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Spirit of the North (Adventure) – Schweigefuchs auf Wanderschaft

Spirit of the North möchte die atemberaubende Landschaft Islands einfangen und bedient sich atmosphärisch wie spielerisch bei den modernen Klassikern Ico und Journey. Warum das hüpflastige Rätselabenteuer mit Rotfuchs die Qualität beider Vorbilder deutlich verfehlt, erfahrt ihr im Test.

© Infuse Studio / Infuse Studio / Merge Games

Laufen & Rutschen

Ich mag die eingangs genannten Vorbilder, stehe total auf Indie-Games und bin auch noch in tierische Helden vernarrt. Kurzum: Ich bin geradezu prädestiniert für Spirit of the North. Trotzdem habe ich mich während der ersten 30 Minuten gefragt, ob das jetzt tatsächlich alles sein soll: Ich lenke einen in Bewegung hübsch aussehenden Fuchs durch eine recht grob gerenderte Winterwelt – Schneefeld, Eishöhle, ein paar Felsnadeln und hoch oben am Himmel ein waberndes rotes Band. 

Doch außer einem anderen (Geister-) Fuchs und ein paar verstreuten Skeletten ist da nichts, ich empfinde die Spielwelt als sehr leer – keine Menschen, keine Items und Objekte, keine Gegner, keine Gespräche, keine greifbare Geschichte. Dafür: Spaziergänge durch hohen Schnee, wo ich technisch mittelprächtige Spuren hinterlasse, und schlecht steuerbare Rutschpartien auf dem Fuchspopo, wenn sich die Höhle zu einer überdimensionierten Bobbahn wandelt. Bald finde ich heraus: Hin und wieder liegt ein Wanderstock abseits des Hauptpfades, den kann mein Fuchs aufnehmen und zu einer Ötzi-ähnlichen Leiche in der Nähe bringen – damit helfe ich der Seele des verblichenen Wandersmannes und schalte (sehr langsam) neue Fellfarben für Meister Reineke frei.

 

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Fox Stranding: In manchen Einstellungen erinnert die Landschaft von Spirit of the North an das neue Kojima-Game. © 4P/Screenshot

Die Interaktion mit dem anderen, dem Spektralfuchs ist sporadisch und unklar – mal muss ich der Geistersilhouette hinterhereilen, mal hilft sie mir, wenn ich in der Nähe roter Ranken erschöpft darnieder sinke. Die Spielmechanik dahinter, warum mir diese dämonisch leuchtenden Ranken, die ich gefühlt schon in zwei anderen Dutzend Games gesehen habe, ein anderes Mal nichts anhaben können, verschließt sich mir auf den ersten Blick. Als mein Fuchs endlich neue Fähigkeiten erhält, wird Spirit of the North endlich weniger träge und eindimensional: Wo immer im Level ab sofort eine blaue Blume sprießt, kann ich dort Energie aufsammeln – die brauche ich für antike Steinmechanismen, so öffne ich Türen, drehe Schalter oder lasse mal eine Kugel gen Tal rollen. Daher gilt: Wenn möglich nach der Benutzung der blauen Energie gleich die nächste Blume anvisieren und auftanken!

 

 

Doppelter Fuchs

 

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Blumenfreund: An solchen Stellen holt ihr euch neue Energie für die Aktivierung von Schaltern. © 4P/Screenshot

Noch immer besteht das einzige Spielziel darin, in der leeren Welt von A nach B zu gelangen. B ist in diesem Fall ein hoher Berg (Journey lässt grüßen), in dessen Richtung auch das rote Himmelsband zu fließen scheint. Immer häufiger versperrt mir das Spiel den direkten Weg dorthin: hohe Mauern hier, zu niedriger Wasserstand da, verschlossenes Tor dort drüben – auch wegen der vielen Steinwände fühle ich mich bisweilen an Ico erinnert. Mit ein bisschen Sucheifer ist der umzulegende Schalter aber meist rasch gefunden! Wer die Wege kennt, eilt theoretisch in unter drei Stunden durch Spirit of the North, beim normalen ersten Durchlauf mit ein bisschen Stöckchen-zu-Leichen-bringen solltet ihr aber eher fünf bis sieben Stunden einplanen. Auch weil ab Fähigkeit zwei und drei mehr Suchen und Ausprobieren hinzukommt: Auf Knopfdruck kann ich nun den Körper des Fuchses verlassen (z.B. wenn der einen Schalter beschwert) und als Geist dann einige Sekunden übers Wasser flitzen. Oder per Dash-Funktion breitere Schluchten überspringen – leider fühlt sich vor allem letztere Option nie so genau an, wie man das von einem Plattform-lastigen Spiel erwarten kann. Viel zu oft hüpfe ich neben den anvisierten Felsvorsprung und muss einige lästige Meter nochmal laufen.

