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Too Human (Rollenspiel) – Too Human

Tolkien hatte Massenschlachten inszeniert, als das Kino noch in den Kinderschuhen steckte. Denn wer sich in den Zeilen eines packenden Romans verliert, kennt das Gefühl: Ein gut geschriebenes Buch braucht nur wenige Zeilen, und im Handumdrehen blühen unscheinbare Buchstaben zu einer fantasiereichen Welt auf. Während unsere Sinne bloßen Text aufnehmen, entstehen wie von selbst steinerne Burgen, gewaltige Kriege und faszinierende Charaktere. Ja, Too Human könnte wie ein gutes Buch sein…

© Silicon Knights / Microsoft

Doch wer Akustik und Musik schon anspricht, darf den Soundtrack nicht vergessen. Warum eine Untermalung, die vom Regisseur so sträflich vernachlässigt wird, überhaupt der Rede wert ist? Weil sie zu den kraftvollsten, wehmütigsten und schönsten ihrer Art gehört! Tatsächlich sind die vom FILMharmonic Orchestra and Choir Prague eingespielten Melodien der einzige makelloser Höhepunkt in Too Human. Dass Komponist Steve Henifin trotz Eternal Darkness und Twin Snakes ein recht unbekannter Name ist, dürfte sich jedenfalls bald ändern.

Den biederen Filmen zum Trotz: Es sind die kämpferischen Trommeln, welche das Verhauen der immer gleichen Gegnermassen mit dem Beginn eines großen Krieges verbinden. Es ist das traurige Thema beim Auftritt der Walküren, welches die viel zu lange Wiederbelebungs-Sequenz erträglich macht. Und es sind allein die Stimmen des Prager Chors, welche die

Heimdall gehört zu den überzeugenden Charakteren…

weitläufigen, furchtbar leeren Areale mit Leben füllen. Denn auch spielerisch entpuppt sich Silicon Knights‘ Langschläfer als ein Kandidat für die „gut gedacht, teils schlecht gemacht“-Auszeichnung.

Elfenhafte Roboter

Gut gedacht, weil die ungewöhnliche Steuerung nach einer langen Gewöhnungsphase flott von der Hand geht und einige coole Finessen erlaubt. Schlecht gemacht, weil die so entfachte martialische Brillanz von technischen Kleinigkeiten ausgebremst wird und sich in unglaublich einfallslosen Schauplätzen verläuft. Schuld daran sind nicht die Kulissen selbst – im Gegenteil! Die teilweise riesigen Innen- und Außenareale füllen problemlos den epischen Rahmen, in dem sich die ideenlose Inszenierung noch verliert. Aus Stein geschlagene Mauern und eiserne Konstruktionen erstrecken sich scheinbar kilometerweit in die Höhe, in einigen Hallen erreichen nicht einmal gigantische Statuen die Decke. Man kann der Kulisse ihre sterile Kälte vorwerfen – das schiere Ausmaß der fast greifbaren Schauplätze ist allerdings beeindruckend!

Umso bedauerlicher ist es, dass der manuelle Kameradreh (umständlich zu handhaben über linken Bumper plus rechten Stick) nur ein kleines Stück in alle Richtungen schwenkt. Einen Eindruck vom Gesamtbild darf man sich so nie verschaffen, von echter Übersicht ganz zu schweigen. Viel bedauerlicher ist die Tatsache, dass die Technik mit der eindrucksvollen Kulisse nicht Schritt halten kann. Spätestens, wenn sich ein Dutzend Gegner im Fokus einer Nahaufnahme befinden, kommt Baldur ins Stolpern. Oder er bleibt in der Luft hängen, weil unter ihm ein Untoter steht – lasst es einen der Roboter-Alben, mechanoiden Kobolde sowie androiden Trolle sein, weil sich die Mischung aus Science-Fiction und Fantasy auch in den Monstern widerspiegelt. Auf jeden Fall ist es ärgerlich, wenn der

… Freya nicht.

Kampf wegen technischer Probleme holprig wird und deshalb das Timing für Baldurs schnell aneinander gereihte Attacken nicht mehr stimmt.

Gut kombiniert

Schließlich sind es diese Kombos, mit denen Odins Sohn im Nahkampf den größten Schaden anrichtet. Und den hat er gegen die übergroße Gegnerschar bitter nötig. Böse ausgedrückt bietet das Spiel nämlich nur deshalb gelegentlich eine Herausforderung, weil die Entwickler eine riesige Herde Widersacher gen Baldur hetzen. Dafür verliert Baldur nichts, wenn er nach seinem Ableben und einer auf Dauer viel zu langen Sterbeszene zu einem der teilweise weit entfernten Rücksetzpunkte geschickt wird. Selbst große Bossgegner sind keine Herausforderung, weil er sie durch bloßes Umkreisen-und-Dauerfeuern besiegen kann. Auch ein auf Nahkampf spezialisierter Held ist auf diesem Weg erfolgreicher. Aber zurück zu den Massenschlachten gegen das gemeine Fußvolk, dem ihr am besten mit einer Kombination aus Fern- und Nahkampfangriffen auf den Pelz rückt – hauptsächlich deshalb, weil euch die Fausthiebe der zwei Mann hohen Troll-Roboter aus den Latschen hauen. Deshalb ist es ratsam, deren Rüstungsteile (Kopf, Arme, Beine) nach und nach weich zu schießen, um im Anschluss das darunter liegende Körperteil zu verschrotten. Erst wenn der komplette Mini-Koloss über kein brauchbares Metall mehr verfügt, fällt er zusammen. Natürlich könntet ihr ihn auch zur Hälfte erledigen, dann in seinen Rücken sprinten, eine Taste zu drücken und ihm so auf den Kopf springen. Dort angekommen reicht euch immerhin ein einziger Schlag und der Zwischengegner zerbirst in seine Einzelteile.