Taktischer Genozid
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Small World bietet auf dem iPad für 3,99 Euro zwar nur Zweispieler-Matches, aber es gibt ein Tutorial und eine edle Präsentation samt passender Musikuntermalung. |
Ich bin am Zug: Meine Halblinge halten schon fünf Gebiete auf der bunten Landkarte, die ein Fantasyreich von der Küste bis zum Gebirge darstellt. Aber ich habe lediglich zwei kleine Kriegerplättchen in meiner Benutzeroberfläche, um weitere zu erobern. Das ist vielleicht zu wenig, denn mittlerweile gibt es kaum freie Länder. Die miesen Trolle haben sich nämlich überall ausgebreitet. Wenn ich ihre gesicherten Gebiete erobern will, brauche ich mehr Truppen: Pro Land zwei Krieger und pro Feind, Berg oder Festung nochmal einen. Aber ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den taktischen Genozid? Oder soll ich noch warten?
Mal ausrechnen: Da hinten sitzen zwei Trolle im Gebirge mit einer Festung – da brauche ich schon sechs Halblinge. Zu Beginn des Spiels konnten sich meine zehn Halblinge noch locker ausbreiten, jetzt reicht ihre Schlagkraft einfach nicht mehr aus. Also tippe ich mit dem Finger auf das Symbol meiner Halblinge, wähle den Untergang und in der nächsten Runde ein neues Volk. Zwar gehören die alten Gebiete noch mir, aber dort darf nur noch ein ausgestorbener Halbling symbolisch verweilen, so dass ich sehr angreifbar bin. Hoffentlich war das eine gute Entscheidung&
Von Hexenmeister bis Wassermann
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Welches Volk darf es sein? Ein Fingerdruck genügt! |
Und welches Volk wähle ich jetzt aus? Grübel, grübel: Es gibt insg. 14 Rassen mit eigenen Vorteilen sowie zufällig beigemischten Spezialfähigkeiten – so entsteht immer ein neues Spiel mit unterschiedlichen Kombinationen, die ganz andere Taktiken ermöglichen. Meine Halblinge hatten z.B. von Natur aus die Möglichkeit, ihre ersten beiden Eroberungen mit einer Erdhöhle gegen alle Feinde abzusichern. Außerdem hatten sie die Spezialfähigkeit „Berserker“: Sie durften vor jeder Eroberung nochmal würfeln und das Ergebnis ihrer Schlagkraft hinzufügen – das war sehr nützlich! Denn normalerweise laufen die Kämpfe ohne zusätzlichen Glücksfaktor nach schlichter Berechnung der Stärke ab.
Aber jetzt sind meine Halblinge Geschichte und ich entscheide mich für die Wassermänner, die von Natur aus alle Küstenfelder mit einem Mann weniger erobern können und als Spezialfähigkeit „Diplomat“ besitzen. Damit kann ich am Ende eines Zuges bestimmen, dass mein Gegner mich nicht angreifen darf. Ist das nicht herrlich, so ein aufgezwungener Frieden? Gesagt, getan: Ich bekomme für meine restlichen Halblingländer nochmal je ein Goldstück und darf in der nächsten Runde mit zehn frischen Wassermännern angreifen. Mal sehen, wie mein Gegenüber darauf reagiert…
Automatismen auf dem iPad
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Man kann sich für eine Variante im klassischen Gegenübersitz oder eine für das Nebeneinanderspielen auf der Couch entscheiden. |
Was man auf dem Brett noch selbst zählen und verteilen muss, übernimmt auf dem iPad der Computer. Das sorgt für korrekte Abrechnungen, die komfortable Aublendung falscher Spielzüge sowie eine deutliche Beschleunigung: Dauert ein Spiel am Tisch schon mal eine Dreiviertel- oder ganze Stunde, kann man hier in knapp fünfzehn bis zwanzig Minuten eine Schlacht austragen. Das Artdesign hält sich dabei 1:1 an die hübschen Grafiken der Vorlage und im Hintergrund plätschert eine freundliche Melodie, die das unbeschwerte humoristische Flair der Fantasywelt gut transportiert. Hinzu kommen einige dezente Soundeffekte beim Erobern, Würfeln sowie ein Applaus bei der Abschlussrechnung. Und natürlich muss man hier keine Anleitung studieren, sondern kann in einem Tutorial die Regeln verinnerlichen; wer dennoch etwas nachschlagen will, kann bequem durch eine Kurzregel scrollen.
Die Präsentation kann sowohl grafisch als auch akustisch überzeugen und lässt digitalen Kontrahenten schon vor dem ersten Spiel die Wahl der Sitzsituation: Man kann sich klassich gegenüber setzen und das iPad wie einen Brettspielplan nutzen oder im Couchmodus nebeneinander spielen, wobei die Perspektive automatisch wechselt. Allerdings hat die Variante auf dem iPad auch einen Nachteil: Es sind lediglich Zweispieler-Matches auf einer Karte möglich, während man am Brett mit bis zu fünf Mann auf verschiedenen Karten loslegen kann. Gerade mit mehreren Leuten entfaltet die Eroberung natürlich weitere |
Am Ende eines Spiels werden die Sieger ermittelt: Wer konnte am meisten Münzen einheimsen? |
taktische Reize, so dass hier lediglich Appetit gemacht wird. Trotzdem sorgen auch diese virtuellen Duelle für eine Spannung, die vielen anderen iPad-Spielen für zwei Personen abgeht, zumal man auch gegen einen Bot antreten kann, der sich recht clever anstellt.
Wer erobert clever und lukrativer?
