Auf jeden Fall ging es ihm schon mal besser. Ich plaudere kein großes Insidergeheimnis aus, wenn ich feststelle, dass es heutzutage für ein Studio nahezu unmöglich ist, ein halbwegs brauchbares Projekt bei einem der großen Publisher unterzubringen, wenn es nicht auch für PS3, Xbox 360 oder Wii angedacht ist.
Wer weiterhin stoisch behauptet, dass sich die Situation in den nächsten zwei Jahren wieder ändern wird und auf die Marktzyklen in der Vergangenheit verweist, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Genres, die früher eine reine Domäne des PCs waren und auch dann florierten, als NES, SNES oder PlayStation ihre Blütezeit erlebten, gibt es kaum noch.
First-Person-Shooter? Haben sich längst auf der Xbox 360 & Co. etabliert, seit GoldenEye und später Halo sich anschickten, die Charts zu stürmen. Mittlerweile gibt es kaum einen Titel, der nicht auch umgesetzt wird – in den meisten Fällen werden sie eh schon primär für Microsofts und Sonys Systeme produziert. Für PC-Nutzer fällt höchstens eine Umsetzung ab, und zwar in der Regel eine suboptimale. Und ja, allen Dementis zum Trotz dürfte auch Crysis im Laufe des Jahres für beide – jawohl: beide – Konsolen angekündigt werden.
Rollenspiele? Mittlerweile haben es sich auch traditionelle PC-Schmieden wie Bethesda und BioWare neben klassischen Japano-RPGs auf Konsolen bequem gemacht. Echtzeitstrategie? Auch hier machen sich viele gerade zum Absprung bereit. Das legen nicht nur Chris Taylors Äußerungen nahe, bei Electronic Arts setzt man eigene Titel seit HdR: Die Schlacht um Mittelerde II schließlich auch um – siehe auch Command & Conquer: Alarmstufe Rot 3. Mit Universe at War: Angriffsziel Erde versuchen sich Petroglyph und Sega ebenfalls an einem derartigen Unterfangen.
Bleiben also noch MMO-Spiele, Casual-Games und Nischengenres wie auf totalen Realismus setzende Flugsimulationen à la IL-2 Sturmovik oder Adventures und Wirtschaftssimulationen von kleineren Publishern. Aus der Sicht eines PC-Veteranen ein eher dürftiger Rest.
Dass sich der Wind gedreht hat, zeigen auch die Bemühungen von Herstellern, die bisher sehr gut an der Hardwarespirale im PC-Bereich verdient haben: Dass Intel Firmen wie Havok oder just Offset Software übernimmt, ist kein Fall von Kaufsucht. Dass nVidia im letzten Jahr ein Unternehmen wie Mental Images geschluckt hat, schlägt außerhalb der Grafikszene zwar kaum Wellen, zeigt aber auch wie der Aufkauf Ageia eines: Das Unternehmen ist sich trotz aller Rekordeinnahmen in den vergangenen Monaten im Klaren, dass der Bedarf an immer schnelleren Chips in den kommenden zwei Jahren deutlich niedriger sein könnte als bisher. Die Konsequenz: Die Grafikspezialisten suchen nach einem weiteren Standbein: Mit Hilfe der Physikunterstützung hätte man schließlich ein weiteres Verkaufsargument für die eigene Hardware. Dank Mental Images kann man nun eine bei vielen Grafikern verwendete Standardsoftwarekomponente wie Mental Ray sein Eigen nennen.
Wer könnte hier eine Trendwende herbeiführen? Auf der Games Developers Conference wurde jetzt die „PC Gaming Alliance“ (PCGA) gegründet. Das ist eine ebenso illustre wie bizarre Ansammlung von Partnern, von denen im besten Fall noch behauptet werden kann, dass sie in der jüngeren Vergangenheit im PC-Markt nicht unbedingt positiv aufgefallen sind – manch einer ist aber auch für die aktuelle Situation mitverantwortlich.
Da wäre zum Beispiel Microsoft – vermutlich eher der Form halber mit von der Partie. Schon vor längerer Zeit hatten Firmen wie Valve orakelt, dass die Games for Windows-Initiative nichts weiter als ein Marketinginstrument sei, um den Absatz von Windows Vista anzukurbeln. Sagen wir es mal so: Microsoft hat seitdem nicht unbedingt viel dafür getan, die Vorwürfe zu entkräften. Spiele mit dem GFW-Logo sind auch nicht unbedingt deutlich stabiler oder fehlerfreier als nicht derartig gekennzeichnete Produktionen anderer Firmen.
Und das als Schwester für Xbox Live gedachte GFW Live ist immer noch der gleiche Mist, den man zum Launch von Shadowrun und der PC-Umsetzungsgurke Halo 2 vorgesetzt bekam. Der Konzern gelobt zwar seitdem Besserung – getan hat sich bisher allerdings nichts. Nichts. Ja, Microsoft ist ein großes Unternehmen, was wiederum in entsprechend langen Entscheidungswegen resultiert. Das aber scheint schließlich auch niemanden daran zu hindern, einen wesentlich größeren Aktionismus hinsichtlich der Xbox 360 hinzulegen, wie man jüngst auf der Games Developers Conference sehen konnte, wo Schappert & Co. Xbox Live Community Games vorstellten.
