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Those Who Remain (Adventure) – Kleinbürgerliche Finsternis

Edward wollte endlich Schluss machen mit den Lügen und seiner Affäre, doch der Ausflug zur verschwundenen Geliebten ins abgelegene Motel entwickelt sich zum Horrortrip. Der richtige Ausgangspunkt für ein Adventure mit ungutem Gefühl und Schleich-Einlagen? Wir überprüfen es im Test.

© Camel 101 / Wired Productions / WhisperGames

Fragile Funzeln

Als Edward am Rande des Städtchens Dormont auftaucht, ist nicht nur Geliebte Diane verschwunden – auch der Großteil der Bevölkerung scheint zu geisterhaften Schemen mutiert zu sein, die mit Mistgabeln und vorwurfsvoll glühenden Blicken bewaffnet in stockfinsteren Bereichen auf ihn warten. Ähnlich wie im Horror-Knobler LIT muss er also zunächst geschickt an verbarrikadierten Fenstern vorbei um die Ecke huschen: Dunkle Bereiche werden mit schwer zu erreichenden Lichtschaltern, Weihnachtsbeleuchtung, Scheinwerfern oder Generatoren vor Scheunen erhellt.

Hier ist man allerdings aus der Ego-Perspektive unterwegs, was zusammen mit dem bedrohlich anschwellenden Psycho-Soundtrack und rückwärts abgespielten Geräuschen ungute Gruselstimmung vermittelt. Weniger passend wirkt die schwankende Qualität der deutschen Vertonung, die sich immerhin auf Englisch umschalten lässt. Die Licht-Puzzles sind zwar nicht so clever und komplex designt wie im oben erwähnten Wii-Spiel, gestalten sich aber durchaus unterhaltsam, was sich vom restlichen Großteil der Aufgaben nicht gerade behaupten lässt.

Hier geht‘s lang

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Tot, aber nicht hirntot: Der verächtlich starrende Mob im Dunkeln achtet immerhin akkurat auf die Abstandsregeln. © 4P/Screenshot
Ein surrealer Maskenmann im Schaukelstuhl scheint ein fieses Spielchen mit Edward zu spielen, auf das ich aus Spoiler-Gründen nicht zu detailliert eingehe. Nachdem man beim monotonen Durchwühlen von Familienanwesen, einem Diner oder Polizeiwachen einige Tagebucheinträge, Ermittlungsergebnisse sowie Zeitungsartikel durchgelesen hat, gibt es hin und wieder Entscheidungen zu fällen, welche nach ca. sechs Spielstunden Einfluss auf die alternativen Ausgänge nehmen. Immer wieder stolpert man in diesem Kontext über gruselige alte Gemälde sowie übersinnliche Dokumente rund um Folter-Rituale, Rache und Vergebung. Welche Rolle spielt z.B. ein Rowdy mit familiären Problemen beim „Fahrradunfall“ der jungen Annika? Schon früh wird klar, dass der Fall verdächtig schnell zu den Akten gelegt wurde.

Das verstorbene Mädchen erscheint sogar persönlich als Geist, um den Spieler ein wenig bei den frühen Ermittlungen an die Hand zu nehmen. Durchdacht wirkt das Durchwühlen der Gebäude aber nicht. Ab und zu vollzieht man zwar einen Wechsel in eine surreal überwucherte, alternative Realität ohne störende Gravitation. Doch auch dort gibt es meist nur einfache Aufgaben zu erledigen, etwa das Weghieven schwerer Objekte von einem Fenster. Auch Puzzles wie das Aufdrehen mehrerer Ventile oder das Platzieren einiger Fässer auf Plattform-Schaltern wirken reichlich altbacken.

PS4-Geruckel

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Ein harmloser Häftling oder ein Mörder auf der Flucht? © 4P/Screenshot
Immerhin etwas spannender wird es, wenn in den sehr simpel konzipierten Schleichpassagen ein barbusiges Monster durch die Gänge stampft. Dabei werden zwar ungute Erinnerungen an Jeff aus Half-Life: Alyx wach – statt fieser Rätsel-Glitches gibt es hier aber meist nur einfache Suchaufgaben wie das Anzünden von Kerzen in der passenden Reihenfolge. Schön, dass das von einer KI gesteuerte Wesen unberechenbarer durch die Gänge stampft als in vielen anderen Titeln. Ein Gefühl von Horror stellt sich aber nicht ein – dazu bewegt sich das exhibitionistische Monstrum einfach zu albern und abgehackt. Der Rest der Kulisse enttäuscht ebenfalls: Figuren glänzen puppenhaft, die Burger im Diner sind eckig und die schwache Beleuchtung lässt dunkle Ecken übertrieben stark versumpfen. Selbst für eine Horror-Kulisse, die psychologische Motive visualisieren soll, statt einen realgetreuen Lichteinfall zu simulieren, sind die Kontraste hier einfach zu krass geraten. Auf der PS4 Pro muss man zudem mit ständigem Ruckeln leben.

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Nicht nur bei Hamburger Nachtjoggern beliebt: Stirnlampen mit Hochleistungs-LED. Sanfte Schatten und Spiegelungen wirken durchaus ansehnlich, im Gegensatz zum Rest der Kulisse. © 4P/Screenshot

Zudem ist man dort auf die ziemlich hölzerne Controller-Steuerung angewiesen. Auf einem aktuellen Spiele-PC läuft es zwar runder, doch auch dort wirken die Laufbewegung und die allgemeine Steuerung holprig – u.a., weil die Hotspots nicht immer sauber platziert wurden. Hier und da übersieht man auch mal eine wichtige Schlüssel-Schublade, weil ein bewegliches Objekt drauf gelandet ist. Das verwirrt vor allem deshalb, weil Schränke und Kommoden sich hier sehr inkonsequent öffnen lassen – oder eben nicht.

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