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Beholder (Adventure) – Der Spion im eigenen Haus

Man nehme eine Dystopie, die der Indie-Überraschung Papers, Please ähnelt. Man ergänze dies um ein Artdesign zwischen This War of Mine und Fallout Shelter. Und zu guter Letzt reichert man dies um eine Orwell’sche Big-Brother-Thematik sowie zahlreiche, teils dramatische Entscheidungen samt Konsequenzen an. Das Ergebnis dieses merkwürdigen Cocktails ist die „Blockwart-Simulation“ Beholder, die über ein Jahr nach PC-Veröffentlichung jetzt auch auf Konsolen die Nachbarschafts-Spione ans Pad ruft – mehr dazu im Test.

© Warm Lamp Games / Alawar Entertainment / Curve Digital

Orwell lässt grüßen

Beholder zeichnet ein düsteres Bild einer totalitären Welt: Der Staat versucht nicht nur, seine Bürger zu überwachen. Es kommen fast täglich neue Anordnungen und Gesetzes-Änderungen, die z.B. den Besitz oder die Nutzung von wie Büchern eines bestimmten Autors, Früchten wie Äpfeln oder Jeans untersagen, aber auch mitunter Gefühle unter Strafe setzen. Das unbeschriebene Blatt Karl Stein ist Teil dieser Maschinerie – wenn auch wider Willen. Er wird als Hausmeister eingesetzt und muss in dem ihm zugewiesenen Haus, das über sechs Wohnungen auf drei Etagen verfügt, nach dem Rechten sehen. Dabei muss er aber nicht nur die Räumlichkeiten in Schuss halten und Reparaturen durchführen. Er ist auch für alle Aktionen der dort ansässigen Mieter verantwortlich. Sprich: Verstoßen sie gegen Gesetze oder Verordnungen und meldet er dies nicht, geht es ihm an den Kragen. Und der Staat meint es ernst: Als er mit seiner Familie (Ehefrau, zwei Kinder) im Keller einzieht, wird er Zeuge, wie die Polizei den vorherigen Hausmeister verprügelt und mitnimmt. Und damit ihm auch ja kein Fehlverhalten entgeht, wird er mit experimentellen Drogen vollgepumpt, die die Notwendigkeit des Schlafens unterdrücken.

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Als Hausmeister hat man nicht nur seine Mieter stets im Blickfeld, sondern sollte sich auch um die Bedürfnisse seiner Familie kümmern. © 4P/Screenshot

Um herauszubekommen, ob die lieben Nachbarn etwas Verbotenes machen, Schmuggelware besitzen oder gar ernst zu nehmende Verbrechen begehen, stehen einem aber nicht nur Gespräche mit weitgehend eingeschränkten Dialogoptionen zur Verfügung. Wenn sie außer Haus sind, um z.B. zur Arbeit zu gehen, kann man mit Hilfe des Universalschlüssels ihre Wohnung betreten und ihre Wohnung durchsuchen. Und man sollte tunlichst Kameras installieren, die man in mehreren Qualitätsstufen (sprich: Sichtwinkel-Größe) für Reputationspunkte erstehen kann. Diese wiederum erhält man u.a., wenn man für das Ministerium Berichte über die Mieter anfertigt oder sie mit Beweisen für schwere Verstöße versorgt. Das hat übrigens häufig ein erneutes Anrücken der Polizei zur Folge – was wiederum meist dafür sorgt, dass die Wohnung danach wieder leer steht und erneut vermietet werden kann.

Das Leben ist kein Wunschkonzert


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Geld kann man u.a. verdienen, indem man Berichte über die Mieter abliefert oder sie bei Bedarf anzeigt. © 4P/Screenshot

Erschwert wird die Aufgabe durch die Probleme, die einem in der eigenen Familie begegnen. Die Gattin benötigt dauernd Geld, um einkaufen oder Rechnungen bezahlen zu können. Der Sohn will studieren, was nicht nur kostspielig ist, sondern auch bestimmte Bücher voraussetzt, die normalerweise nur der Elite zugängig sind. Und die Tochter ist schwer erkrankt. Muss man ihr anfangs nur Aspirin auf dem Schwarzmarkt besorgen, reißen spätere Behandlungen massive Löcher ins stets knappe Budget. Und das Geld, das man in seiner Rolle als „Informationssammler“ verdient, reicht vorne und hinten nicht. Über Wasser halten kann man sich z.B., wenn man die anderen Hausbewohner bestiehlt – da man immer über die neuesten Verbote aufgeklärt wird, weiß man als Erster, welche vorher banalen Gegenstände  wie eine Jeanshose oder eine Flasche Whiskey plötzlich viel Profit versprechen. Doch Vorsicht: Auch hier kann die Polizei plötzlich auf der Matte stehen und eine Situation schaffen, aus der man nur über Schmiergeld oder Einbußen der Reputation wieder herauskommt. Darüber hinaus haben die Bewohner trotz ihres scherenschnitthaften Designs, bei dem nur die weißen Augen als Merkmal hervorstechen allesamt eine interessante Persönlichkeiten sowie Sorgen bzw. Probleme, bei denen sie Hilfe brauchen.


  1. Hmm, den Satz "auch wenn irgendwann die emotionale Anbindung verloren geht" finde ich interessant.
    Ist das vielleicht auch Zweck des Spiels, zu zeigen, dass die Emotionen als "Wächter" in totalitären Regimes verloren gehen?
    Mich reizt das Spiel ja schon, aber am Dienstag kommt The Hidden Ones und am Freitag Monster Hunter, also muss das Spiel erst mal warten ...

  2. Wir haben im Januar, Februar einfach mehr Zeit für kleinere Spiele oder Umsetzungen. Und die aktuellen Tests zu "Nantucket" oder "Inner Space" kamen ja direkt zum Releasetag. Uns wird auch dieses Jahr viel durch die Lappen gehen, gerade was kleinere PC-Titel betrifft. Aber die wirklich wichtigen haben wir eigentlich immer auf dem Radar.

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