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Civilization 4: Colonization (Taktik & Strategie) – Civilization 4: Colonization

Habt ihr den Mut zur Revolution? Würdet ihr im Zweifelsfall zu den Waffen greifen, um eure Freiheit zu verteidigen? Falls ja, solltet ihr euch der strategischen Herausforderung dieses modernisierten Klassikers stellen, denn hier geht es drei Jahrhunderte lang nur um eines: Eine starke Kolonie in Amerika gründen und fleißig rebellische Stimmung verbreiten, um irgendwann die Fahne der Unabhängigkeit zu schwenken. Weht der anspruchvolle Geist des Originals noch in diesem Remake oder hat man ihn am Altar des Mainstreams geopfert?

© Volition / THQ

Offene Fragen & Handelshickhack

Der spanische Anführer bittet um finanzielle Hilfe. Die Diplomatie ist vorhanden, lässt aber die letzte Konsequenz und vor allem eine bessere Einbindung der Indianer vermissen.

Es gibt zwar ein Tutorial, das einem beim ersten Spielen mit Hinweistexten hilft, aber selbst damit bleiben viele Fragen offen. Man muss sich sehr oft durch die interaktive Zivilopädie wühlen, um noch mal nachzuforschen, wofür man jetzt genau Kreuze brauchte oder warum Pioniere überhaupt sinnvoll sind. Während man dann schnell heraus findet, dass Religion, Kirchen & Co in der neuen Welt wichtig sind, um daheim für mehr Aussiedler zu sorgen, bleibt die Frage der Pioniere eher unbeantwortet. Das liegt daran, dass sie zwar die Infrastruktur verbessern, indem sie Dschungel roden oder Straßen bauen, aber irgendwie sind sie im Gegensatz zu Civilization IV nur Randfiguren. Zu teuer, zu wenig Ertrag. Hinzu kommen andere Fragen: Warum erzeuge ich keine Religionspunkte, wenn ich missioniere? Warum ist das Handelssystem so ineffizient?

Ein größeres Manko des Spiels ist nämlich die Organisation des Warenverkehrs: Es gibt quasi nur Schiffe oder Planwagen als Transportmittel. Was sich anfangs noch recht gut manuell einleiten lässt, wird bei zwölf bis zwanzig Siedlungen später unangenehm aufwendig, da es keine komfortable und funktionierende Routenplanung gibt, die mir das Hin und Her von Import und Export so abnimmt, dass ich es leicht administrieren kann. Es gibt zwar einen Automatismus, aber der ist viel zu kompliziert und alles andere als benutzerfreundlich einzurichten – zumal die Planwagen manchmal nicht das machen, was man will. Sprich: Man muss auch noch im 17. Jahrhundert das meiste von Hand aus transportieren. Dieses Mikromanagement nervt, weil man sich eigentlich auf andere Dinge konzentrieren muss.

Ureinwohner & KI-Schwächen

Es ist vollbracht: Die Unabhängigkeitserklärung wurde unterzeichnet, das Volk rebelliert und die Königsstatue wurde gestürzt!

Man hat zudem kaum den Überblick über den Warenaustausch mit den Indianern. Hier wäre es klasse gewesen, wenn man den Handel mit den Ureinwohnern wirklich effizient hätte planen und gestalten können – warum brauche ich dafür z.B. unbedingt einen Planwagen? Überhaupt spielen die Indianer eine viel zu kleine Rolle angesichts ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit: Wenn man zu aggressiv vorgeht oder expandiert, dann attackieren sie zwar die Siedlungen, aber sie reagieren viel zu passiv in Sachen Diplomatie und Handel. Warum kann ich z.B. all ihre Warenwünsche ohne Konsequenzen ignorieren, während sie mich mit Geschenken überhäufen? Warum bekomme ich keinen Diplomatiebonus, wenn ich Indianer beschenke?

Im Kampf gibt es dann große KI-Schwächen. Nicht, dass es zu leicht wäre, ganz im Gegenteil, aber man beobachtet obskure Manöver auf der Karte: Die Spanier erklären z.B. ihre Unabhängigkeit. Warum darf ihr König dann einfach so durch mein französisches Land ziehen, um sie zu attackieren? Und warum zieht er mit all seinen Dragonern und Kanonen über einen fatalen Umweg zum Ort der Rebellion? Er landet sogar auf der falschen Landspitze, um die Aufständischen zu erreichen und verschenkt damit zehn bis zwanzig (!) Runden Fußmarsch, obwohl er direkt vor ihrer Hauptstadt intervenieren könnte.

Nord- & Südamerika

Nach der Unabhängigkeitserklärung wartet die letzte Schlacht gegen die königlichen Entsatztruppen auf euch: Und die hat es in sich. Wer nicht gut genug aufgerüstet hat, wird untergehen…

Wer sich nicht auf Nordamerika beschränken will, kann auch im großen Maßstab loslegen: Es gibt eine riesige Karte, die die Landmasse vom Südpol bis zum Nordpol zum Spielfeld macht. Ansonsten kann man sich in regionalen Szenarien auch auf die Nordwestpassage in die Weiten Kanadas begeben, der Karibik mit all ihren Inseln einen Abstecher liefern oder zwischen Anden und Amazonas kolonisieren. Wie in Civilization IV lassen sich Kartengrößen ebenso anpassen wie der siebenstufige Schwierigkeitsgrad – wir empfehlen allen Einsteigern aufgrund des hohen Anspruchs hier auch tatsächlich den ersten; selbst Civ-Veteranen sollten erstmal mit dem dritten „Kundschafter“ beginnen.

Colonization ist zwar ein historisch inspiriertes Spiel mit vielen authentischen Gestalten der frühen und späten Neuzeit, aber selbstverständlich keine chronologische Simulation: Da taucht Sitting Bull schon zu Kolumbus‘ Zeiten auf und selbst wenn die Holländer die Unabhängigkeit deklarieren, weht die erste Form der Stars and Stripes als Flagge und es gibt eine Deklaration auf Englisch, nicht auf Französisch. Aber das sind alles Nebensächlichkeiten, denn Firaxis fängt gerade über die wunderbare musikalische Untermalung sowie die Einbindung der auf historischen Personen beruhenden Gründerväter durchaus den Geist der Zeit ein.