Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der im Februar 2022 seinen Anfang nahm und noch immer andauert, hinterlässt seine Spuren, auch in der Welt der Videospiele.
Besonders der frisch erschienene Shooter Atomic Heart steht deshalb in der Kritik: Entwicklerstudio Mundfish sitzt mittlerweile zwar offiziell auf Zypern, stammt aber ursprünglich aus Moskau. Vorwürfe, dass eingenommenes Geld nun für den Krieg missbraucht wird, sorgten für den ein oder anderen Boykottaufruf – nun auch von der ukrainischen Regierung selbst.
Atomic Heart: Appell an Sony, Microsoft, Valve und die Spielerschaft
In einem Statement wendet sich der stellvertretender Minister für Digitale Transformation in der Ukraine, Alex Bornyakov, dabei sowohl an Sony und Microsoft als auch an Valve und bittet um den sofortigen Verkaufsstop von Atomic Heart. Die ursprünglichen Aussagen des Ministers stammen von der ukrainischen Tech-Website Dev.au, wobei die Kollegen von PCGamesN eine englische Übersetzung veröffentlichten – die wir natürlich für euch ins Deutsche übersetzt haben:
„Bezüglich der Situation rund um den Release des Spiels Atomic Heart, das russische Wurzeln hat und die kommunistische Ideologie der Sowjet Union romantisiert, will das Ministerium für Digitale Transformation der Ukraine einen offiziellen Brief an Sony, Microsoft und Valve schicken, um ein Verbot für den Verkauf aller digitalen Versionen des Spiels in der Ukraine zu erbitten.“
Die Gründe für den Appell sind vielschichtig und gehen über Darstellungen des Spiels bis hin zum möglichen Nutzen der Gewinne: „Wir bitten außerdem dringend darum, die Verbreitung des Spiels in anderen Ländern zu limitieren, aufgrund seiner Toxizität, möglicher Sammlung von Nutzerdaten und der potenziellen Nutzung des gesammelten Geldes von verkauften Spielen, um einen Krieg gegen die Ukraine durchzuführen.“
„Medienberichten zufolge wurde die Entwicklung des Spiels von russischen Unternehmen finanziert. Daher bitten wir Nutzer weltweit, dieses Spiel zu meiden. Wir wollen außerdem betonen, dass die Entwickler des Spiels Putins Regime und den blutigen Krieg, den Russland auf die Ukraine losgelassen hat, nicht öffentlich verdammt hat.“
Die erneute Forderung nach Sanktionen
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Ukraine mit einer solchen Bitte an die Games-Industrie wendet. Bereits kurz nach Kriegsausbruch im März 2022 richtete sich Mykhailo Fedorov, der Vize-Präsident der Ukraine, mit einem offenen Brief auf Twitter an Sony und Microsoft und bat die beiden Branchen-Giganten, den Verkauf von Produkten in Russland einzustellen.
Microsoft@Xbox @PlayStation
— Mykhailo Fedorov (@FedorovMykhailo) March 2, 2022
You are definitely aware of what is happening in Ukraine right now. Russia declare war not for Ukraine but for all civilized world. If you support human values, you should live the Russian market! pic.twitter.com/tnQr13BsSv
kam diesem Aufruf fast umgehend nach und suspendierte nicht nur den Verkauf von neuer Soft- und Hardware, sondern spendete auch Waren im Wert von mehr als 18 Millionen US-Dollar an Hilfsorganisationen, die der Ukraine unter die Arme greifen. Ob man auf die neu ausgesprochene Forderung ähnlich reagiert und was Sony und Valve tun werden, bleibt abzuwarten.
Unser Umgang mit Atomic Heart
Auch wir haben lange überlegt, wie wir mit Atomic Heart angesichts des Angriffskrieges und den aktuellen Geschehnissen umgehen. Schlussendlich haben wir uns zwar dazu entschieden, das Spiel zu testen, aber auf eine Wertung in Form einer Prozentzahl zu verzichten, weil wir aufgrund der Umstände keine Kaufempfehlung aussprechen wollen.
In unserem Test zu Atomic Heart findet ihr eine ausführliche Darlegung, warum das Spiel kontrovers diskutiert wird, wie Mundfish sich zur politischen Situation geäußert hat und warum es Boykottaufrufe gibt. Weil wir trotzdem der Meinung sind, dass jeder Spieler selbst entscheiden muss, ob er das Spiel kaufen möchte oder nicht, findet ihr dort aber auch eine klassische Kritik von Story und Gameplay.
