Das Schleichen in Egosicht z.B. ist in seiner Einfachheit gelungen. Geht man in die Hocke, kann man sich nicht nur hinter Kisten vor den neugierigen Blicken feindlich gesinnter Figuren schützen. Auch in Sonnenblumenfeldern ist man weitgehend sicher – es sei denn, die Gegner laufen bei ihren Patrouillen in einen hinein. Dem kann man jedoch entgehen, indem man ihre Laufwege beobachtet, wobei man in der Hocke auch durch Wände und andere Hindernisse hindurch ihre Spuren ähnlich wie bei Horizon: Zero Dawn verfolgen darf. Selbstverständlich darf man sie auch aus dem Hinterhalt ausschalten, wobei man tunlichst darauf achten sollte, die betäubten oder getöteten Opfer zu verstecken, da die Entdeckungs-KI durchaus aufmerksam ist. Doch abseits der Entdeckung reagiert die KI bei weitem nicht so überzeugend. Hat man ihre Wege einigermaßen ausbaldowert, kann man die Gegner meist einen nach dem anderen ausschalten. Und ihre Platzierung in den linearen Abschnitten der Hauptmission (z.B. in Laboratorien, Kasernen etc.) sorgt dafür, dass man tunlichst nicht an frontale Auseinandersetzungen denken sollte. Gegen einzelne Feinde hat man mit dem auf Ausdauer basierendes Kampfsystem mit Block und simplen Angriffen kein Problem. Muss man jedoch gegen drei, vier oder mehr antreten, hat man nahezu keine Chance mehr. Das wiederum vermittelt das Gefühl, dass mir die Entwickler quasi vorschreiben, wie ich mich zu verhalten habe. Für ein Spiel, das Individualität und Freiheit thematisiert, ist das eine bedauerliche Einschränkung.
Die Fassade bröckelt
Zwar kann man in den spärlichen Aufwertungsmöglichkeiten für die Figur auch Verbesserungen freischalten, die Kampf oder Schleichen betreffen. Doch unter dem Strich werden für We Happy Few die Einfachheit in diesem Bereich und die eingeschränkte Wahl der Vorgehensweise zum Stolperstein. Man hat die Grenzen dieser wesentlichen Systeme zu schnell erfasst und kann sich dann darauf konzentrieren, diese Limitierungen zu seinen Zwecken auszunutzen. Dass es dennoch hin und wieder zu einem interessanten Spannungsaufbau kommt, ist einem in Einzelfällen cleveren Leveldesign zu verdanken, dass eine vorsichtige Vorgehensweise fordert, da man mit Fallen oder plötzlichen (geskripteten) Ereignissen konfrontiert wird. Und dass ich trotz der spielerischen Schwächen unbedingt weitermachen wollte, liegt an der spannenden Geschichte sowie der trotz technischer Mankos faszinierenden Spielwelt mit ihren abgedrehten Figuren. Dass diese in Dörfern und Städten meist aus Klonfiguren bestehen, ist allerdings störend. Selbst manche Auftraggeber von Nebenmissionen wurden nicht individuell gestaltet, sondern kopiert, so dass ich häufiger vor der falschen Person stand, um die Quest abzugeben, weil ich durch das identische Aussehen getäuscht wurde. Apropos Nebenmissionen: Da diese zumeist aus Hol- und Bringdiensten bestehen, habe ich diese in etwa ab der Hälfte des ersten Aktes links liegen lassen; zumal die Belohnungen zumeist zu wünschen übrig ließen.
Auch das Sammeln von Rohstoffen samt umfangreicher Crafting-Möglichkeiten für Waffen, Kleidung, Heil- oder sonstige Hilfsmittel wie Dietriche, Brechstangen, Störsender etc. wird irgendwann zu einem notwendigen Übel. Als dessen Folge läuft man irgendwann wie wild durch Räume oder Straßen und klickt alle Behältnisse im Schnellverfahren an, um evtl. dort
versteckte Rohstoffe zu sammeln, die einem gefährlich schnell das durch ein Maximalgewicht eingeschränktes Inventar verstopfen. Abhilfe schaffen die Lager, die man finden und gelegentlich von Umwelteinflüssen oder Gegnern räumen muss, bevor man sie auch als Schnellreisesystem nutzen darf. Hier findet sich eine Maschine mit unendlichem Platz. Und man kann bei der Gegenstandsherstellung von überall auf sein Lager zugreifen – eine gute Idee, die allerdings inkonsequent umgesetzt wurde. Denn für Missionen gilt dieser universelle Zugriff nicht. Einer Figur musste ich Nähzeug bringen. Ich wusste, dass ich welches verstaut hatte und konnte im Rahmen des Crafting-Systems auch darauf zugreifen. Aber ich durfte es nicht der Figur geben, die es benötigt. Also zurück ins Versteck und das Nähzeug manuell ins Inventar geschaufelt. Wieder zurück beim Auftraggeber wartet der nächste Schock: Dank eines massiven Bugs hatte er sich von seiner ursprünglichen Position entfernt und war mit einer anderen Aktion beschäftigt, die es mir nicht erlaubte, mit ihm zu sprechen, geschweige denn, etwas in die Hand zu drücken. Dies hätte im Rahmen der Hauptmission zu einem fatalen „Gamebreaker“ werden können, da mein letzter manueller Speicherpunkt sehr weit zurück lag, doch da dies nur eine Nebenaufgabe war, habe ich es stillschweigend geschluckt.
Aber Kingdom Come war so ein Spiel das man hasst... weil es eben so verdammt gut sein könnte.
Bei Happy Few bin ich jetzt zurück in der Stadt und muss ständig Joy fressen. Da das Schleichen nicht so richtig funktioniert (oder ich nicht verstehe wie ich in der Stadt vorankommen soll ) hab ich an der Stelle abgebrochen. Die Story hat mir bisher nicht wirklich genug gegeben um mich da jetzt durchzubeißen.... obwohl ich das Szenario und den Artstyle so richtig genial finde.
Nun ja, durch Patches, wenn sie gut gemacht sind, werden die meisten Spiele zum Glück besser bzw. sollten es sein.
Kingdom Come war zum Release ein Rohrkrepierer, Agony ist ein völliger Rohrkrepierer.
We Happy Few ist auf jeden Fall solider Durchschnitt, auch wenn der Preis halt stramm ist.