In der Zeit, in der sich bei GFW Live herzlich wenig getan hat, haben die Damen & Herren von Valve übrigens eine komplett überarbeitete Version ihrer eigenen Onlineplattform vom Stapel laufen lassen; seit Kurzem dürfen andere Entwickler dank Steamworks außerdem noch kostenlos auf all jene Funktionen zugreifen. Während man bei Microsoft weiterhin den Elan eines überfahrenen Igels auf einer Landstraße bei Bottrop zeigt, haben die Mannen um Gabe Newell – natürlich nicht ganz uneigennützig – versucht, neue Wege aufzuzeigen. Die Half-Life-Macher sind allerdings nicht in der PC Gaming Alliance, was wiederum nahelegt, dass sie entweder nicht gefragt worden sind, oder erstmal kein Interesse daran hatten, dort mitzumachen – das Resultat ist in jedem Fall bezeichnend. Vorerst kann man also etwas stammtischmäßig festhalten: Valve redet nicht. Valve macht.
Ganz im Gegensatz zu Microsoft – denen würde vermutlich kein Zacken aus der Krone brechen, wenn man Halo Wars auch direkt für PC ankündigen würde, anstatt das pflichtgemäß erst nach der Veröffentlichung der 360-Version zu tun, oder Forza Motorsport 2 für jene Plattform umsetzen täte – schließlich gibt es im PC-Markt durchaus Bedarf für Rennsimulationen. Allerdings möchte man in Redmond ja auch noch ein paar Konsolen verkaufen und schwört so lieber weiterhin den Eid des Hypokritis.
Das Feld der Softwarehersteller komplettieren Epic und Activision. Epic hat zugegebenermaßen eine starke Affinität zum PC-Markt, kuschelt in der letzten Zeit aber vor allem mit Sony und Microsoft (Gears of War) – und angesichts der Verkaufszahlen des Bleszinski-Shooters ist der wenigstens auch so ehrlich und gibt zu, welche Prioritäten man bei Epic derzeit hat.
Für Activision hingegen ist der PC-Markt schon vor Jahren ein Buch mit sieben Siegeln geworden, zuletzt machte man dort nur noch sechs Prozent seines Umsatzes. Den Großteil davon wiederum dürfte man wohl einzig Call of Duty 4 zu verdanken haben. Activision macht auch keinen Hehl daraus, dass man seine Stärken im Konsolenmarkt sieht – erst durch die Fusion mit Vivendi Games dürfte etwas mehr PC-Kernkompetenz ins Haus stehen, Blizzard sei Dank.
Bei Firmen wie Acer, Dell/Alienware, nVidia, Intel oder AMD/ATI braucht man nun wirklich keine Hochschulabschluss um zu mutmaßen, wie diese einen gesunden PC-Markt definieren: Ein Markt, in dem die Nutzer regelmäßig neue Hardware kaufen. Kaufen müssen. Wir reden über Hersteller, die in den vergangenen Jahren Entwicklerteams mit Geldbeträgen und anderen Gegenleistungen bombardiert haben, damit die ihre Spiele speziell an deren Hardware anpassen bzw. für diese optimieren. Hersteller, die Nutzer mit gelegentlich mehr als unausgereiften Treibern malträtiert haben. Hersteller, die Kunden mit teilweise konfusen Bezeichnungen der eigenen Produkte verwirrt haben. Der Unterschied zwischen „GS“ oder „GT“ oder „GTS“ erschließt sich nur jemandem, der sich näher mit der Materie beschäftigt. Das aber wollen viele potenzielle Interessenten nicht. Und wenn eine Karte mit einer höheren Nummer teilweise schlechtere Benchmarkwerte hat als ein Gerät mit einer niedrigeren Kennzeichnung, weil sie vielleicht einen kleineren Speicherbus oder langsameren Videospeicher hat, ist der Spaß vollends garantiert. Wer eine Konsole kauft, weiß im Großen und Ganzen, was er bekommt.
AMD/ATI schaut derzeit eh wie ein Reh ins Scheinwerferlicht. Im sich nähernden Auto sitzen sinnigerweise die PCGA-Partner Intel und nVidia. Und wenn Letztere übrigens nicht gerade von 20000-Dollar-Boliden träumen, fantasiert man über PCs, in denen Grafik und Physik zuliebe auch gerne mal bis zu drei GPUs drin stecken. Prost Mahlzeit.
