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Depths of Fear: Knossos (Rollenspiel) – Gegen Satyr, Cerberus & Minotaurus

Wer will Theseus sein? Und das für 5,99 Euro? So günstig kann man selten in die Sandalen eines antiken Helden schlüpfen! Die Frage ist nur, ob der Kampf gegen den Minotaurus auch teuer erkauft werden muss. Sprich: Kann Philip Willey aus Maine, der Einmannentwickler hinter Dirigo Games, für archaische Spannung in Daidalos‘ Labyrinth sorgen?

© Digital Tribe / Digital Tribe

Theseus gegen den Minotaurus

Ist das etwa die feine Art? Kaum taucht König Minos im grellen Licht auf, wird man auch schon von seinen Wachen in das Labyrinth gestoßen. Das hat ihm bekanntlich Daidalos für den Minotaurus gebaut, der dort unten jedes Jahr seine

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Der Palast von König Minos, von Licht durchflutet. Doch sehr schnell, wird man… © 4P/Screenshot

frischen Jungfrauen verschlingt. In der Rolle von Theseus soll man diesem Schrecken auf Kreta ein Ende setzen. Allerdings vermisst man nach dem tiefen Fall etwas mehr königliche Unterstützung – man hat keine Waffen, keine Ausrüstung, nur WASD. Nicht nur hier kommen leichte Erinnerungen an ein anderes gnadenloses Abenteuer auf.

Im Labyrinth kann man sich zumindest auf Ariadne, die Tochter des Minos, verlassen, die einem wertvolle Hinweise über Notizen gibt. So bewegt man sich nicht ganz alleine in Egosicht durch das schwelende Dunkel. Das ist auch moralisch wichtig, denn kaum entzündet man eine Fackel, bekommt man einen Schock. Nicht weil man dem Minotaurus beim blutigen Frühstück zusehen muss, sondern weil die Kulisse aussieht, als hätte jemand eine Voodoo-Grafikkarte in den Rechner gesteckt. Kaum schwenkt man die Kamera auf den Boden, weil dort vielleicht eine Münze lockt, springt einem das Grauen ins Gesicht.

Grafikschock trifft auf 80er-Nostalgie

Selbst mythologische Toleranz kann diese matschigen Texturen, flackernden Schatten und schwachen Animationen

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…in ein düsteres Labyrinth voller Schatten geworfen. In der Rolle von Theseus gilt es, den Minotaurus zu  besiegen. © 4P/Screenshot

nicht retten. Hinzu kommen leider auch Ruckler und Grafikfehler, obwohl unser PC die Voraussetzungen weit übertrifft. Aber trotz dieser spröden bis abstoßenden Oberfläche entsteht auch eine gewisse Anziehungskraft. Vielleicht nicht nach fünf, aber spätestens nach zwanzig bis dreißig Minuten fühlte ich mich an die gnadenlosen Dungeon-Crawler der 80er erinnert – und nicht nur aufgrund des Covers auch ein wenig an Black Crypt von Raven Software. Das erschien 1992 auf dem Amiga und auch dort hatte man es in einem düsteren Gewölbe mit Stierwesen zu tun.

Vieles in Depth of Fear: Knossos wirkt trotz der zufallsgenerierten Katakomben wie handgemacht, wenig – wie das plumpe Interieur sowie die Tränke – stereotyp: Auf der einen Seite das Artdesign mit seinen antiken Bezügen, wie bunte Wandmalereien oder steinerne Statuen, und diese schwelende Düsternis, die einen beim Übergang in neue Abschnitte durch tiefes Schwarz  wandern lässt – man fühlt sich einsam, fremd, von Rätselhaftigkeit umgeben. Auf der anderen Seite, ähnlich wie kürzlich bei Paper Sorcerer, ein moderner, situativ wechselnder Soundtrack mit seinen anachronistisch anmutenden Synthesizern, die in Momenten der Gefahr plötzlich verzerren. Hier hat ein Nostalgiker mit schrecklich wenig Polygonpower, aber viel Leidenschaft und Herzblut entwickelt und komponiert.

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