Veröffentlicht inTests

Vampyr (Rollenspiel) – Kämpfe, Bisse, Dialoge

Anfang 2015 kündigte der französische Entwickler Dontnod (Remember Me, Life Is Strange) an, dass er an einem Action-Rollenspiel über Vampire arbeiten würde – knapp drei Jahre später ist Vampyr für PC, PS4 und Xbox One erhältlich. Und die Vorfreude auf die Blutsauger ist groß: Vielleicht kann das im London des Jahres 1918 spielende Abenteuer ja sogar die große Lücke füllen, die der Klassiker Vampire: Die Maskerade – Bloodlines seit 2004 hinterlassen hat?

© Dontnod Studio / Focus Home Interactive

Das beschränkte Sammeln

Denn wer heilen will, muss sammeln – und zwar ständig, überall: Man findet Zutaten wie Opium & Co in Kisten, Truhen, Schränken, als Beute bei Feinden oder bei Händlern. Die muss man an seiner Werkbank in eine Medizin für Bürger oder ein Serum für den Eigengebrauch verwandeln. Hinzu kommen diverse Griffe, Schrauben, Blei & Co, mit denen man seine Waffen in fünf Stufen grundsätzlich stärken sowie in je zwei Teilbereichen weiter spezialisieren kann. Das wäre per se nicht schlimm, aber zum anderen öffnet Dotnod dafür alle Räume, ohne Rücksicht auf Privateigentum, so dass viele unglaubwürdige Situationen entstehen, wenn man selbst vor den Augen eines konservativen Lords als Fremder alle Schränke und Truhen einfach so plündern darf. Diebstahl? Gibt’s nicht! Immersion? Geht hier flöten. So gut Dontnod die Dialoge inszeniert, leisten sie sich hier einen schlimmen Fauxpas in der Inszenierung, denn man kann ja z.B. Tagebücher mit geheimen Informationen (!) einfach so

[GUI_STATICIMAGE(setid=83912,id=92566474)]
Man findet zahlreiche Hieb- und Stichwaffen, dazu auch Revolver und Schrotflinte. © 4P/Screenshot

vor den Anwesenden lesen. Da baut man eine Welt mit Geheim(!!!)gesellschaften auf und lässt mich wie ein Elefant die Bude stürmen. Hallo, geht’s noch primitiver?

Hier hätten das Schleichen und Infiltrieren sowie das clevere Stehlen besser zum Vampir gepasst – zumindest wie in Dishonored als Option! Und wenn man das nicht inszenieren will, weil es natürlich wesentlich aufwändiger zu entwickeln ist, dann hätte man eben diese Selbstbedienung in bestimmten Situationen nicht anbieten dürfen! Warum kann mir der Vampirwächter nicht den Zugang zum Keller verwehren? Warum lässt man die Schränke in Privaträumen nicht einfach zu? Es gibt keine Ausreden für diesen überflüssigen Bruch der Immersion. Wer immer das durchgewunken hat, hat von Rollenspiel keine Ahnung und soll zukünftig Mobile Games mit All-you-can-grab-Flow entwickeln…

Man kann sich als „gewissenhafter“ Rollenspieler auch kaum zusammen reißen, also das Angebot einfach ignorieren, denn wer alle Bürger heilen oder schlagkräftig gegen die immer stärker werdenden Feinde austeilen will, braucht einfach viele Zutaten – so wird man dazu genötigt, wirklich alles, natürlich aus der Distanz Blinkende, auch anzusteuern und einzusacken. Enttäuschend umgesetzt, weil ebenfalls komplett auf Sammelkram getrimmt, sind zudem die Händler: Man bekommt da kaum vernünftige Waffen – Kleidung oder Ausrüstung gibt es übrigens gar nicht – sondern meist nur Zutaten. Damit sind sie manchmal so nützlich wie der Mülleimer nebenan, denn da kann man auch Zutaten finden. Spätestens wenn man die Hehlerin einer Gang trifft, die tatsächlich Schrauben & Co, aber nicht eine Wumme oder Klinge im Angebot hat, ist man enttäuscht von diesem auf Crafting getrimmten Mistprinzip. Immerhin können nicht nur die Dialoge, sondern auch die dynamischen Kämpfe überzeugen.

