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Unruly Heroes (Action-Adventure) – Schlagkräftige Legenden

Einige ehemalige Rayman-Entwickler wollen Spielern den fernöstlichen Romanklassiker „Die Reise nach Westen“ näherbringen – und zwar in ziemlich rabiater Form. Bis zu vier Spieler prügeln pausenlos die Grütze aus Krokodilmonstern sowie anderen mythischen Kreaturen Chinas. Der Geheimtipp für den nächsten Spieleabend?

© Magic Design Studios / Magic Design Studios

Erstaunlich dünn

Trotz Roman-Vorlage wird die Geschichte leider so dünn präsentiert, dass sie sich in einem kurzen Absatz erzählen lässt: Die heilige Schriftrolle bewahrt seit jeher die Harmonie der Welt, wurde aber zerrissen und in alle vier Winde zerstreut. Nun richten schreckliche Kreaturen im ganzen Land Chaos an. Nur vier widerspenstige Helden können das Blatt wenden. Finsterlinge wie der Schuldeneintrieber „Oberkroko“ werden zwischendurch nur kurz in Spielgrafik vorgestellt – oder die zerstreute Schutzgöttin stammelt ein paar einleitende Weisheiten herunter. Zeichentricksequenzen bleiben Mangelware, im Gegenzug können sich die Kulissen aber sehen lassen. An jeder Ecke der detailverliebt gezeichneten Sümpfe, Dörfer und Eiswüsten wird deutlich, dass hier ehemalige Könner von Ubisoft Montpellier am Werk waren.

Mal wird der Boss wie ein nasser Sack durchs Bild geschleudert, anderswo wird das aufgeblasene Kampfschwein zum Animations-Highlight. Ganz so überdreht und albern wie in Raymans Gaga-Welt wird es allerdings nicht. Spielerisch machen sich ebenfalls schnell Unterschiede bemerkbar. So baut das Spiel deutlich stärker aufs Gekeile – inklusive einiger nüzlicher Attacken und Spezialfähigkeiten, von denen manche an speziellen Statuen durch Meditation aktiviert werden. Das verfressene Schwein Kihong etwa verpestet die Luft neben sich mit giftigen Rülpsern und verwandelt sich bei gefüllter Energieleiste in eine Art rollende Kreissäge, die vor allem nervendes Kleinvieh wie Echsen oder Fledermäuse gründlich aus dem Weg bratzt. Oder es inhaliert fleißig und verwandelt sich in einen vier mal so großen Ballon, der in hohe Grotten schwebt, um dort Schalter umzulegen, Spinnweben zu beseitigen oder andere gelungene kleine Rätsel zu lösen.

Gelungener Mix aus Mechaniken

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Dem „sensiblen Grobian“ Sandmonk (links) mangelt es zwar an Fernattacken, dafür klatscht er seine Gegner mit kräftigen Handflächen ins Nirvana – und durchbricht sogar Steinbarrieren. © 4P/Screenshot

Trotz solcher Puzzles handelt es sich übrigens nicht um einen offenen Titel im Metroidvania-Stil. Nach gefühlten hundert Spielen in diesem Bereich ist es richtig erfrischend, endlich wieder in linearen Levels unterwegs zu sein. Die Hüpf-Action wird nur hier und da mit ein paar Abzweigungen, Geheimräumen oder Höhlenschleifen aufgelockert. Eine gute Idee war auch, den Spieler zum Einsatz einfacher Kombos zu motivieren – und ihn dazu zu zwingen, an Gegnern dranzubleiben, weil sich ihre Energieleisten so viel schneller leeren lassen. Per Knopfdruck lässt sich jederzeit zwischen den Figuren wechseln, um das feindselige Gewusel mit dem Stab des Affen Wukong oder mit den Energiekugeln von Sanzang des Weisen auf Distanz zu halten. Auch der Kampf gegen viele bizarre Bosse kann sich sehen lassen. Dabei ist meist eine ausgewogene Mischung aus gewöhnlichen Attacken und typischen Endgegner-Tricks gefragt; z.B. das Packen beim Schweif des betäubten Widerlings.

Dabei wird allerdings auch deutlich, dass es am Feinschliff gößerer Produktionen wie

Rayman

oder Ori mangelt. Bei manchen Bossen mussten wir richtig beißen, nur um kurze Zeit später den nächsten Obermotz im ersten Anlauf abzufertigen. Auch kleine Bugs beim Koop-Ausstieg, gelegentlich Abstürze und die etwas haklige Steuerung beweisen, dass es von Nachteil sein kann, wenn man keinen Zugang mehr zu Ubisofts Qualitätssicherung hat.

Vierfacher Spaß?

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Der Soundtrack passt zum Thema, trommelt und fidelt aber oft zu undramatisch und undynamisch vor sich hin. © 4P/Screenshot

Oft bieten die verschiedenen Sprünge einfach nicht die nötige Präzision für knifflige Passagen, vor allem wenn man unter Zeitdruck von einem bildfüllenden Monstrum verfolgt wird. Selbst profane Dinge wie ein Bodenstampfer lassen sich nur ausführen, wenn man den Stick früh genug in die entsprechende Richtung gedrückt hält. Hier und da werden die Nerven aber wieder vom coolen Hypnose-Feature beruhigt: Hat man erst einmal einen Wolf oder die glibbrige Qualle übernommen, erreicht man per Speer hohe Schalter oder schwabbelt mit schleimiger Haftung gleich persönlich an der Decke entlang – eine schöne Abwechslung! Der Koop für bis zu vier Teilnehmer liegt auf der Chaos-Skala irgendwo zwischen dem nervtötenden Gegenstück in New Super Mario Bros. U Deluxe und dem besser gelösten Rayman Legends. Gemeinsames Losziehen ist hier durchaus eine lustige Angelegenheit, die Übersicht leidet dabei aber deutlich. Vor allem in Bosskämpfen und bei kniffligen Fluchtpassagen werden die Nerven dann noch deutlich stärker strapaziert.

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Nieder mit dem Oberkroko! © 4P/Screenshot

Arbeitet man hier nicht zusammen, ist der Spaß trotz möglicher Wiederbelebung in schwebenden Blasen schnell vorbei. Zu dritt ist zudem der Figuren-Wechsel reichlich wirr umgesetzt. Zusätzlich dürfen sich bis zu vier Spieler in Versus-Matches verprügeln. Ganz so taktisch und ausgefeilt wie in Towerfall Ascension wird es dabei zwar nicht – dank des Schlagrepertoires gibt es aber deutlich mehr Tiefe als in Rayman Legends‘ Fußball-Minispiel. Neben diversen Einstellungsmöglichkeiten für persönliche Vorlieben (z.B. für Teams) wird auch Online-Unterstützung geboten. Mangels Mitspielern konnten wir diese aber nicht ausprobieren – ebensowenig wie die Switch-Umsetzung, für die kein Review-Key mehr übrig war. Auf dem PC, Xbox One und Xbox One X sind uns aber keine Unterschiede aufgefallen. Eine PS4-Umsetzung ist ebenfalls in Arbeit.

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