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Der Herr der Ringe: Die Eroberung (Action-Adventure) – Der Herr der Ringe: Die Eroberung

Der Herr der Ringe – neben jammernden Hobbits, wandelnden Eichen und der Reinigung von Gandalfs Umhang steht Tolkiens Werk vor allem für eines: den epischen Krieg zwischen Gut und Böse. Und wer käme für die Visualisierung solcher Massenschlachten eher in Frage als jenes Studio, das schon die Kriege der sechs Star Wars-Filme entfesselt hat? Doch die guten Vorzeichen sind irreführend. Schon mit Mercenaries 2 bewies Pandemic eigentlich nur, dass die Kalifornier noch nicht in der aktuellen Konsolengeneration angekommen sind…

© Pandemic Studios / Electronic Arts

Immerhin: Zwischendurch hat man viel Spaß! Es liegt vor allem daran, dass die überschaubare Anzahl unterschiedlicher Charaktere die Zusammenarbeit im Team erleichtert, während jede Klasse genug Fähigkeiten beherrscht, um jedem Gegner etwas entgegen zu setzen. Zauberer errichten z.B. einen Schutzschild und heilen sich sowie befreundete Krieger. Trotzdem verfügen sie mit vier Angriffsmöglichkeiten über genug Varianten, um jedes Duell zu bestehen. Spione können sich hingegen tarnen und im unsichtbaren Zustand einen Gegner mit nur einem Knopfdruck meucheln, während der Krieger nicht nur blocken kann, sondern dank zahlreicher Attacken im Nahkampf unverschämt mächtig ist. Mit seiner Wurfaxt bringt er

Wer will, darf auch als Troll oder Ent wüten.

außerdem

entfernte Widersacher zu Fall. Nur die Bogenschützen sind fast ausschließlich auf die Distanz effektiv – richten mit einem Fernschuss im besten Fall aber massiven Schaden an.

Müsst ihr zusätzliche Geschütze auffahren, dürft ihr außerdem Reittiere (Pferde oder Warge) bemannen, auf deren Rücken ihr euch nicht nur schnell fortbewegt, sondern auch kämpfen könnt. An einigen Positionen stehen zudem Geschütze, die brennendes Metall gen Gegner pfeffern und wer gerne als übergroße Kampfmaschine übers Feld stapft, kann als Ent oder Troll den Gegner überrennen. Das sorgt für abwechslungsreiche Kämpfe, die zwischen maximal 16 Spielern ausgetragen werden, wobei die Teilnehmerliste bei Bedarf mit fordernden, wenn auch nicht besonders cleveren KI-Kameraden gefüllt wird. Bis zu vier Kumpel dürfen vor einer Konsole außerdem die Solokampagne auf dem geteilten Bildschirm spielen oder gegeneinander antreten. Auf den Schwierigkeitsgrad der Kampagne hat die doppelte Schlagkraft dabei keine Auswirkungen.

Schulterwirren

Im Gegensatz zum Quasi-Vorgänger bietet Pandemic übrigens nur den Schulterblick – wahlweise positioniert ihr die Kamera direkt hinter eurem Charakter oder in zwei, drei Metern Entfernung. Egal wie: In engen Passagen fehlt mir eine Ego-Perspektive, wie es sie in Battlefront noch gab. Denn sobald der Feind von der Seite oder von hinten attackiert und die Kamera munter heran- und herauszoomt, leidet der Ablauf unter den üblichen Schwächen eines 3rd-Person-Titels. Im schlimmsten Fall kostet euch das unverschuldet ein Leben und Nerven.

Überhaupt wirkt die Steuerung nicht ausgereift: Falls euch ein Gegner erst mal mit einer Nahkampf-Kombo erfasst, dürft ihr euch „besten“ Fall so lange nicht zur Wehr setzen, bis euer Alter Ego das Zeitliche segnet. Andererseits seid ihr auf sehr wenige Kombofolgen angewiesen, so dass ihr stets dieselbe Tastenkombination in die Tastatur oder das Gamepad hackt. Der Späher hat hingegen damit zu kämpfen, dass er seinen Meuchelangriff nur dann ausführt, wenn ihr ihn präzise hinter dem Ziel platziert – was schon von leichten Lags oder einem eigenwilligen Kamerazoom zunichte gemacht werden kann.

Städte wie Minas Tirith oder das zerstörte Osgiliath gehören zu den eindrucksvollsten Schauplätzen.

Und Lags sind auf voll besetzten Konsolenservern leider deutlicher spürbar als am PC.

„Du kannst nicht vorbei!“

In drei Spielarten tragt ihr den Krieg um Mittelerde aus: In „Team-Deathmatch“ zählen die Abschüsse, in „Finde den Ring“ müsst ihr den Einen Ring auflesen und ins Ziel schleppen und in „Eroberung“ – der interessantesten Variante – müsst ihr möglichst viele der angegebenen Positionen einnehmen. Spielerisch unterscheiden sich die unterschiedlichen Modi leider wenig; ein organisiertes Team erreicht stets mit ähnlichen Taktiken sein Ziel. Je nach Konfiguration darf ein Mitglied jedes Teams übrigens einmal pro Runde als Held spielen: Auf Seiten der Guten stehen z.B. Gandalf, Gimli oder Aragorn, während die Bösen mit Saruman oder sogar Sauron in den Kampf ziehen. Große Vorteile stehen den Helden dabei nicht zu, denn bis auf kleine Spezialfähigkeiten unterscheiden sie sich nicht von den gewöhnlichen Charakteren. Ein Frodo kann als Späher z.B. länger unentdeckt bleiben – aber das war’s auch schon.

Es passt ins Bild der unspektakulären Multiplayer-Scharmützel, dass die „Originalschauplätze“ zwar wohlige Erinnerungen an die Filme wecken, spätestens aber der Anblick der Figuren an selige PS2-Zeiten erinnert. Die Eroberung tut dem Auge nicht weh – sie schmeichelt aber mit Sicherheit nicht der modernen Hardware. Sowohl Charaktere als auch die Umgebung wirken zudem selbst dann noch verhältnismäßig starr, wenn im Hintergrund Dutzende Statisten andeuten, dass ihr euch inmitten einer großen Schlacht befindet. Aber der Anblick wird nie zur Illusion. Da fällt es kaum auf, dass auch die aufgesetzte Filmmusik oft nicht zum Geschehen passen will. Pandemics Mittelerde ist eine hübsche Skizze – es ist aber kein Gemälde, in dessen malerischer Tiefe man sich verlieren kann.