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Seven: The Days Long Gone (Rollenspiel) – Cybermeisterdieb 0.9

Schleichen, Akrobatik, Kampf und Rollenspiel in einem? All das in offener Welt mit isometrischer Perspektive? Entwickelt von einem Team, das aus Ex-Witcher-Leuten besteht? Da kann man schon mal neugierig werden. Und Seven: The Days Long Gone klingt nicht nur leicht melancholisch nach Endzeit, sondern entführt in eine apokalyptische Zukunft, in der Schwert und Laser, Magie und Hightech für Cyberpunkflair sorgen sollen. Ob das PC-Spiel von Fool’s Theory überzeugen kann oder ob man sich da etwas zu viel für die Premiere vorgenommen hat, verrät der Test.

© Fool's Theory / Imgn.pro

Ein Meisterdieb in nebulöser Welt

Auch hier merkt man, wie ambitioniert und ausführlich die Entwickler die Hintergründe ausgearbeitet haben, die in zahlreichen Texten erläutert werden. Allerdings fühlt man sich angesichts all der Ortsnamen und Andeutungen zunächst verwirrt, muss ständig nachschlagen. Es gelingt der Regie nicht, den Spieler erzählerisch intuitiv in die interessante Geschichte einzuweihen. Wichtig für Temriel ist aber zunächst nur eines: Sich besser ausrüsten und erste Aufträge annehmen. Denn kaum angekommen, hat er es ohne Ortskenntnisse oder Waffen mit brutalen Schlägern, religiösen und techfeindlichen Biomanten sowie den miltärisch fortschrittlichen Technomagiern zu tun.

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Man muss viel nachlesen, um ein Gefühl für die Mächte und Konflikte zu bekommen. © 4P/Screenshot

Auf Peh herrschen nicht nur verfeindete Fraktionen mit strikten Regeln, es gibt auch klare territoriale Grenzen, die man nur mit einer Visumspille überschreiten kann, die man für etwas Geld (hier „Aurit“) an Automaten ziehen kann. Und es ist trotz der Fülle an Beute gar nicht so einfach, reich zu werden, denn Händler verfügen nur über ein stark begrenztes Budget – darüber hinaus muss man alles verschenken. Für die ersten Quests reicht das gemütliche Stöbern, zumal die Ziele meist als Kreise geografisch eingegrenzt werden: Temriel soll zunächst Dietriche finden, eine Werkzeugbank reparieren und dafür Magneten, Nieten und Metall suchen. Manchmal geht es lediglich um dieses Holen und Bringen, dann wird es wieder spannender, wenn es um das geschickte Infiltrieren geht.

Interessante Quests, seltsame Charakterentwicklung

Schön ist, dass man in diesen Aufträgen nicht nur mehrere Wege beschreiten kann, um in gesicherte Komplexe einzudringen, sondern dass sich hier auch die Vertikale entfalten kann, so dass an bestimmten Punkten fast ein Assassin’s-Creed-Gefühl

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Schönes Panorama – aber so leicht wird Temriel nicht fliehen können. © 4P/Screenshot

entsteht: Es ist sehr ansehnlich, wenn Temriel erst den Stromkasten hackt und dann auf einen hohen Mast klettern kann, um sich von weit oben umzuschauen, bevor er am Drahtseil herab hinter einen Zaun gleitet. Zu den Highlights gehören auch die situativen Ereignisse: Man kann z.B. zwei Ganoven an einer Ecke zuhören, ihnen dann in ihr Versteck folgen, indem man Fallen entschärft, und sie dort ansprechen – diese Situation kann dann je nach Gesprächsführung in einem Blutbad oder einer weiteren Quest enden. Die sind übrigens gut geschrieben, man lernt so einige skurrile Charaktere kennen und wird so immer tiefer in die ebenso konspirativen wie verräterischen Milieus von Peh hineingezogen.

