Hinsehen!
Was kitschig klingt, ist in keiner Weise albern. Im Vordergrund steht ohnehin nicht die Geschichte, sondern das Erforschen prachtvoller Schauplätze, die von plastischen Kulissen zum Leben erweckt werden. Wenn farbenfrohe Ebenen beim perspektivischen Verschieben den Eindruck von Tiefe erzeugen und dickes Laub zwischen gelben Sonnenstrahlen schwebt, gehört The Deer God zu den schönsten Spielen dieser Tage. So schmalzig das klingen mag, so zauberhaft sieht es aus.
Der Hirschgott erwacht also als Rehkitz, um im Laufe seines Abenteuers zu altern. Kann er zunächst nur kleine Sprünge machen, erreicht er schließlich auch höhere Plattformen. Stirbt er, wacht er an einem Speicherpunkt wieder auf – als Kitz, das erneut wachsen muss. Das Aufspüren von Geheimnissen und Erledigen kleiner Aufgaben wird dann nicht unmöglich, aber schwieriger – ein gelungener Anreiz, um aufmerksam durch die Welt zu galoppieren.
Endlos gleichsam
Denn das ist nicht immer einfach: Tödliche Spitzen zieren viele Täler. Bären, Jäger und sogar Greifvögel wollen dem Hirsch ans Leder und gelegentlich trifft er gar auf einen Untoten. Könnte er nicht in Ruhe Verstecke erkunden und hohe Plattformen absuchen? Theoretisch schon, allerdings muss er so häufig Nahrung zu sich nehmen, dass ihm über weite Strecken nur der schnelle Weg nach vorne bleibt – oder zurück, denn die Früchte an Bäumen und Sträuchern wachsen nach. Tut er das nicht, verhungert er.
Obwohl er nicht automatisch los läuft, erinnert The Deer God dadurch an einen so genannten Endlos Runner. Schade: Die schnell vorbei ziehenden Winter- Wüsten- oder Waldlandschaften verkommen so zu Baukasten-Elementen, deren Einzelteile sich viel zu schnell wiederholen.
Kreislauf des Lebens
Und wofür die Hatz? Das Überleben an sich ist vielleicht schon Genugtuung. Mit einer Kuh kann der Hirsch zudem Nachwuchs zeugen und das Kitz anschließend beschützen; ein kurzes Anhalten neben dem weiblichen Tier genügt. Die Reinkarnation als sein eigener Nachwuchs dient ihm zudem als Speicherpunkt – als einziger im optionalen Hardcore-Modus.
Einen langfristigen Sinn hat das Erledigen kleiner Aufgaben für einzelne Menschen oder für die Älteren der Hirsche. Er kann Statuen aktivieren, indem er Rätsel löst oder die entsprechenden Steine einsetzt. So erhält er neue Fähigkeiten und Gegenstände. Erstere lassen ihn z.B. stärker mit dem Geweih zustoßen oder gar Blitze schleudern, mit Letzteren schwebt er nach einem Sprung langsam weiter oder ist für kurze Zeit unverwundbar.
Fleiß oder Faszination?
Viele Herausforderungen sind allerdings trivial, manche sogar fehlerhaft. So kann es passieren, dass der Hirschgott zwei Menschen finden und in eine Kirche begleiten soll, obwohl sie zehn Meter daneben stehen. An
einer anderen Stelle muss er einen weiten Sprung ausführen, was ihm aber so lange nicht angerechnet wird, bis
er an einer ganz bestimmten Stelle landet.
Höhepunkte sind Duelle mit Tieren, die ihn um etliche Köpfe überragen. Gegen diese Widersacher muss er die Umgebung nutzen und taktisch angreifen. Doch das sind Ausnahmen. Die meisten Kämpfe erlebt der Hirsch als tumbes Anstoßen seiner Gegner. Seine speziellen Fähigkeiten machen manches Aufeinandertreffen zwar abwechslungsreicher, spannender aber kaum.
Und so rennt und rätselt er in einer famosen Welt, die schnell an Reiz verliert. Die einzelnen Teile seines Abenteuers sind nicht stark genug, um es zu tragen – weder die ständige Sorge ums Verhungern noch die Gefahren der Umwelt. Die Suche nach neuen Fähigkeiten und Gegenständen ist irgendwann nur reine Fleißarbeit, während der prachtvolle Schauplatz ohne spielerisches oder erzählerisches Gerüst bald nur Fassade ist.
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