kurzzeitig ausgeknockt, woraufhin alle Angriffe der Gruppe mehr Schaden anrichten – insbesondere natürlich die gegen die Schwachpunkte. Um das taktische Element weiter auszureizen, besitzt jede Figur so genannte Boostpunkte, die mit jeder Runde um einen aufgestockt werden. Mit diesen kann man seine Angriffe verstärken. Magische Attacken werden mächtiger, physische werden mehrfach ausgeführt. Der Kreis schließt sich in diesem Zusammenhang mit dem Schildwert. Denn hat ein Feind z.B. einen Schildwert von drei und ist gegen Speer anfällig, ist man gut beraten, entweder mehrere Speerkämpfer in seiner Gruppe zu haben und so seinen Rüstungswert zu senken. Oder aber man boostet seinen Speerkämpfer (dies ist maximal bis zu einem vierfachen möglich) und kann seinen Schild mit nur einer einzigen Attacke zerstören.

So ist man ständig dabei, eine ideale Gruppenzusammenstellung für die Gegneransammlungen zu finden. Dass man neben den Anfälligkeiten, die man übrigens erst einmal herausfinden muss (entweder durch Ausprobieren oder durch Fähigkeiten)  und den Boostpunkten auch seine Manapunkte, seine Gesundheit und natürlich die Zugreihenfolge für ein effektives Kämpfen beachten sollte, macht die Auseinandersetzungen auch nach zig Stunden stets zu einem fordernden Vergnügen. Vor allem, wenn man in Gebieten unterwegs ist, die hinsichtlich ihres Profils leicht über der durchschnittlichen Gruppenstufe liegen. Doch bei allen Vorzügen und Optionen, die das Kampfsystem bietet, hat es Acquire leider nicht ganz geschafft, eine Altlast klassischer JRPGs zu entfernen: Grind.

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Die weitgehend offen zugängliche Spielwelt besteht aus zahlreichen miteinander verbundenen großräumigen „Schlauch“-Abschnitten, Städten und Gewölben. © 4P/Screenshot

Vertraut man über einen Großteil der Zeit seiner favorisierten Truppe und führt sie von Storymission zu Storymission, steigt diese schön gemeinsam Stufe und Stufe auf – nahezu im Gleichschritt mit den Anforderungen der Abschnitte. Wendet man sich jedoch zwischendurch anderen Figuren zu, muss man mit ihnen erst einmal durch „schwächere“ Gebiete pilgern, um sie nach und nach an die Stufe des Anführers bzw. den für die nächste Story-Mission nötigen Level heranzuführen. Das hätte man auch durchaus komfortabler lösen können, indem man den im Gasthaus auf ihren Einsatz wartenden Helden einen prozentualen Anteil der von der Gruppe gewonnenen Erfahrung spendiert. Da der Fortschritt im Schlepptau von ein oder zwei hochstufigen Charakteren allerdings recht zügig vonstatten geht, kann ich den Grind in dieser Form gerade noch akzeptieren.

Story-Makel und Diorama-Flair

Problematischer sehe ich da schon die dramaturgischen Löcher in der Geschichte. Nicht nur, weil wie eingangs erwähnt die einzelnen Figuren unterschiedlich intensiv inszeniert werden. Sondern auch, weil ihre Erzählung nur selten zusammenläuft, sondern meist parallel abgefackelt wird. Zwar kommt es von Zeit zu Zeit je nach Gruppenzusammenstellung zu kleinen Szenen, in denen zwei Figuren miteinander über Geschehnisse sprechen. Dennoch bleibt das Gefühl zurück, dass man acht Einzelschicksalen folgt. Vielleicht auch, weil die wahlweise englische oder japanische Sprachausgabe nicht durchgehend, sondern nur in Schlüsselmomenten in größerem Umfang eingesetzt wird. Den Rest der Zeit ist man auf das Lesen der größtenteils richtig guten deutschen Texte angewiesen, während man den einsilbigen Intonationen der Figuren lauscht, die zu

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Um sich solcher Gegner erwehren zu können, ist mitunter zu viel Grind nötig. © 4P/Screenshot

keinem Zeitpunkt die gleichen Emotionen hervorrufen können, wie die überzeugenden Dialoge der Kern-Geschichten.  Dass diese sich mitunter unnötig viel Zeit lassen, bevor sie zum Punkt kommen, ist zwar manchmal störend, aber definitiv kein Atmosphäre-Killer.

