Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als zu Beginn der CD-ROM-Ära die Scheiben vornehmlich mit Filmsequenzen gefüllt wurden? Von The 7th Guest und Shockwave über Wing Commander 3 und Privateer 2 bis hin zu den Abenteuern von Tex Murphy wirbelten plötzlich real gefilmte Akteure und teilweise sogar echte Hollywood-Stars durch die Videospielwelten. Manchmal reichte es den Machern schon aus, um in aufwändigen Introsequenzen für Filmflair zu sorgen und den massig vorhandenen Speicherplatz zu verprassen, wie es z.B. beim ersten Resident Evil auf der PlayStation der Fall war. Selbst Adventure-Königin Roberta Williams konnte den faszinierenden Möglichkeiten der modernen Technologie nicht widerstehen und inszenierte mit Phantasmagoria einen interaktiven, wenn auch mäßigen Horrorstreifen für das CD-Format. Auch Gabriel Knight kehrte in den Fortsetzungen zu dem klassischen Point’n’Click in Form eines interaktiven Films auf den Bildschirm zurück.
Trotz dieses Trends steckte im Kern von vielen derartigen Produktionen aber immer noch das reine Spielerlebnis: Bei The 7th Guest oder The 11th Hour wurde zwischen den Videosequenzen über die Lösungen von Rätseln gegrübelt und bei Wing Commander 3 stieg man immer noch selbst ins Cockpit, um es in den Raumschlachten mit den Kilrathi aufzunehmen.
Wenig Spiel, wenig Film
So viel „Spiel“ gibt es bei The Complex nicht: Die Interaktion beschränkt sich tatsächlich nur darauf, an Knotenpunkten unter Zeitdruck eine Entscheidung zu treffen und diese auf Knopfdruck zu bestätigen. Damit ist der Titel von Wales Interactive ein interaktiver Film in Reinkultur, den man theoretisch genauso gut bei Videoanbietern wie Netflix oder Amazon Video ins Programm aufnehmen könnte, wo es derartige Experimente bereits gab – man denke z.B. an Black Mirror: Bandersnatch.
Dabei hat man nicht immer nur die Wahl zwischen Weg A und B, sondern teilweise sogar mehrere Optionen, in welche Richtung man die Handlung vorantreiben möchte. Allerdings ist die Zeit oft relativ knapp bemessen – langes Abwägen oder Herumdrucksen ist also nicht drin. Falls man sich nicht entscheiden kann, wird nach Ablauf des Limits automatisch eine Antwort ausgewählt. Sie beeinflussen nicht nur die Handlung, sondern auch die Beziehung zu anderen Mitmenschen, die eine Rolle in der Geschichte spielen. Ein Status-Bildschirm, den man jederzeit aufrufen darf, gibt Aufschluss über die aktuellen Beziehungen zu den einzelnen Personen, dessen Wert sich aufgrund getroffener Entscheidungen dynamisch verändert. In einer weiteren Übersicht werden außerdem die Charakterwerte der Protagonistin Dr. Amy Tennant (Michelle Mylett) vermerkt, darunter Faktoren wie Ehrlichkeit, Mut, Neugierde, Intelligenz und Empfindlichkeit. Sie spiegeln den Lauf der Geschichte ebenfalls wider und entscheiden am Ende darüber, welche Einstufung man bei der Persönlichkeitsbeurteilung erhält. Apropos: Ein Durchgang hat etwa eine normale Spielfilmlänge von etwa 90 Minuten. Je nach (dummer) Entscheidung kann aber schon nach 20 Minuten der Abspann laufen.
Also beim Fazit hätte ich jetzt eingeworfen das in den letzten Jahren mit Late Shift und The Bunker durchaus Gutes vom Wales Interactive kam, glaub da waren die aber eher Publisher..
Ein klarer Sale Kandidat bei mir Late Shift hatte mir schon ein ganz gutes Filmerlebnis geboten, aber man spielt es ja eher wirklich mehrmals..