In der Hinsicht hab ich aus dieser Sache gelernt, (Harry Potter hat mich in der Hinsicht glücklicherweise noch nie wirklich interessiert) dass ich mich zukünftig bei so einem Zirkus um ein Spiel anständig informiere, bevor ich mich entscheide, dieses Spiel zu spielen oder nicht. Ich denke bei der Frequenz, wie das bisher der Fall war, ist das durchaus alltagstauglich für mich.
Ich sags mal so... generell bin ich dafür, Kunst vom Künstler auch trennen zu können, ich bin kein großer Fan von Personenkult oder eben auch Personen-Anti-Kult. Und Entwickler sind eben im Regelfall keine Politiker, mal ganz zu schweigen davon, dass es bei einer großen Firma nie einen Konsenz über "richtig" und "falsch" in allen Belangen des Lebens geben wird... das bekommt man nicht mal im engsten Freundeskreis hin. Menschen sind halt individuell, da kannst du nicht einfach eine Schablone, egal ob die Herkunft, politische Meinung, Geschlecht, Haarfarbe, Blutgruppe, Lieblingsband oder was auch immer umfasst drauflegen und alle als "eins" verallgemeinern. Deshalb hat mich das mit der expliziten "Nicht-Wertung" als Statement auch am Anfang ein bisschen gestört. Nicht sehr, weil ich hier eh keine Wertungen sehe, aber das Statement fühlte sich irgendwie... unehrlich... an, insbesondere da mit dem Test ja 99,9% der Arbeit bereits getan war.
Bei den Dingen, die allerdings so langsam an die Oberfläche kommen, sieht das ganz rückwirkend eben doch ein bisschen anders aus, weil der Künstler eben selbst die aktuelle Lage in seiner Kunst "verwertet", selbst also überhaupt kein Interesse daran hat, sich und seine Position von seiner Kunst abzutrennen. Niemand kann mir wirklich erzählen wollen, dass die Drohne oder die Farbwahl der Dose reiner "Zufall" ist. Insofern ist das für mich also ein ziemlich klarer Fall: das ist eine Position, die ich von mir aus nicht für unterstützenswert halte, also gibt es auch kein Geld für das Produkt. Ich mein, wie dämlich kann man eigentlich auch sein... den ganzen Firmenumzug nach Zypern in einer Briefkastenfirma inszenieren um damit im Kern zu sagen "hey, wir sind nur arme Russen, wir sind nicht mal mehr in unserer Heimat - ihr könnt unser Produkt also ruhig kaufen" - und dann die ganze Aktion mit solchen "Eastereggs" ruinieren. Das ist doch - auch wirtschaftlich - schon ein Level der Dämlichkeit für den man bewusst trainieren muss.
Danke Mordegar und Khorneblume. Werd mir das mal näher anschauen.
Bin immernoch überrascht, wie wenig hier Microsoft oder Steam reagiert. Aber wenn man sich mal die Steamforen anschaut, gibts ja fast nur beführworter des Krieges oder Leute die "keine Politik" in Spielen wollen und diese auch in Atomic Heart nicht sehen (wollen). Man könnte meinen, dass die Mods dort sehr gut durchgreifen, also zum Wohle der russischen Propaganda...
Beim Rest hat man bisher jegliche Anfragen namhafter Spieleseiten abgeschmettert.
Hah. Die Schweinefleischdose ist natürlich ein richtiger Griff ins Klo.
Gab's dazu schon ein Statement? "Bedauerlicherweise übersehen, keine Absicht" oder "Arbeit eines externen Künstlers, dessen Meinung nicht die des Teams widerspiegelt", schlage ich spontan als PR-Sprech-typische Ausrede vor.
Selbst wenn es das Label tatsächlich gegeben hat, selbst wenn es die Bezeichung 'Schweine' für Ukrainer nicht geben würde, so ist das, freundlich ausgedrückt, ziemlich beschissen und man muss sich hier nicht groß dehnen, um das als politisches Statement wahrzunehmen.
Ich frage erneut: Was sagt eigentlich Focus Home?
Die dürften doch vom Rundumschlag auch was abbekommen haben. Zumal ich mir durchaus vorstellen kann, dass Mail.ru sich von seinen Publishingpartnern Pauschalbeträge hat zahlen lassen - oder garantierte Mindestverkaufseinheiten. Was bedeuten würde, dass die Gelder schon gewandert sind.