Ein wunderschöner Kompromiss wiederum ist Octopath Traveler beim Artdesign gelungen. Angetrieben von der aktuellen Unreal-Engine vermischt die Kulisse klassisches 16-Bit-Design bei den Figuren mit modernen Lichteffekten, Tiefenschärfe und häufig wunderschönen Stimmungen. Dass die Pixelkunst auch in den dreidimensionalen, an Dioramen erinnernden Umgebungen als Texturgrundlage dient, macht die abwechslungsreiche Welt von Orsterra zu einem kleinen visuellen Prunkstück. Natürlich kann das Abenteuer nicht mit reinrassigen Echtzeit-Rollenspielen wie The Witcher 3, Cyberpunk 2077 oder Fallout mithalten und wirkt mit seinen Pixeln natürlich deutlich grober als z.B. ein Pillars of Eternity 2. Doch der visuelle Charme, der die Reisenden von Anfang bis Ende begleitet, ließ mich immer wieder wünschen, dass Square Enix einen derartigen Grafikstil beim Remake von Secret of Mana eingesetzt hätte. Die technische Umsetzung auf den PC ist gelungen. Die Grafikoptionen bieten allerdings nur die üblichen Einstellmöglichkeiten für z.B. Anti-Aliasing, Texturen oder Post-Processing in jeweilis vier Stufen. Dabei gibt sich die Kulisse auch mit schlanken Anforderungen zufrieden: Ab einem Intel i3-3210 und einer GeForce GTX 750 bzw. AMDs FX-4350 mitsamt Radeon R7 260X kann man loslegen. Bei der Steuerung geben sich die PC-Abenteurer ebenfalls keine Blöße: Sowohl per Tastatur (und Maus) als auch per Pad hat man stets alles unter Kontrolle.

  1. Raskir hat geschrieben: 09.09.2019 20:39 Hi, willkommen im Forum :)
    Leider ist die Sache schon etwas komplizierter. Aber so Simpel wie möglich ausgedrückt, man kann Fan von jrpg sein, sich aber dennoch Evolution und Fortschritt wünschen. Schaffen andere Genre auch :)
    Ja, Fortschritt und Evolution wäre ja okay und optisch schaffen sie das ja auch, aber letztendlich lassen die ja immer mehr vom Spiel selbst weg und zwar so gut wie alles, was ein gutes JRPG eigentlich ausmacht. Bei immer mehr aktuellen Titel kann man im Prinzip durchrennen, als würde man sich einen Film angucken. Und dann wird sich aber beschwert, dass man mit einem Titel für 49,99 Euro beispielsweise schon mal nach 20 Stunden fertig ist. Aber wenn man nicht mehr leveln braucht, alles an Text wegklickt, jeden Weg direkt vorgezeigt kriegt usw., dann bleibt auch nicht mehr übrig, oder?
    ...
    Das hier ist allerdings schon ein gutes Game! :mrgreen:

  2. Hi, willkommen im Forum :)
    Leider ist die Sache schon etwas komplizierter. Aber so Simpel wie möglich ausgedrückt, man kann Fan von jrpg sein, sich aber dennoch Evolution und Fortschritt wünschen. Schaffen andere Genre auch :)

