Es hätte so ein schönes vorweihnachtliches Duell werden können: Nathan Drake gegen Lara Croft. Uncharted 4: A Thief’s End gegen Rise of the Tomb Raider. Tatsächlich dürfte dieser Schlagabtausch einer der Hauptgründe gewesen sein, warum sich Microsoft überhaupt auf den sicher kostspieligen Exklusiv-Deal mit Square-Enix einließ. Doch dann kam alles anders: Naughty Dog benötigte mehr Zeit, um seinem Helden ein würdiges Finale zu bescheren und musste die Veröffentlichung auf 2016 verschieben. Vielleicht gar nicht so schlecht, denn so muss sich Lara erst gar nicht auf den Showdown einlassen, bei dem die weibliche Videospiel-Ikone vermutlich arg ins Schwitzen gekommen wäre.
Großartige Technik – mit Abstrichen
Zumindest auf technischer Seite hätte man Uncharted sicher Paroli bieten können: Schon beim Reboot und der späteren Definitive Edition ließ die Engine von Crystal Dynamics eindrucksvoll ihre Muskeln spielen und auch hier darf man schon im packenden Einstieg imposante Kulissen mit stimmungsvollen Licht- und Partikeleffekten bestaunen, erfreut sich an nahtlosen Übergängen zwischen Filmszenen und Spiel sowie einer packenden Inszenierung, die mit tollen Kameraeinstellungen, großartiger Mimik und einer der bislang schönsten Haardarstellungen punktet – TressFX sei Dank! Hinzu kommt, dass die überwiegend eisigen Areale im kalten Sibirien nicht nur herrlich groß ausfallen und damit viel Raum für Erkundungsreize bieten, sondern auch mit Leben gefüllt wurden. Ständig trifft man auf Wild, es flattern diverse Vögel am Himmel oder man kann Hasen, Eichhörnchen oder Ratten dabei beobachten, wie sie durch den Schnee wuseln. Im Klangbereich präsentiert man sich ebenfalls von der Schokoladenseite: Nicht nur die wuchtige Surround-Abmischung lässt mit ihrer hohen Dynamik und klaren Stimmen kaum Wünsche offen, auch die professionellen Sprecher rund um Camilla Luddington und ihrem deutschen Pendant Maria Koschny machen einen großartigen Job, während der percussionlastige Soundtrack das Abenteuer passend untermalt und sich sogar mit dynamischen Übergängen der Situation anpasst. So wird etwa mit zunehmendem Tremolo der Streicher die Spannung auch klanglich wirkungsvoll unterstützt. Langer Rede, kurzer Sinn: Rise of the Tomb Raider ist ein audiovisuelles Prachtstück!
Erst beim genauen Hinsehen und in manchen Situationen offenbaren sich leichte Schwächen wie fehlende Kantenglättung, recht grobe Schatten und die geringe Zeichentiefe, die in vereinzelten Pop-ups und Fade-ins resultiert. Schwerwiegender sind Probleme mit der Bildrate, bei denen die FullHD-Auflösung bei der gebotenen Qualität ihren Tribut fordert: Bewegte sich die Definitive Edition auf Xbox One und PS4 oft im Bereich von 60 Bildern pro Sekunde, fällt es der Engine hier in effektreichen Szenen wie etwa brennenden Gebäuden schwer, überhaupt die 30 Bilder pro Sekunde aufrecht zu halten. So hat man oft das Gefühl, als würde Crystal Dynamics die Hardware an ihr Limit treiben – und manchmal darüber hinaus. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Darstellung, denn auch die Steuerung leidet unter dem Schwitzkasten: Wurden die Eingaben im Vorgänger noch reaktionsfreudig erfasst und umgesetzt, spürt man hier eine gewisse Trägheit, die u.a. dazu führen kann, dass der Sprung zu spät erfolgt und man im Abgrund landet. In solchen Momenten lernt man wieder zu schätzen, dass die automatischen Speicherpunkte sehr fair verteilt wurden. Aber auch und vor allem beim Zielen vermisst man das nötige Tempo und damit die Präzision, wenn man von mehreren tierischen oder menschlichen Feinden umzingelt ist. Irgendwann lernt man zwar, sich halbwegs darauf einzustellen, aber ärgerlich ist es trotzdem – zumal sich die Steuerung davon abgesehen dank der gelungenen Einbindung der Impulse Trigger fantastisch anfühlt, wenn z.B. die Seilrutsche oder das Kraxeln von subtilen Vibrationen begleitet werden.
Keine Experimente
Schnell wird klar, dass die Entwickler spielerisch keine Experimente eingehen wollten und sich stattdessen lieber wieder an den Mechaniken orientierten, die man für den Reboot erschaffen hatte. Tatsächlich erlebt man nicht nur aufgrund von Elementen wie freispielbaren Fähigkeiten oder Waffen-Upgrades das eine oder andere Déjà-vu, sondern auch hinsichtlich des Ablaufs mit seinem Wechsel aus Erkundung, kleinen Rätseln, Kämpfen und den obligatorischen Fluchtsequenzen. Selbst die Architektur mancher Areale weckt Erinnerungen an den Vorgänger und auch die Lager inklusive der komfortablen Schnellreisefunktion sind wieder mit von der Partie.
Das muss per se nichts Schlechtes sein: Vor allem die Abwechslung im Spielverlauf ist immer noch klasse, zumal es hier noch mehr Gräber zu erkunden gibt, die mit kleinen aber feinen Physik-Rätseln bei der Stange halten und teilweise nur mit spezieller Ausrüstung zugänglich sind. Schade, dass diese Kammern kaum in die Kampagne eingebunden werden und lediglich optionale Aufgaben darstellen. Ausnahme bildet lediglich der großartige Abstecher nach Syrien kurz nach dem Einstieg, der in seiner kompakten Form genau das abbildet, was ich mir von einem Tomb Raider wünsche: Stimmungsvolle Erkundung, Umgebungsrätsel, fiese Fallen und auch dramatische Action. Leider fällt der Abschnitt nur sehr kurz aus. Ich hätte in dieser Qualität gerne mehr Zeit im virtuellen Bürgerkriegsland verbracht, anstatt mir im Anschluss mehr als zehn Stunden ausschließlich im eisigen Sibirien mit Lara den Hintern abzufrieren.
Ich mochte das Spiel. Mehr Gräber als im Reboot, wenn auch nur optional. Das Sammelgedöns sinnvoller als bei Uncharted, aber doch übertrieben... mh, ob ich mur das antue, das alles zu suchen?
DX12 Patch für die PC Version ist über Steam da.
Mal sehen was die Performance sagt.
:wink: