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Xenoblade Chronicles 3 (Rollenspiel) – Krieg und Frieden und Riesenroboter

Für die einen ist es existenzielles Anime-Welttheater, für die anderen eine überfrachtete Rollenspiel-Monstrosität: Die Xenoblade Chronicles fanden in der Vergangenheit Freunde und Verächter. Teil 3 will nun die Lager einen und appelliert an die gemeinsamen Dogmen der JRPG-Fans: Riesenkampfroboter sind Gott. Und ein bisschen Grind geht immer. Damit kehrt das Finale nicht nur zu den Wurzeln der Chronicles, sondern der gesamten Xeno-Reihe zurück. Ambitioniert. Etwas anderes war aber auch nicht zu erwarten, wenn man die Vorgeschichte betrachtet.

© Monolith Soft / Nintendo

Eine kleine Weltgeschichte

Rückblende nach 1999 (Wer direkt zur Beschreibung von Teil 3 möchte, überspringt bitte drei Abschnitte…): Ein tolles Jahr! Der erste Matrix-Film beweist endlich, dass das Tragen von Sonnenbrillen in Innenräumen kein Edgelord-Getue ist, sondern VERDAMMT NOCH MAL DIE WELT RETTET. Fight Club liefert die Blaupause für die Känguru-Chroniken und in Japan verlässt das Game-Designer Paar Tetsuya Takahashi und Soraya Saga den Spielegiganten Squaresoft. Nach ihrem spektakulären Debüt Xenogears wollten die beiden auf eigene Faust Spiele entwickeln. Xenogears genießt zwar noch heute kultische Verehrung, war aber mit einer desaströsen Entwicklungsgeschichte gestraft, die zu einer spielerisch halbgaren zweiten Hälfte und zu verbrannter Erde mit dem Publisher führte. Der Name des eigenen Studios: Monolith Soft.

Trilogie-Finale


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Verdammt zum ewigen Kampf: Das erste Zusammentreffen von Noah und Mio verläuft unentspannt. © 4P/Screenshot

Über 20 Jahre später hängt die Matrix-Franchise ausgelaugt am Tropf und auch Squaresoft, jetzt Square-Enix, zehrt von früherem Ruhm. Takahashis Xeno-Reihe jedoch, inzwischen als Xenoblade Chronicles eine feste Größe im JRPG-Lineup für Nintendos Switch, erzählt unermüdlich Dramen um technoide Götter, allzu menschliche Superwaffen und nervig-knuffige Kampfkartoffeln. Irgendwer musste ja die Beständigkeit bewahren… Nomen est omen, denn so massiv und unzugänglich ein Monolith oft wirkt, so beständig ist er eben auch. Daher verwundert es wenig, dass nach Xenogears für PSone und der Xenosaga-Trilogie für PS2 auch der dritte Teil von Xenoblade Chronicles die für Monolith Soft und Takahashi übliche Mischung aus Genialität und Größenwahn erkennen lässt. Xenoblade Chronicles 3 ist nicht einfach ein Trilogie-Finale. Es verbindet die Welt-Entwürfe des 2010 für Wii erschienenen, ersten Xenoblade Chronicles mit dem Setting des 2017 auf der Switch veröffentlichten Sequels Sequels. Das ist nicht unbedingt eine Überraschung, denn bereits im Switch-Remaster des ersten Teils von 2020 orakelte ein neuer Epilog namens „Future Connected“ von einer gemeinsamen Zukunft der beiden Szenarien.

Kult und Kritik


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Crab Hunter: Mit blauen Flügeln markierte Elite-Gegner brauchen deutlich länger, werfen aber auch ordentlich Belohnungen ab. © 4P/Screenshot

Die Design-Entscheidung ist aber insofern gewagt, als dass die Fans des Seriendebüts nicht automatisch zu den Liebhabern des Sequels gehörten – und umgekehrt: Teil 1 wurde ursprünglich als „Monado: The Beginning of the World“ konzipiert und erst kurz vor Release in den Xeno-Kanon aufgenommen. Dementsprechend geschlossen und eigenständig wirkt dieses Abenteuer mit seinem originellen World-Building, das den Helden Shulk auf die gigantischen Körper zweier im Kampf erstarrter Titanen versetzt. Schelte gab es damals für das unausgegorene Kampfsystem und die Flut an Fetch-Quests. Teil 2 besann sich stärker seiner Xeno-Ursprünge und deutete die „Blades“ als personifizierte Superwaffen um, die in symbiotischer Verbindung mit ihren Besitzern in den Kampf um einen Weltenbaum zogen. Ein verfeinertes Kampfsystem und grandiose Welt-Exploration sorgten für Liebe, manche Kritiker kamen jedoch mit Gatcha-Mechaniken, dem nasenlos-pubertärem Charakterdesign und der kindlichen Hauptfigur Rex nicht recht klar.

Leben, um zu kämpfen


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Frisch gestärkt in die Wüstennacht. Gefällt euch die aktuelle Stimmung nicht, dreht ihr auf Wunsch die Tageszeit vor. © 4P/Screenshot

Teil 3 will nun die gemeinsamen Stärken ausbauen: kühn erdachte Science-Fantasy-Welten, um deren Schicksal interessant frisierte Jungspunde mit eigenwilligen Superschwertern kämpfen. Der Protagonist des neuen Teils heißt Noah und wirkt reifer als der juvenile Rex des Vorgängers. Im Gegensatz zum dronenhaft coolen Shulk aus Teil 1 hat Noah dafür aber durchaus Zugriff auf seine Emotionen und zeigt auch mal Empathie. In der neuen Welt Aionios muss er im Krieg der beiden verfeindeten Nationen Keves und Agnus vermitteln. Beziehungsweise verflöten, denn Noah arbeitet zunächst als Wegweiser. Keine Angst, das bedeutet nicht, dass er nur in schicken Landschaften rumsteht und auf Interessantes deutet (ist vielleicht aber eine Idee für das nächste Spiel von Hideo Kojima). Noah ist ein geborener Soldat. Buchstäblich. Genau wie seine Mitstreitenden wurde er von der Königin von Keves gezüchtet, um gegen die Armee von Agnus zu kämpfen. Überlebt er das zehn Jahre lang, darf er sich in einer zynischen Zeremonie, genannt „Heimkehr“, in Lichtpunkte auflösen und seine Lebenskraft wieder dem ewigen Kriegskreislauf zur Verfügung stellen. So eine kleine Rückblende wie zu Anfang dieses Textes würde für Noah also mehr als das Doppelte seiner Lebenszeit umfassen. Ganz schön dystopisch.