Das dynamische Kämpfen

Gegner fixieren, um ihn herum tänzeln, zuschlagen, Magie einsetzen, ausweichen oder bei rechtzeitiger Parade kontern. Ach so: Dabei immer auf die Ausdauer achten! Kennt man woher? Genau, z.B. aus Dark Souls & Co. Nur dass die gut animierten Kämpfe hier flotter ablaufen, also eher wie in Bloodborne. Das liegt nicht nur am fast teleportartigen Seitwärtshüpfer des

[GUI_STATICIMAGE(setid=83912,id=92566479)]
Jonathan kann viele Fähigkeiten freischalten und steigern. Wer schneller aufsteigen will, muss Bürger aussaugen… © 4P/Screenshot

Vampirs, sondern auch daran, dass man über offensive Hiebe auch die eigenen Blutwerte auffüllen kann. Hat Jonathan eine entsprechende Waffe wie das Beil oder einen Dolch ausgerüstet, verursacht er nicht nur Schaden, sondern sammelt mit jedem Treffer wertvolles Blut. Das wiederum funktioniert wie Mana und wird für diverse defensive sowie offensive vampirische Fähigkeiten benötigt – so aktiviert man etwa einen Schild, einen Sprung, einen Blutspeer oder eine Schattenbombe. Schön ist, dass man dabei auf die vier Widerstände der Feinde achten sollte: Manche sind besonders gegen Klingen, Projektile, Blut- oder Schattenmagie geschützt.

Dieses Taxieren und Vernichten macht Spaß, zumal die Feinde gut animiert werden, sich tückisch nähern und einem schon mal an den Hals springen. Neben einfachen gibt es auch mächtige“ultimative“ Vampirfähigkeiten, die den Feind spektakulär in die Luft befördern oder Schaden an allen Feinden im Umkreis anrichten – hat man genug Blut, kann man diese sehr effizient kombinieren, was gerade bei den Bossen wichtig ist. Jonathan kann entweder mit einer zweihändigen Waffe wie der Sense oder einer Keule wuchtig zuschlagen, verliert dabei aber viel Ausdauer, oder mit der Klinge in der linken sowie der Pistole in der rechten Hand kämpfen, wobei Letztere die Aktionen des Gegners unterbricht – auch Schrotflinten sind dabei, die man wie jede Waffe bis zu fünf Stufen weit aufrüsten und mit speziellen Zusatzwirkungen wie Schock oder Feuer versehen kann. Cool ist zudem, dass man auch während der Kämpfe zubeißen kann, wenn man einen Gegner ins Taumeln bringt. All das sorgt nicht nur für einen sehr guten Flow aus Angriff und Verteidigung, sondern auch dafür, dass man hinsichtlich der vielfältigen Charakterentwicklung ins Grübeln gerät: Man kann ja selbst den Schaden sowie die Blutaufnahme seiner Bisse erhöhen! Aber gleichzeitig braucht man mehr Ausdauer! Und man will endlich die ultimativen Angriffe weiter stärken! Es gibt so viele Möglichkeiten…

[GUI_STATICIMAGE(setid=83912,id=92566506)]
Enttäuschend: Bei Händlern gibt es manchmal nur Zutaten… © 4P/Screenshot

Zumal man sich zwingend entwickeln muss: Der Anspruch ist knackig und steigt spürbar an. Über den Vampirblick kann man sich die Stufe sowie Widerstände der Gegner anzeigen lassen, die sowohl aus der Distanz mit Projektilen oder Bomben agieren als auch blocken oder sich mal in die Luft sprengen. Es gibt diverse humanoide und vampirische Typen, wobei Letztere sehr schnell kämpfen und selbst Blutmagie einsetzen. Ernüchternd ist allerdings, dass selbst die Vampir-KI keine Höhen erklimmen kann; so lassen sich manche Gegner einfach so von oben vernichten. Aber diese Gefechte gegen teils vier oder fünf Gegner machen am Boden richtig Laune, zumal man menschliche Wachen und vampirische Monster gezielt in Gefechte verwickeln oder mittendrin beobachten kann – sehr schön!  Allerdings schwankt die Qualität der Bosskämpfe zwischen ernüchternd und richtig gut – wer die Soulsreihe kennt, wird hier weder hinsichtlich des Artdesigns so fasziniert noch derart gefordert. Trotzdem lockern diese Arenasituationen gegen besondere Feinde den normalen Kampfalltag auf und es gibt ein, zwei knackige sowie gut inszenierte Duelle. Vor allem wenn man nicht so brutal spielt und die Bürger schont, kann man hier ins Schwitzen geraten.