Die PCGA schwadroniert einerseits über Entwickler, die ihre Hardwareanforderungen zu hoch ansetzen und damit nur noch einen kleinen Teil der PC-Besitzer ansprechen, andererseits möchte man auch neue Technologien besser und schneller einführen. Informationen, wie dieser Spagat bewerkstelligt werden soll, liegen allerdings noch nicht vor. Die Hardwarehersteller dürften nicht wirklich daran interessiert sein, dass sich die Entwickler mehr am Riemen reißen, waren High-End-Spiele bisher immer noch eines der stärksten Zugpferde für neue Rechnergenerationen. Vor über 15 Jahren waren es Origin-Spiele wie die Wing Commander-Reihe oder die erste Generation der FPS-Titel, die PCs bis an ihre Grenzen und darüber hinaus trieben, später folgten Quake, Half-Life und Unreal und halfen dabei, 3D-Beschleunigerkarten zu etablieren.
In der näheren Zukunft wird es allerdings schwieriger werden, derartige Upgrades zu rechtfertigen. Das sieht man am Beispiel von DirectX 10, welches einfach nicht aus dem Knick kommt. Das wiederum hat zweierlei Gründe. Microsoft sieht die Software als Verkaufsargument für Vista und weigert sich bisher, das Paket auch auf Windows XP zu portieren. Es ist allerdings jenes XP, das nach wie vor in den meisten Rechnern installiert ist.
Und auch wer sich einen neuen Rechner mit Vista kauft, hat nichts von DX10, wenn nicht auch eine entsprechende Grafikkarte im Gehäuse steckt. Das ist bei Hardcoregamern naturgemäß der Fall – bei vielen anderen Nutzern aber nicht unbedingt, da beispielsweise viele Laptops oder Desktop-Systeme in der unteren oder mittleren Preisklasse mit Onboard-Grafikchips oder älteren Modellen ausgestattet sind. Die könnten absolute Hardwarefresser vermutlich nicht in voller Pracht erleben – so lange sie die aber zumindest theoretisch abspielen können, sehen die Publisher sie auch als potenzielle Kunden.
Was sich bisher mit dem „DirectX10-Unterstützung“ auf der Packung schmückt, ist im Prinzip nichts weiter als aufgehübschte DX9-Ware. Echte, von Grund auf für DX10 entwickelte Spiele wird es aber auch aus anderem Grund kaum geben – bei den großen Publishern sitzen Xbox 360 und PS3 in der ersten Reihe. Und die sind grafiktechnisch gesehen nicht mehr auf Augenhöhe mit dem, was auf PC zumindest theoretisch möglich wäre. Dass ein Hersteller aber einer PC-Umsetzung eine grundsätzliche Überarbeitung verpasst, um jene Optionen wirklich auszureizen, ist unwahrscheinlich – das (verkaufstechnische) Resultat rechtfertigt den Aufwand kaum.
Für was sollte man seine Hardware im Moment noch aufrüsten? Wer Crysis spielen kann, dürfte auch in den nächsten zwölf Monaten auf der sicheren Seite sein. Ein Blick in die Releaselisten der Hersteller spricht Bände – fast alle angekündigten großen Spiele erscheinen auch auf Xbox 360 und PS3. Technologische Sprünge sind da nicht zu erwarten. Bei Blizzard werkelt man munter an StarCraft II – das aber dürfte auch auf eher mittelprächtigen Rechnern noch spielbar sein, weil das Team ganz bewusst nicht an der Hardwareschraube dreht und möglichst viele Nutzer ansprechen möchte. Das dürfte auch für EAs Spore gelten.
Stirbt der PC-Markt also? Ganz bestimmt nicht. Er ändert sich. Der PC wird aufgrund seiner offenen Struktur – keine Devkits oder Lizenzgebühren – vorerst auch weiterhin Anlaufstelle für MMO-Spiele, Onlinespiele im Allgemeinen oder Indie-Titel sein, auch wenn beispielsweise bei den MMOGs durchaus abzusehen ist, dass sie spätestens bei der nächsten Konsolengeneration auch ihren Weg ins Wohnzimmer finden werden, und Indie-Spiele dank PlayStation Network, XNA bzw. Xbox Live Community Games oder WiiWare zunehmend auch auf PS3, Xbox 360 und Wii ein Zuhause haben.
Als alteingesessener PC-Spieler muss man diesen Wandel nicht begrüßen – auch ich habe mir seinerzeit schon mit CGA-Grafiken die Augen verdorben und mit PC-Speaker-Sound die Trommelfelle traktiert. Ignorieren oder wegreden kann man den Trend allerdings ebenfalls nicht.
Mit Poker oder World of Warcraft lassen sich keine neuen Rechner oder Betriebssysteme verkaufen – und das ist ein Problem für Firmen wie nVidia oder Microsoft. Ob die jetzt die an der PCGA beteiligten Parteien wirklich etwas bewegen können oder nicht doch nur heiße Luft produzieren, wird die Zeit zeigen – angesichts des bisherigen ‚Wirkens‘ darf man aber skeptisch sein.
Es sei angemerkt, dass Epic und Microsoft einen Tag nach der Enthüllung der PCGA-Initiative ein neues Spiel ankündigten – bezeichnenderweise vorerst mal wieder nur exklusiv für die Xbox 360.
Julian Dasgupta