 

 

 

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Die spärliche Mythologie des Spiels wird wie in Journey durch Wandmalereien vermittelt – die weiße Fellfarbe des Fuchses lässt sich freischalten. © 4P/Screenshot

Überhaupt ist Spirit of the North nicht so sauber programmiert, wie ich mir das wünsche – oder wie andere, spielmechanisch ähnlich gelagerte Titel das hinbekommen haben. Auch das normale Springen fühlt sich ungenau an, in Kombination mit einem Geysir-Boost werden Flugrichtung und Landung zur Glückssache. Weil nirgendwo ein Bildschirmtod lauert, macht das den Titel zwar nie frustrierend – unschön bleibt es aber über die gesamte Spielzeit. Auch das Erkunden der teils wirklich schön gestalteteten Welt (schroffe Felsen, grüne Auen, malerische Ruinen) wird mir immer wieder vergällt: Entweder weiß ich nicht recht, ob die Entwickler einen Felsen, den ich als Mini-Plattform nutzen will, wirklich dafür vorgesehen haben – irgendwie ist das Ding zu schmal und die Kollisionsabfrage zickig. An anderer Stelle streife ich über ein Felsplateau und plötzlich darf mein Fuchs nicht weiter – eine unsichtbare Wand torpediert meinen Forscherdrang.

 

  1. Tyrantino hat geschrieben: 12.11.2019 16:20
    Usul hat geschrieben: 12.11.2019 16:06
    Tyrantino hat geschrieben: 12.11.2019 15:22Da es aber von sehr vielen als großer Störfaktor beschrieben wurde, der das Spielerlebnis massiv negativ beeinflusst hat ist es sehr naiv, das Spiel dann noch als Meisterwerk zu betiteln.
    Es kommt doch darauf an, ob diejenigen, für die es ein "Meisterwerk" ist, der Meinung sind, daß was auch immer als großer Störfaktor bezeichnet werden kann.
    Nehmen wir 2001 von Stanley Kubrick als Beispiel. Es gibt sehr viele Leute, die den Film langweilig finden und dabei sogar regelmäßig einschlafen. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, es als Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?
    Oder noch besser, ein Autobeispiel: Der VW Käfer wird von vielen als leistungsschwache Grütze empfunden, die sie nicht einmal geschenkt annehmen würden. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, den Käfer als automobiles Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?
    Ich weiß worauf du hinaus willst. Man kann es aber nicht vergleichen, weil es hier nicht um Geschmackssache geht sondern um Spielbarkeit. Denn 2001 ist objektiv, egal wie man ihn persönlich findet ein Meisterwerk. Das sage ich und verstehe gleichzeitig, warum man einschläft. Wenn man aber bei einem Spiel sowas wichtiges wie die Spielbarkeit absichtlich außer acht lässt um es subjektiv Meisterwerk zu nennen find ich das unprofessionell.
    Warum hat die "Seite Meisterwerk" unrecht und die "Seite der letzte Dreck wg. der Steuerung" recht?

  2. OK, dann sind wir aber wieder am Anfang unseres Kreislaufs: Die Gewichtung der verschiendenen Aspekte und das unterschiedliche Empfinden von "Problemen". Offensichtlich gibt es eine Menge Leute, die die Steuerung bei Last Guardian nicht so beschissen finden, daß sie weiterhin von einem Meisterwerk sprechen. Weil die Steuerung vllt. nicht besonders schlimm ist oder weil so vieles andere an dem Spiel stimmt.
    Und bei Spirit of the North ist das augenscheinlich nicht der Fall.

  3. Usul hat geschrieben: 12.11.2019 16:06
    Tyrantino hat geschrieben: 12.11.2019 15:22Da es aber von sehr vielen als großer Störfaktor beschrieben wurde, der das Spielerlebnis massiv negativ beeinflusst hat ist es sehr naiv, das Spiel dann noch als Meisterwerk zu betiteln.
    Es kommt doch darauf an, ob diejenigen, für die es ein "Meisterwerk" ist, der Meinung sind, daß was auch immer als großer Störfaktor bezeichnet werden kann.
    Nehmen wir 2001 von Stanley Kubrick als Beispiel. Es gibt sehr viele Leute, die den Film langweilig finden und dabei sogar regelmäßig einschlafen. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, es als Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?
    Oder noch besser, ein Autobeispiel: Der VW Käfer wird von vielen als leistungsschwache Grütze empfunden, die sie nicht einmal geschenkt annehmen würden. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, den Käfer als automobiles Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?
    Ich weiß worauf du hinaus willst. Man kann es aber nicht vergleichen, weil es hier nicht um Geschmackssache geht sondern um Spielbarkeit. Denn 2001 ist objektiv, egal wie man ihn persönlich findet ein Meisterwerk. Das sage ich und verstehe gleichzeitig, warum man einschläft. Wenn man aber bei einem Spiel sowas wichtiges wie die Spielbarkeit absichtlich außer acht lässt um es subjektiv Meisterwerk zu nennen find ich das unprofessionell.

  4. Tyrantino hat geschrieben: 12.11.2019 15:22Da es aber von sehr vielen als großer Störfaktor beschrieben wurde, der das Spielerlebnis massiv negativ beeinflusst hat ist es sehr naiv, das Spiel dann noch als Meisterwerk zu betiteln.
    Es kommt doch darauf an, ob diejenigen, für die es ein "Meisterwerk" ist, der Meinung sind, daß was auch immer als großer Störfaktor bezeichnet werden kann.
    Nehmen wir 2001 von Stanley Kubrick als Beispiel. Es gibt sehr viele Leute, die den Film langweilig finden und dabei sogar regelmäßig einschlafen. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, es als Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?
    Oder noch besser, ein Autobeispiel: Der VW Käfer wird von vielen als leistungsschwache Grütze empfunden, die sie nicht einmal geschenkt annehmen würden. Soll man nun aufgrunddessen aufhören, den Käfer als automobiles Meisterwerk zu bezeichnen, wenn man nicht zu diesen Leuten gehört?

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