Ziel des ebenso witzig wie üppig illustrierten Strategiespiels ist es, dass man am Ende von zehn Runden das meiste Geld auf dem Konto hat. Und das bekommt man in der Regel für gehaltene Gebiete auf der Karte. Wer seinen Zug beendet hat, darf dem digitalen Münzenzählen zusehen, aber das Gesamtergebnis bleibt verdeckt, so dass die Endabrechnung nochmal spannender wird als beim üblichen Fortschreiten auf einer für alle sichtbaren Siegpunktleiste. Aber es gibt auch lukrative Zusatzeinkünfte über die Spezialfähigkeiten, daher sollte man nicht nur die Völker, sondern auch diese zwanzig Bonusplättchen im Auge behalten.
Manchmal gibt es z.B. extra Gold, wenn man eines der sechs Terrains wie Gebirge, Wälder, Sümpfe oder Ackerland besitzt. Und wer eine Rasse als „Händler“ ins Feld führt, verdoppelt sogar die Einnahmen seiner Gebiete – acht besitzen, für sechzehn bezahlt werden! Hinzu kommen offensive Boni wie etwa „Kommando“ oder „Drachenbändiger“: Ersteres sorgt für einen Punkt mehr Schlagkraft und Letzteres für einen ultimativen Angriff auf eine beliebig starke Region, die dann in Flammen aufgeht – egal wie stark sie besetzt ist. Aber es gibt auch defensive Boni wie etwa „Kampierend“ oder „Wehrhaft“, die den Lager- bzw. Festungsbau erlauben.
Jedes Spiel erobert man anders
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Oben das Brettspiel, unten das iPad mit der Umsetzung: Man hat sich grafisch genau an das Vorbild gehalten. |
Aufgrund der zufälligen Mischung von Völkern und Spezialfähigkeiten verläuft jedes Spiel anders und man kann ganz unterschiedliche Strategien einsetzen. Es kann sinnvoll sein, seine Völker schnell untergehen zu lassen und oft zu wechseln – etwa, wenn man die Ghule anführt, die selbst nach ihrem Untergang noch weiter kämpfen! Oder wenn man die Spezialfähigkeit „Kämpferisch“ besitzt, denn dann darf nicht nur eine alte Rasse auf dem Plan bleiben, sondern auch diese. Es kann aber auch sinnvoll sein, seinen Besitz zu regulieren, alles defensiv zu verwalten und nicht so schnell zu wechseln – etwa, wenn man schon viele Länder besitzt und diese gut schützen kann.
Sehr motivierend ist auch, dass man das Spiel im letzten Drittel noch drehen kann: Selbst wenn man in den ersten Runden vielleicht weniger erobert und verdient, kann man die Machtverhältnisse über die clevere und rechtzeitige Wahl eines zur Verfügung stehenden Volkes noch zu seinen Gunsten verändern. Denn von den 14 integrierten Rassen liegen immer nur sechs aus und die Wahl wird dadurch etwas gewürzt, dass nur das ganz oben liegende kostenlos ist und alle darunter jeweils ein Goldstück verlangen. Lohnt sich ein Verlust von fünf Goldstücken, wenn ganz unten ein Traumduo wie „Wassermänner“ und „Kommando“ wartet, das einem bis zu zwei Kämpfer pro Eroberung spart?
Es stellt ja niemand in Frage, dass Genozid ein Fremdwort ist. Es geht um die Zuschreibung kreativ und die hat für mich in Zusammenhang mit Völkermord doch mit einem äußerst fraglichen und effekthascherischen Beigeschmack.
Ob jemand sich dieser Betätigung in seiner Freizeit hingeben will sei auch jedem selbst überlassen.
Jörg Luibl benutzt an dieser Stelle einen korrekten Begriff. Es ist ein Fremdwort wie jedes andere (z.B. Ökonomie) und nur weil absurdes deutsches Schuldbewusstsein (bezogen auf jüngere Generationen) zu Kontrareflexen führt, ist es nicht verwerflich diesen Begriff zu verwenden.
Interessantes Brettspiel, und was noch viel interessanter ist: Eine gute Umsetzung fürs Iphone. Ich werds mir anschauen =)
Lieber Herr Luibl, passen Sie auf, daß Ihnen bei Ihrem Hang zu "klaren Worten" - man könnte den letzten Post auch mit "selbstgefällige bad-a$$ - Inszenierung" umschreiben - der Sinn für's Spiel nicht ähnlich abhanden kommt, wie einem User, der sich an Ihrer Test-Formulierung störte. :wink:
Wir sollten bei der abscheulichen Wahrheit bleiben und nichts beschönigen. Man muss in diesem Brettspiel sein eigenes Volk möglichst clever um die Ecke bringen, sterben und untergehen lassen, töten und ausradieren. Und jetzt festhalten: Man braucht tatsächlich frisches Pappblut und reichlich Fantasy-Kanonenfutter für Lebensraum - auch in östlichen Bereichen der Karte! Ich bin ein Mann klarer Worte. Das ist taktischer Völkermord aka Genozid. Meinetwegen auch ein Unwort. Aber Spaß macht Small World trotzdem. :wink:
@Jörg Luibl
"...aber mit dem taktischen Genozid kreativer ist!"
Muss so eine Aussage sein? Bin da ja eigentlich nicht dünnhäutig, aber so eine Wortwahl empfinde ich als nicht ansatzweise in Ordnung. "Taktisch kreativer Genozid" ist für mich auf den ersten Plätzen für das Unwort des Jahres. Eine Umformulierung wäre doch sehr wünschenswert.