  1. Das mit dem Looten hält sich bei Vampyr echt noch in Grenzen. Ja, es gibt keinerlei Konsequenzen für Diebstahl, aber das ist in Cyberpunk genauso, nur mit dem Unterschied, dass es hier noch viel, viel mehr Loot gibt. Teilweise wirklich so viel, dass man nach einem Kampf nochmal 2-3 Minuten investieren muss, nur um Alles abzugrasen. Bei Cyberpunk scheint das aber Alles nicht so schlimm gewesen zu sein.
    Auch das Upgraden der Waffen und die Herstellung von Tränken nimmt nicht wirklich viel Zeit in Anspruch, man findet erst garnicht genug Materialien um hier viel Zeit rein stecken zu können, selbst wenn man Alles mitgehen lässt. Zeitfresser sind in Vampyr da eher die Dialoge und die Laufwege zu den NPCs um ihnen Medizin zu geben, sofern man imer Alle gesund halten will.

  2. Ich frag mich warum ich dafür überhaupt zahlen musste. Angeblich waren Vampyr und NFS Payback nämlich letztes Jahr Oktober im PS Plus. Und ich hab immer ein Jahresabo. Dass ich Payback nicht habe wird daran liegen das es mir selbst geschenkt zu teuer ist, ich meine Bibliothek nicht mit uninteressanten Spielen zumüllen will, aber warum fehlt mir Vampyr?
    Andromeda geht so.Wenn du mit DA den letzten Ableger meinst, da hab ich nach 10 Stunden das Handtuch geworfen und war froh nur 10 Euro bezahlt zu haben. Gameplay und Questdesign aus der MMO Hölle.

  3. PlayerDeluxe hat geschrieben: 25.10.2021 08:50
    Xris hat geschrieben: 24.10.2021 13:28 und es gibt auch keine nachlade Situationen innerhalb der Gebiete.
    Oh ja, das war auch immer fies auf der PS4. Mochte das Spiel prinzipiell sehr gerne. Tolles Setting. Technisch halt nicht ausgereift auf der Last-Gen-Hardware.
    Läuft jetzt auf der PS5 zu 99,9% sauber. :)
    Ich werd das Gefühl nicht los das Jörg da echt 10% abgezogen hat weil er sich am ungestraften Looten und generell an der Notwendigkeit das zu tun gestört hat. Denn davon abgesehen ist das Kampfsystem solide, macht Spaß. Die Dialoge unterhaltsam, die Story bis jetzt jetzt für mich nicht vorhersehbar. Und die Auswirkungen auf das eigene handeln… ich hab mir Whitechapel ruiniert… weil nicht über die Auswirkungen meiner Entscheidung nachgedacht. Es ist’s erfrischend das dieses Spiel nicht wie ein Mass Efect einen böse, gut Balken hat, sondern die eigenen Handlungen tatsächlich Auswirkungen haben und man zuallererst mit sich selbst seine Entscheidungen ausmachen muss.
    Also wer grundsätzlich daran Interesse hat - für 10 Euro aktuell im PSN kann man nicht viel falsch machen.

  4. Xris hat geschrieben: 24.10.2021 13:28 und es gibt auch keine nachlade Situationen innerhalb der Gebiete.
    Oh ja, das war auch immer fies auf der PS4. Mochte das Spiel prinzipiell sehr gerne. Tolles Setting. Technisch halt nicht ausgereift auf der Last-Gen-Hardware.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1