  3. So, ich bin der neue und leg mich gleich mal an hier! :D
    Ich zock seit gut 20 Jahren JRPGs auf zig Konsolen, auch Import etc. und ich les hier oft mit, weil mir die Art von Reviews hier gefallen.
    Und das Folgende bezieht sich mal so allgemein, auf das "JRGP-Drama" der letzten Jahre.
    Was ich nicht begreife heutzutage ist, dass man sich einerseits ein JRPG kauft oder sich dafür interessiert, aber dann wird rum gemault weil Gegner zufällig kommen oder weil man grinden muss oder weil man durch eine Open World laufen muss und dann auch noch, weil man auch Standard-Nebenquests machen muss oder ganz schlimm, weil man man selbst suchen und aufpassen muss, um weiter zu kommen, anstatt nen "Mapradar", der einen schön lala alles vorgibt, Ach und dann auch noch was lesen müssen, geht gar nicht etc. Das sind aber halt nun mal seit Jahrzehnten die typischen Elemente von JRPGs. Und ja, die Storys und Elemente sind auch oft gleich, aber das ist doch bei jedem Genre so! Bei Fifa spielt man auch nicht Tennis zur Abwechslung und bei westlichen RPGs ist es auch immer der ähnliche Ritter, Zwerge, Elfen ... Kram, oder?
    Bei JRPGs ist das Kranke aber, dass Entwickler jahrelang darauf dann auch noch eingegangen sind und raus kam dann der "moderne Tales-, Final Fantasy- etc. Rotz" der letzten Jahre, bei dem alles schön flüssig läuft, aber die Welten sind leer, die Charaktere langweilig, leveln kann man sich sparen, weil schön leicht für besonders Faule, und man läuft konstant durch Schlauchlevel ohne zu denken, besonders schön bei Final Fantasy XIII, jippieh!
    Spielt doch einfach was anderes, wenn ihr mit JRPGs nichts anfangen könnt! :mrgreen:

  4. Octopath Traveler ist jetzt zwar nicht das beste JRPG aller Zeiten, aber wenigstens "sehr gut". So manche Kritik kann ich absolut nicht nachvollziehen...
    Der Soundtrack gehört zum Besten was JRPGs zu bieten haben, die Geschichten sind allesamt charmant und - sofern man sich dafür begeistern kann - in bestimmten Dialogen auch tiefgründig, ohne dass sie sich aber allzu sehr aufdrängen. Die Charakterzeichnung ist meiner Meinung nach alles andere als banal. Ich sag nur "Primrose".
    Das Kampfsystem zählt auch zu den taktischsten Rundenstrategiekämpfen, die ich bisher in einem JRPG gesehen habe.
    Das größte Problem an OT ist allerdings das Abhandeln der verschiedenen Storypunkte ansich. Nicht unbedingt in dem, was sie zu erzählen haben (die sind abwechslungsreich genug), sondern das "wie" ist das Problem, und dadurch wirkt es an einigen Stellen echt schablonenhaft. Eventuell wärs bei nicht ganz sovielen Charakteren nichtmal negativ aufgefallen, dass man während jedem Storykapitel durch einen Dungeon mit Zufallskämpfen muss. Das ist, so leid es mir tut, einfach nur billig.
    Das ist gerade deswegen so unglaublich schade, weil eigentlich alle(!) Bausteine für eine epische, emotionale Geschichte ja existieren! Die "Geplänkel" ("Banter" auf Englisch) offenbaren z.T. spannende Charakterzüge und auch die einzelnen Stories ansich fangen ab Kapitel 2 an, persönlicher zu werden. Das Problem ist, dass das Spiel aber unbedingt so tun muss, als seien die anderen Helden nie anwesend... Und das tut bei Charakteren, die einem sonst irgendwie ans Herz wachsen, halt einfach weh (und ist mMn. der Grund, weshalb dem Spiel teilweise auch wirklich absurde Schwächen wie das angeblich schwache Kampfsystem angedichtet werden...).
    Wenn man z.B. unbedingt wissen will, wie es mit der (durchaus sehr spannenden) Story um Primrose weitergeht, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man levelt ewiglange, um für den nächsten Storyabschnitt mit ihr gewappnet zu sein, oder man holt sich die anderen Charaktere ins...

  5. Das streite ich auch gar nicht ab. Aber Zufallskämpfe sind für mich, wie vor 25 Jahren, absolute abturner.
    Würde man die Gegner sehen und (teilweise) umgehen können, dann hätte ich es wohl gekauft.

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