Die Qual der Neutralität
Und Geralt? Er muss sich keiner Fraktion anschließen, muss den temerischen Lilien also keine Treue erweisen, es gibt auch keinerlei Statistik oder Fortschrittsleisten für seine Dienste am Kaiser, für die Rebellen oder die anderen Parteien wie die Scoia’tel, die als kämpfende Organisation der Anderlinge im zweiten Teil noch sehr wichtig waren, aber hier etwas im Hintergrund der Story verblassen. Aber er kann in den Quests sowohl den eiskalten Handlanger der Nilfgaarder als auch den Unterstützer der Einheimischen geben – was durchaus schwer fällt, denn in den sehr guten Dialogen wirken die Erklärungen beider Seiten immer irgendwie plausibel.
Einem Zwerg wird z.B. die Hütte abgefackelt, weil er für die Besatzer aus Nilfgaard schmiedet. Geralt findet den betrunkenen Brandstifter, der natürlich seine eigenen Motive hat. Er kann ihn ziehen lassen, an die Wachen ausliefern
oder zum richtig schlecht gelaunten Zwerg bringen. Und was macht man mit einem temerischen Rebellen, der einen belügt und einen hinterhältigen Mord begangen hat, um an wichtige Medizin für verwundete Kameraden zu kommen? Man kann ihn an Nilfgaard übergeben, die Medizin behalten oder ihn mit besten Wünschen ziehen lassen. Ob sich das später auszahlt oder rächt? Es fällt nicht immer leicht, die hexertypische Neutralität zu wahren und in erster Linie an seine Bezahlung zu denken. Wie auch immer wirken sich manche Aktionen nicht nur auf verfügbare Folgequests aus – es kann also auch sein, dass mögliche Aufgaben nicht verfügbar sind, weil der Hexer jede weitere Kooperation mit seinen Taten zunichte macht.
Die spürbaren Folgen
Es gibt direkt sichtbare Folgen, wenn man z.B. ein verlassenes Dorf von einem Fluch oder einen Tempel von Monstern befreit und die Leute danach wieder alles aufbauen – inklusive Händler & Co. Man kann nicht nur sehen, wie sich die kriegsgebeutelte Umgebung wieder zur Normalität entwickelt, man kann es auch hören, wenn die Dörfler einen dafür loben.
Hinzu kommen indirekte Spätfolgen: Als ich in einer Taverne ein (gut gemeintes) Blutbad anrichte, flieht die verzweifelte Wirtin. Erst dachte ich es sei ein Bug, weil sie nicht mehr im Schankraum auftauchte und damit auch als Händlerin nicht mehr verfügbar war. Aber viele, viele Stunden später sitze ich im weit entfernten Novigrad in einer anderen Taverne und will einer Bardin lauschen, als die alte Wirtin plötzlich unter den Zuschauern aufspringt und mich als Mörder beschimpft – eine sehr schöne Spätreaktion! Man hat also immer das Gefühl, dass sich die eigenen Taten auswirken, zumal man mit seinen wesentlichen Entscheidungen auch drei mögliche Enden einleiten kann.
Knackige Dialoge mit Entscheidungen
Wie laufen die Gespräche ab? Geralt redet als Hexer nicht viel. Man hat zwar meist die Wahl zwischen freundlichen, schroffen oder aggressiven Antworten, muss in einigen Situationen auch mal gegen die Zeit antworten oder reagieren (soll man sich wirklich vor dem Kaiser verbeugen?), aber das Dialogsystem beschränkt sich auf das Wesentliche. Das heißt, dass es weder besonders viele noch verschachtelte Gespräche gibt, in denen man sich rhetorisch beweisen muss – dafür gibt es ja auch keine Charakterwerte. Das heißt nicht, dass die Dialoge schlecht geschrieben sind. Im Gegenteil: sie wirken meist angenehm authentisch und leben vom derben Witz oder
bitteren Sarkasmus. Und der Hexer kann immerhin eines seiner arkanen Zeichen nutzen, um all zu aggressive Gesprächspartner zu beruhigen oder andere zum Reden zu bewegen.
Trotzdem vermisse ich des Öfteren die Möglichkeit, mich etwas genauer zu informieren oder weiter mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Und es gibt nur einige wenige, aber dennoch ärgerlich eingleisige Situationen, in denen mir als Geralt gar keine Wahl gelassen wird, obwohl man die Szene offener hätte ausspielen können: Als Geralt und Vesemir zu Beginn in einem Gasthaus eine Schlägerei befürchten und der ältere den jüngeren Hexer noch extra davor warnt, beide da mit reinzuziehen, kann man das anschließende Gemetzel nicht verhindern – hier gab es nicht mal einen Dialog oder eine Szene für eine Reaktion. Und Vesemir rüffelt Geralt auch noch für die Eskalation. Gerade weil die schwierige Neutralität auch ein erzählerisches Leitmotiv ist, gerade weil dem Hexer so oft in kleinen Situationen eine Entscheidung für oder gegen den Kaiser oder die Rebellen abverlangt wird, fühlt man sich in dieser Szene von der Regie gezwungen. Aber wie gesagt: Die Leine ist selten so straff.
Finde es unreal The Last of Us 2 über The Witcher 3 zu erheben und zu sagen, Witcher 3 war gar nicht so gut damals wie angenommen, ein überschätztes Game. Technisch sowieso nicht vergleichbar mit The Last of Us 2 (Witcher 3 war übrigens nicht PS4 Exklusiv, da speilen also auch andere Faktoren mit was die Engine betrifft), weil da einige Jahre und Entwicklungszeit dazwischenliegen.
Jetzt fehlt nur noch das behauptet wird The last of Us 2 hat in seiner Quantität und Qualität genauso viele gute Charaktere zu bieten wie ein Witcher...
Habe selten so eine weltfremde Meinung gehört. Es ist Dein gutes recht The Last Of us 2 als ewiges Meisterwerk anzuloben, aber besinne Dich evtl. doch ein bißchen auf Objektivität und Neutralität. Balance mein Freund ist das wichtigste im Leben!
"Ellie"
"was ist Dina"
"wie schmeckt dir Witcher 3"
"alt und zäh, wie schmeckt dir The Last of Us 2 Geralt"
"ziemlich blutig Ellie"
"eine Prise Rache verfeinert den Geschmack"
Yay
Ich hole ja gerade Hellblade nach. Und hier habe ich den Artstyle und vor allem die Farbpalette nun gefunden, die ich mir mal für Witcher 3 gewünscht habe und nach der es zu Beginn ja auch aussah, bevor CDP dann in die Bonbonkiste gegriffen haben.
Und wie stehts mir RDR2?
Ich verstehe was du meinst aber es ist doch durchaus legitim die Kamera zu kritisieren...
Die Engines sind auf komplett unterschiedliche Anforderungen ausgelegt.
TLOU2-Scripts sind deswegen so flüssig, weil sie komplett linear durchgescriptet sind und sogar von Schauspielern gemotioncaptured. Da spielt quasi nur ein Film mit festen Skript...