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Civilization 4: Colonization (Taktik & Strategie) – Civilization 4: Colonization

Habt ihr den Mut zur Revolution? Würdet ihr im Zweifelsfall zu den Waffen greifen, um eure Freiheit zu verteidigen? Falls ja, solltet ihr euch der strategischen Herausforderung dieses modernisierten Klassikers stellen, denn hier geht es drei Jahrhunderte lang nur um eines: Eine starke Kolonie in Amerika gründen und fleißig rebellische Stimmung verbreiten, um irgendwann die Fahne der Unabhängigkeit zu schwenken. Weht der anspruchvolle Geist des Originals noch in diesem Remake oder hat man ihn am Altar des Mainstreams geopfert?

© Volition / THQ

Jeder Mann ist wichtig

Nur, wer kluges Personalmanagement betreibt, wird in seiner Kolonie sowohl rebellische Stimmung verbreiten als auch expandieren können.

Was heißt Personal- statt Reichsmanagement? Das heißt, dass jeder Mann wichtig ist. Denn es gibt keine festen Berufe – jeder kann theoretisch alles machen. Und alles hängt miteinander zusammen. Wenn man einen Siedler zum Holzfäller oder Schmied macht, kann man schneller in Sachen Infrastruktur expandieren und Gebäude bauen. Wenn man ihn zum Bauern macht, wächst die Stadt schneller und es gibt Bevölkerungswachstum. Wenn man ihn gleich ins Rathaus steckt, wächst die rebellische Stimmung und damit dehnen sich die Reichsgrenzen aus.

Aber wie soll man gleichzeitig wirtschaftlich expandieren, also Wohlstand und Arbeit schaffen, was wiederum Gold und Handelsware einbringt, und rebellisch sein? In Colonization müsst ihr dazu wertvolle Arbeitskräfte und Neusiedler ins Rathaus stecken, wo sie das nationale Selbstbewusstsein in Glockenform stärken. Das Problem ist erstens, dass diese drei nicht arbeiten und trotzdem ernährt werden müssen. Das Problem ist zweitens, dass die rebellische Stimmung immer aus einem Verhältnis zwischen diesen drei Propagandamännern und der Stadtbevölkerung berechnet wird. Sprich: Je mehr arbeitende Leute in der Siedlung, desto niedriger der Wille, gegen die Krone aufzubegehren. Man muss also einen Weg finden, der sowohl eine gewisse Produktion sichert als auch genügend Propaganda. Und dann muss man seine Siedlungen

Die zwei Kolonisten im Rathaus sorgen für die rebellische Stimmung in Form der Freiheitsglocken. Aber sie müssen ernährt werden – und das ist teuer.

noch so schützen, dass sie nicht gleich von Indianern überrannt oder von den drei europäischen Konkurrenten vereinnahmt

werden. Und dann muss man mit Indianern aus zig Stämmen handeln, sie bekehren und mit Geschenken beehren. Und dann muss man selbst Waffen produzieren. Und dann muss man die blöden Freibeuter mit eigenen Linienschiffen abwehren. Und dann. Und dann. Und dann.

Also behandelt man jeden, wirklich jeden neuen Kolonisten, wie einen Schatz. Und man macht sich Gedanken darüber, ob man den Meistertabakpflanzer, der statt drei gleich sechs Blätter erntet, wirklich auf das Feld schickt oder ihn nicht doch zum rebellischen Politiker oder Missionar ausbildet. Das Schöne an Colonization ist, dass ihr die Berufe der Kolonisten quasi jederzeit wechseln könnt – allerdings auf Kosten etwaiger Spezialisierungen. Wie teuer die Ressource Mensch ist, vor allem wenn sie qualifiziert ist, zeigt sich bei einem Besuch im Heimatland. Wer dort seine Rohstoffe verkauft, kann auch Auswanderer mit Beruf einkaufen, wenn sie nicht von alleine in die Neue Welt wollen. Und das ist richtig teuer: Für so einen Meisterpolitiker, der im Rathaus von Québec ordentlich gegen den französischen König wettern könnte (sechs statt drei Glocken!), zahlt man schon mal zweitausend Gold. Dafür muss man in Amerika richtig lang Baumwolle pflücken. 

Der Wettlauf um die Gründerväter

Wer geschickt Zusatzpunkte in den Bereichen Erkundung, Handel, Militär, Religion & Co sammelt, kann diese nutzen, um Gründerväter zu bezahlen, die permanente Boni einbringen.

Sobald ihr eine Kolonie gründet, setzt ihr das Räderwerk in Gang, das euch Nahrung, Gold, Schätze, Rohstoffe, Produkte, Verbündete & Co einbringt. Aber wozu sind eigentlich Religions-, Handels-, Politik-, Erkundungs- und Militärpunkte gut? Nur mit ihnen könnt ihr prominente Gründerväter aus verschiedenen Bereichen in die Neue Welt locken, die euch permanente Boni gewähren: Wer sich die Dienste von Hernán Cortes sichert, bekommt in jeder Siedlung eine freie Palisade; wer Pocahontas verpflichtet, darf sich auf gute Beziehungen zu den Ureinwohnern freuen; wer Juan de Sepúlveda anheuert, bekommt gleich zwei konvertierte Indianer.

Das ebenso Spannende wie Knifflige an den Gründervätern ist: Wer zuerst kommt, malt zuerst! Sprich: Ihr müsst die historischen Promis mit euren Religions-, Handels-, Politik-, Erkundungs- und Militärpunkten bezahlen, woraufhin diese verschwinden. Wer hier zu schnell Punkte ausgibt, verringert natürlich die Chance, bei späteren und meist noch effizienteren Gründervätern zuschlagen zu können. Insgesamt warten an die 50 Persönlichkeiten aus fünf Bereichen auf euch. Bis man das komplexe System aus Personalmanagement, Aufbau und diesen Entwicklungsboni verinnerlicht hat, vergeht einige Zeit und man trifft zunächst viele falsche Entscheidungen. Ich hab in den ersten drei Spielen auf dem dritten Schwierigkeitsgrad kein einziges Mal die Unabhängigkeit vor der Konkurrenz erreicht.