Allerdings wirkt die Charakter-Entwicklung mit den einsetzbaren Chips wie etwa „Assassin“, „Plünderer“ oder „Tausendsassa“, die spezielle Zauber und neurologische Verbesserungen aktivieren, dazu auch bessere Werte z.B. hinsichtlich Tempo, Schaden oder Beute, von Beginn an seltsam undurchsichtig. Während der ersten Mission hatte ich neun Chips zur Verfügung, dann war

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Zu Beginn werden neun Chips mit Klassen-Namen angezeigt. © 4P/Screenshot

nur noch einer namens „Dieb“ aktiv, der mir die Fähigkeit „Blitz“ verlieh – eine Art temporärer Boost. In zwei Pfaden kann man dann jeweils weitere aktive sowie passive Fähigkeiten in Slots einsetzen. Aber wenn man dann irgendwo in der Gegend die erwähnten Fertigkeitschips findet, werden diese nirgends im Inventar angezeigt und verlangen im entsprechenden Menü für ihren Einsatz plötzlich Nektar? Es gibt einige Stellen, an denen das Spiel in seiner Benutzerführung einfach zu kryptisch ist und fast wie eine Beta wirkt. Warum vernachlässigt man diesen wichtigen Teil eines Rollenspiel so hinsichtlich seiner Erklärung? Hinzu kommt, dass man diese sehr lange Zeit ignorieren kann, so dass eine Tugend von Rollenspielen, nämlich die Lust auf persönliche Entwicklung, gar nicht richtig zur Geltung kommt. Hier hätte mir eine klarere und vielleicht sogar klassische Aufwertung von Werten und Talenten à la Shadowrun deutlich besser gefallen.

  1. schon schade, aber die Erwartungshaltung war wohl auch etwas hoch. Von einem neuen Spiel von Ex-Witcher-Machern erwartet man irgendwie mehr. Mal gucken wie das Spiel anfühlt, wenn es ein paar Patches abgekommen hat.

  2. Würde gefühlt das letzte Thief auch schon vollständig zur Nullbockphase dazu zählen.
    Seven ist, leider, genau das geworden, was ich insgeheim befürchtet habe - oberflächlich zu viel des Guten bei zu wenig Tiefe. Werde mal ein paar Patches abwarten und wenn die Einschätzungen dazu positiv sind, dem Spiel in der zweiten Winter-Hälfte oder so, ne Chance geben...

  3. 65 %?! Finde ich etwas wenig. Stimme zwar in vielen Punkten zu (speziell Crafting und Charakterentwicklung), aber die Atmospäre, Story sowie das allgemeine Spielgefühl stimmen. Auch die Nebenquests sind gut. Hätte dem Spiel eher 75-80 % gegeben.
    (Wertung nach ca. 8 h Spielzeit)

    Kajetan hat geschrieben: 05.12.2017 16:10 [...] seit dem Square keinen Bock mehr auf die Thief-Serie hat.
    Meiner Meinung nach auch besser so. Das letzte Thief war...naja...Ehrlich gesagt erinnere ich mich nur daran, dass ich ständig in der "OpenWorld"-Stadt von Mission zu Mission gelaufen bin und da tlw. ewig warten musste, bis ich durch das Fenster (Ladebildschirm) durch war. Selbst die Story war nicht sonderlich.
    Wer weiß, zu was die das heutzutage verunstalten würden...
    Aber mit Styx hast du völlig Recht.

  4. Beim Schleichen ist Styx der aktuelle Genrekönig, seit dem Square keinen Bock mehr auf die Thief-Serie hat. Auch wenn "Seven" sich laut diesem Test mit Karacho zwischen alle Stühle gesetzt hat ... das Team scheint Potential zu haben. Ich kenne vom Spiel nur grob die erste Stunde ... und das war gar nicht mal so übel. Hatte was.
    Larian hat ja auch ne Weile gebraucht, bis man wusste, welche Art von Spiel man besonders gut kann und selbst dann war Original Sin noch ein ungeschliffener Diamant. Würde mich freuen, wenn "Seven" genug Anklang finden würde, dass das Team weiter arbeiten kann.

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