Sobald man Cutter in der zunächst viel zu nahen, dann automatisch etwas entfernteren Schultersicht bewegt, hat man das Gefühl, einen übergewichtigen Rentner zu steuern. Vieles an der „modernisierten“ Steuerung ist nicht mehr zeitgemäß. Selbst die hakelige Kamera scheint ihm in Räumen nur unfreiwillig zu folgen – anders sind die seltsamen Schwenks und Perspektivprobleme dort nicht zu erklären; mitunter kam sogar ein Schwindelgefühl auf, das ich sonst nur von VR kenne. Da ist man fast froh, dass man sich nicht bücken muss und aus der Ferne blinkende Rohstoffe sowie Munition wie in einem Arcade-Spiel aufnimmt, indem man einfach drüberläuft. Trotzdem ist dieses beiläufige Einsammeln natürlich ein stilistischer Fremdkörper, der eher zu einem Top-Down-Shooter passen würde. Zudem sorgt die sofort zugängliche Karte, die alle Feinde zeigt (!) für eine Entzauberung – das kann man immerhin in den Optionen abschalten.
Das Schwimmen und Tauchen ist noch okay, zumal man auch unter Wasser einiges finden kann. Aber das Klettern sieht furchtbar steif aus und das Springen ist nicht mal so präzise wie im ersten Tomb Raider – wenn man Türme über Planken hinauf springen soll, freut man sich über das jederzeit mögliche Speichern, damit man das bloß nicht nochmal versuchen muss. Dagegen wirkt selbst das hüftsteife Elex wie eine elegante Akrobatiksimulation. Immerhin kann man die zweibeinigen Twon Ha besteigen, um auf ihnen zu reiten. Zumindest punktuell kommt durchaus soetwas wie Nostalgie für Veteranen auf. Apropos speichern: Schön ist, dass man mehrere Plätze zur Verfügung hat; ärgerlich ist, dass es so viele Fehler beim automatischen Speichern gibt – mal musste ich ohne Chance versinkend im Sumpf, mal schwimmend im Boden vor einer Hütte starten. Da half lediglich das Laden eines manuellen Spielstandes.
Dumme Gegner, banale Aufgaben
Den Tiefpunkt erreicht die Motivation dann in den Kämpfen. Über die schrecklich inszenierten Nahkämpfe und ihr Puppentheater verliere ich lieber keine Worte. Aber wenn man mit einer der sechs komplett überarbeiteten Feuerwaffen über
die Distanz kämpft, fühlt man sich wie in einem billigen Moorhuhn-Shooter: Selbst mit der einfachen Pistole ohne Aufrüstungen kann man die Feinde über gefühlt zwei Kilometer treffen, selbst simpel ausweichen und über schnelle Feuerstöße töten. Und wie verhalten sich die Gegner? Dämlich. Einfach nur dämlich. Sie flankieren nicht, sie laufen wie blöde um Häuser und lassen sich nacheinander aufreiben. Zwar versuchen sie auch mal in Deckung zu gehen und nutzen z.B. so etwas wie Mörser, aber man kann selbst eine Übermacht in einer Festung oder eine Meute tigerartiger Gamor kinderleicht ausmerzen, indem man sie alle immer wieder rauslockt. Wir haben die viel zu leichten Gefechte und KI-Probleme in Far Cry Primal oder Horizon Zero Dawn kritisiert – das hier ist Steinzeit dagegen, obwohl die Lead Designer noch betonten „viel Arbeit in die künstlichen Intelligenz“ investiert zu haben. Ja wo denn?
Zwar wird man in den über Teleporter erreichbaren anderen Gebieten etwas stärker gefordert, so dass auch mal ein Granat- oder Flammenwerfer nützlich sein kann, aber die KI bleibt ein Graus, so dass auch das von Beginn an mögliche Schleichen oder andere subtile Manöver nahezu sinnlos sind. Trotzdem gibt es immerhin dank Minen, Fernzündern und Bewegungsmeldern alternative Methoden, die Dumpfbacken oder die umher krabbelnden Monster auszumerzen. Weil Cutter auch darauf sofort Zugriff hat und einfach zu schnell mächtig ist, torpediert das natürlich auch den einzigen Reiz der Charakterentwicklung. Er kann ja keine Fähigkeiten erlernen, sondern lediglich weitere Gadgets wie die temporäre Unsichtbarkeit oder Waffen finden und diese in drei Stufen aufrüsten, um z.B. Magazin, Feuerrate oder Giftdosis zu erhöhen. Immerhin gibt es keine unbegrenzte Munition, so dass man Materialien sammeln und beim Schmied in Auftrag geben muss. Trotzdem herrscht kein Mangel an Magazinen, weil man überall viel zu viel findet.
Wenn die Gefechte weitgehend banal sind, was bleibt dann? Richtig: Die Quests. Schon der Klassiker konnte damals keine kreativen Zeichen setzen und auch die Neuauflage inszeniert viele Haupt- und Nebenmissionen, die nicht mehr als ein stetiges Holen und Bringen, Suchen und Zerstören bieten. Für etwas Anspruch sorgt, dass man nicht mit modernen Zielmarkern auf die Lösungen gestoßen wird, auch mal selbst etwas suchen und zuhören muss, wenn man Artefakte irgendwo einsetzen soll. Außerdem kann man die Laufwege nicht nur über das Reiten, sondern auch über manuell fixierbare Teleportpunkte verkürzen. Trotzdem ist man weniger mit interessanten Quests als vielmehr mit dem Suchen spezieller Talaner beschäftigt, deren Namen immerhin nach dem ersten Kontakt auf der Karte angezeigt werden und nach denen man aktiv fragen kann. Veteranen werden sich zudem über einige neue Gebiete freuen.
Man muss den Entwicklern bei aller Kritik zugute halten, dass sie sich um eine glaubwürdige Ökonomie bemüht haben, die z.B. die Versorgung oder Schlagkraft der Besatzer in Statistiken anzeigt, die man auch aktiv schwächen kann. Hinzu kommt gegenüber dem Klassiker ein neues System des Ansehens, das je nach Cutters Aktionen steigen oder fallen kann – man kann auch nachfragen, was die Bewohner über einen denken. Aber unterm Strich trägt gerade diese neue Transparenz der Werte und die Sichtbarkeit aller Dinge auch dazu bei, dieses Outcast weiter zu entzaubern. Die Entwickler haben, vermutlich um Einsteigern das Erlebnis zu erleichtern, einige faule Kompromiss gemacht.
Hab die Schnauze endgültig voll! Appael hat es doch tatsächlich geschafft, den Achondar-Bug mit ins Remake zu nehmen. Konnte man sich im Original wenigstens noch aus dem Gehege rauscheaten, ist das hier nicht möglich, wodurch ich nicht mehr weiterkomme. Das Fans so etwas noch verteidigen, ist mir unverständlich.
Wir haben neben der Prozentwertung auch eine Schulnote - die lautet "Ausreichend" bei Outcast. Damit drücken wir unsere Ernüchterung aus, das ist aber noch kein kompletter Verriss wie bei "Mangelhaft" oder "Ungenügend". Dass die Wahrnehmung eine andere ist, ist schon klar, aber wir arbeiten seit Jahren daran, die Wertungsskala auch im mittleren Bereich zu füllen.
Über Bord werfen wollen wir die spielkulturell dämlichen Zahlen aus spielepolitischen Gründen nicht, denn ohne diese Wertung verlieren wir sofort Relevanz. Wir stehen in der Tradition klassischer Spielemagazine und würden als reines Feuilleton untergehen. Und so lange sich Publisher auf eben diese und Metacritic berufen, wenn sie auch fragwürdiges Spieldesign oder Mikrotransaktionen rechtfertigen, wäre es doch schade, wenn gerade wir mit unserer kritischen Haltung und tendenziell weniger Prozenten nicht mit in der Verlosung wären.
Allerdings in Kombination mit einer 50% Bewertung, die auf der Mathematik Eurer Bewertungsphilosophie basiert, ist meiner Meinung nach die Gesamtkritik nicht mehr nur einfach eine diskussionswürdige, subjektive Meinungsäußerung.
Da ändert der Hinweis eures Moderators, dass 50% rein mathematisch "Durchschnittlich" bedeutet auch nichts dran, denn das Gros der Computerspieler versteht unter 50% ein "Miserabel". Das wird im Fall Outcast Remake dem Spiel nicht wirklich gerecht.
Wäre es mit Blick auf die begrüßenswerte Subjektivität nicht auch eine Überlegung wert, das Prozentbewertungsystem über Bord zu werfen und durch ein "sehr Gut-Gut-Durchschnittlich-Mangelhaft" oder ähnliches zu ersetzen?
Dann würde Durchschnittlich auch wieder Durchschnittlich bedeuten.
Ich gehöre auch zu den Outcast Veteranen. (Bin 60 ) Für mich war es eine schöne Reise in die Vergangenheit. (Konto leergeräumt um mir einen Pentium 450 zu leisten . Klar kann es gegen aktuelle Spiele nicht ankommen. Aber es hat Charme. Und das vemisse ich bei aktuellen Spielen schon des öfteren. Ich hab es schon deshalb zum Vollpreis gekauft, damit die sympatischen Entwickler vielleicht irgendwann wirklich die Chance bekommen ein Outcast 2 zu machen.
Ja, das sollte auch nicht so sein. Wir geloben Besserung.